Klaus-Dieter GröhlerCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Letzter Redner zum letzten Tagesordnungspunkt zu sein, ist eine Herausforderung. Aber ich will die Herausforderung als Chance begreifen, eine Zusammenfassung vorzunehmen.
Ich will mit dem Kollegen Ernst beginnen, dem es nicht wirklich um eine ernsthafte – Sie sehen mir bitte dieses Wortspiel nach – Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen der Abschaffung ging. Vielmehr ging es ihm um eine ganz andere Frage, auf die ich gleich eingehen will.
Auch bei meiner lieben Kollegin Paus habe ich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Fragestellung vermisst:
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jetzt müssen Sie aber auch ernst werden!)
Was würde denn passieren, wenn man dieses Rechtsinstitut tatsächlich aufgeben würde? Wo wären für den Staat die Vor- und die Nachteile? Das ist völlig ausgeblendet worden.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich gesagt, dass wir das abschaffen sollen?)
Dem Kollegen Ernst und seiner Fraktion ging es um etwas ganz anderes, und zwar zum einen offensichtlich um ein Warmlaufen für beginnende Wahlkämpfe
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Worum geht es Ihnen denn?)
in diesem Jahr und zum anderen um die Frage der ideologischen Selbstbestimmung: auf der einen Seite diejenigen, die mit den Kleinen Seit’ an Seit’ schreiten, und auf der anderen Seite diejenigen, die die großen Steuerbetrüger vor dem Zugriff des Staates schützen. Das werden Ihnen die Leute aber nicht durchgehen lassen. Sie werden nämlich sehr wohl merken, dass Sie sich mit den eigentlichen Problemen in keiner Weise wirklich auseinandergesetzt haben.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dafür haben wir ja Sie!)
Diese Probleme hat der Bundesfinanzminister übrigens sehr deutlich benannt.
Wo sind denn Ihre Stellungnahmen zu den folgenden Fragen: Wie gehen wir damit um, wenn die Menschen in Zukunft im Strafverfolgungsprozess von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen? Wie gehen wir damit um, dass die Steuerbehörden teilweise erst durch Selbstanzeigen Zinsquellen im Ausland entdeckt haben, von denen sie gar keine Kenntnis hatten? Wie gehen wir damit um, wenn während des langen Ermittlungsverfahrens – die Kollegin hat darauf hingewiesen – die Verjährung eintritt?
Der Kollege Pitterle hat eben gesagt, es sei überhaupt nicht in Ordnung, dass für 20 oder 25 Jahre Verjährung eintritt, wenn man 30 Jahre lang Steuern hinterzogen hat. Meine Damen und Herren, Verjährung ist in diesem Rechtsstaat ein ganz normales Instrument. Das gibt es nur in zwei Fällen nicht: bei Mord und bei Völkermord. Selbst Sie werden nicht so weit gehen, diese beiden Straftaten mit Steuerhinterziehung auf eine Stufe stellen zu wollen.
Insofern unterstelle ich Ihnen, dass es Ihnen in Wirklichkeit gar nicht um eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Thema geht. Sonst hätten Sie auch auf die Frage geantwortet, wie der Staat, wenn er jetzt den Verfolgungsdruck erhöht, die Einnahmen erreichen will, die er in den letzten Jahren tatsächlich generiert hat. Der Kollege hat darauf hingewiesen, dass durch Tausende von Selbstanzeigen 3 Milliarden Euro eingenommen wurden. Das müssen Sie durch Steuerfahnder erst einmal hereinbekommen.
Sie erwecken auch den Eindruck, man könne, wenn die Steuerfahndung an die Tür klopft und „Steuerfahndung!“ sagt, einfach „Selbstanzeige!“ brüllen und alles sei gut. Das ist mitnichten so, meine Damen und Herren! In der Tat ist es so, dass man von der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige nicht mehr Gebrauch machen kann, wenn die Steuerfahndung schon unterwegs ist. Insofern haben Sie hier einen völlig falschen Eindruck erweckt. Das finde ich schade.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich glaube, lieber Herr Kollege von Lerchenfeld, dass Herr Ernst sehr wohl weiß, dass es im Strafgesetzbuch auch an anderen Stellen den Verzicht des Staates auf Strafe gibt. Das ist übrigens auch beim Besitz geringer Mengen Rauschgift der Fall. An der Stelle finden Sie es offensichtlich gar nicht schlimm, dass der Staat auf Strafe verzichtet. Ihnen, lieber Herr Ernst, ging es aber darum, hier darzustellen, dass der Staat nur dann auf Strafe verzichtet, wenn es um wichtige und reiche Leute geht.
Sie haben sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, dass beim Wegfall dieses Rechtsinstrumentariums zum Beispiel der Mittelständler, der bei seiner Umsatzsteuervoranmeldung einen Fehler gemacht hat, weil er mehr Einnahmen hat und somit mehr Steuern abführen müsste, sich strafbar machen würde, wenn er dem Finanzamt nachmeldet, dass er in Wirklichkeit mehr Steuern zu zahlen hat. Das können wir doch nicht wollen.
(Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])
Ich bitte insofern darum, meine Damen und Herren, dass wir uns ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen und diese Thematik nicht nutzen, um ideologische Schlachten zu schlagen. Wir sagen ganz klar: Ja, an der einen oder anderen Stellschraube muss man drehen. Ja, wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass dies ein Schwerpunkt der Arbeit sein soll. Ja, es muss für Steuergerechtigkeit gesorgt werden. – Wir sollten aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wir sollten das Instrument nicht verteufeln. Wir sollten es nicht über Bord gehen lassen. Das nützt weder dem Staat noch den Sündern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lieber Kollege Gröhler, als fünfter Erstredner in der heutigen Debatte ist es Ihnen gelungen, das Kunststück des SPD-Kollegen, der heute das erste Mal geredet hat, zu wiederholen: Auch Sie sind innerhalb der Redezeit geblieben; Sie haben sie sogar unterboten. Auch dazu gratuliere ich Ihnen. Ansonsten wünsche ich Ihnen natürlich viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3123260 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 13 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung |