Michael FuchsCDU/CSU - Jahreswirtschaftsbericht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Wagenknecht, zuerst hatte ich überlegt, ob ich auf Sie eingehe.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Lieber nicht!)
Aber wenn ich mir diesen Quatsch anhören muss, dann tut das schon weh.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Es sind körperliche Schmerzen, die man hier erleidet, und dann ist es besser, man vergisst es einfach und geht gar nicht groß darauf ein. Denn Sie haben bis jetzt nicht kapiert, dass es Deutschland gut geht. Ich würde gerne einmal von Ihnen hören, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern heute das führende Land in Europa ist, dass wir und die Politik der Bundeskanzlerin dafür gesorgt haben, dass es in Europa wieder aufwärtsgeht und sich Länder langsam, aber sicher aus der Krise herausentwickeln.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was ist denn mit Irland? Was ist mit Spanien? Was ist mit Griechenland? Diese Länder sind auf dem Sprung, aus der Krise, in der sie sich lange Jahre befunden haben,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was ist mit Kuba?)
wieder herauszukommen. Dafür können wir dankbar sein. Das war eine vernünftige Politik, das war Konsolidierungspolitik. Nur, davon verstehen Sie einfach nichts; Sie führen Ihr kommunistisches Gelaber immer weiter.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN)
Deutschland geht es gut. Dafür haben eine Menge Politiker gesorgt. Ich bin fair genug, um zu sagen, dass das natürlich mit Gerhard Schröder und der Agenda 2010 angefangen hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben Maßnahmen ergriffen, die den Arbeitsmarkt verbessert haben, und wir haben Maßnahmen ergriffen, die dazu geführt haben, dass wir heute in Deutschland die höchste Beschäftigungsrate haben, die es jemals gegeben hat. Der Bundesminister hat vollkommen zu Recht eben auf 42,1 Millionen Erwerbstätige in Deutschland hingewiesen. Diese Zahl hat es noch nie gegeben. Wir haben knapp 30 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Auch diese Zahl hat es noch nie gegeben. Das ist eine Erfolgsstory, und die müssen wir weiterführen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Beschäftigungslage ist so gut, wie es seit Jahrzehnten nicht der Fall war. Wir haben eine ständig sinkende Arbeitslosigkeit, wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit überhaupt in Europa. Vor allen Dingen bei der Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit haben wir ein Erfolgsmodell. Ich bin den Unternehmen dafür dankbar, dass sie viel ausbilden; denn das ist der richtige Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir müssen auch weiterhin dafür sorgen, dass mehr junge Menschen in Arbeit kommen. Wir haben, nach dem OECD-Standard gerechnet, immer noch eine Jugendarbeitslosigkeit von ungefähr 7 Prozent. Das sind immer noch 7 Prozent zu viel. Wir müssen den jungen Leuten eine Perspektive geben.
Wenn ich den OECD-Standard auf andere Länder anwende – zum Beispiel auf Spanien, wo die Jugendarbeitslosigkeit bei annähernd 55 Prozent liegt; selbst Frankreich, unser direktes Nachbarland, hat eine Jugendarbeitslosigkeit von 25 Prozent; in anderen Ländern ist sie noch höher; in Griechenland liegt sie bei rund 60 Prozent –, stelle ich fest: Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit ist eine zentrale europäische Aufgabe. Die Maßnahmen, die die Bundeskanzlerin der EU- Kommission angeraten hat, greifen. Das Ganze werden wir weiter verfolgen.
Meine Damen und Herren, auch was den Aufschwung angeht, ist Deutschland die Lokomotive. Die Wachstumszahl von 1,8 Prozent in diesem Jahr, die der Minister eben verkündet hat, ist konservativ geschätzt. Ich gehe davon aus, dass der Finanzminister ein bisschen den Daumen draufgehalten hat, damit diese Schätzung nicht zu hoch ausfällt. Sie, Herr Gabriel, haben Ihre Wachstumsschätzung nach Ihrem Jahreswirtschaftsbericht ausschließlich auf den Binnenmarkt konzentriert. Danach erwarten Sie für den Export so gut wie kein Wachstum. Doch da bin ich ein klein bisschen optimistischer als Sie. Beispielsweise haben die deutschen Exporte nach China im letzten Monat ein Wachstum von 10,6 Prozent verzeichnet. Das ist natürlich schon ein Anzeichen dafür, dass es auch in dieser Ecke der Welt wieder vorwärtsgeht. Also können wir ziemlich sicher sein, dass unser Exportwachstum stärker sein wird als projiziert. Ich bin so optimistisch, dass ich sage: Wir werden beim Wachstum am Ende des Jahres auch das 2-Prozent- Ziel erreichen können. Das ist hervorragend.
Daraus resultiert, dass wir hier im Hohen Hause trotzdem alle jene Punkte diskutieren müssen, die wichtig sind, damit wir das Ganze weiter und stärker unterstützen können. Es gibt nämlich eine ganze Reihe Risiken in Deutschland. Ein zentrales Risiko ist die demografische Entwicklung. Das Arbeitskräfteangebot hätte im Jahre 2013 eigentlich um 240 000 zurückgehen sollen; trotzdem wurden mehr Personen eingestellt. Das bedeutet, dass verstärkt Zuwanderer aus dem Ausland eingestellt worden sind und dass mehr Frauen und auch mehr ältere Arbeitnehmer erwerbstätig geworden sind. Das ist erfreulich.
Wir haben in vielen Regionen und auch in vielen Berufen einen heftigen Fachkräftemangel. Das ist ein Problem, das wir angehen müssen. Wir müssen die Erwerbstätigkeit in unserem Land besser ausschöpfen. Dabei müssen wir auch nach neuen Wegen suchen; denn das wird nicht einfach sein. Gleichzeitig müssen wir – Sie haben es eben erwähnt – die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte fördern.
Der Erfolg gibt uns recht: Die Zahl der Erwerbstätigen und der sozialversicherungspflichtigen Dauerbeschäftigten ist gewachsen. Frau Wagenknecht, Sie fangen immer wieder an, von der Zeitarbeit zu sprechen: Wissen Sie eigentlich, wie viele Arbeitnehmer in Deutschland überhaupt in Zeitarbeit beschäftigt sind? Nur circa 2,1 Prozent der Beschäftigten sind in Zeitarbeitsunternehmen. Das heißt, wir reden über 850 000 bis 900 000 Personen, die in solchen Beschäftigungsverhältnissen sind. Für viele ist die Zeitarbeit eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, und das ist gut so.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: 7 Prozent! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie glauben noch an den Weihnachtsmann, oder?)
– Wenn Sie den kennen.
Die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 55 und 64 ist, nebenbei gesagt, ebenfalls gestiegen. Es heißt die ganze Zeit, dass zu wenig ältere Menschen im Erwerbsleben stehen. Nein, das ist falsch: In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 55 und 64 um 13 Prozent gestiegen. Das zeigt, dass es auch da eine Veränderung gibt, dass also mehr ältere Menschen den Weg in den Arbeitsmarkt gefunden haben. Auch das halte ich für sehr gut.
Insofern habe ich ein bisschen ein Problem damit – das ist einer der wenigen Punkte, wo wir uns nicht einig sind –, dass wir mit der Rente mit 63 unter Umständen das falsche Signal setzen. Ich möchte auf jeden Fall – das halte ich für sehr wichtig –, dass wir Anreize für Frühverrentungen begrenzen. Da helfen keine Appelle. Wir müssen die gesetzlichen Regelungen so ausgestalten, dass wir ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es kann nicht sein, dass jemand bereits mit 61 Jahren in die Arbeitslosigkeit und mit 63 abschlagsfrei in Rente geht. Das zu verhindern, dazu müssen Möglichkeiten gefunden werden. Eine Möglichkeit wäre, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit nach dem 1. Januar 2014 oder zumindest Zeiten der Arbeitslosigkeit unmittelbar vor Renteneintritt nicht berücksichtigt werden. Bei vorgeschalteter Altersteilzeit sollte auch der Zugang in die Rente ab 63 nur mit entsprechenden Abschlägen möglich sein.
Das sind Punkte, die wir noch diskutieren müssen. Es muss gerade aufgrund der demografischen Situation darauf geachtet werden, dass wir wertvolle Fachkräfte nicht verlieren; denn der Arbeitsmarkt wird diese Fachkräfte brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, der Bundesminister sprach zu Recht die Risiken der Energiewende an. Ich bin für diese Energiewende;
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit wann das denn?)
sie muss umgesetzt werden. Aber wir müssen die Energiewende so ausgestalten, dass sie von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Unternehmen bezahlt werden kann. Irgendwann hört die Akzeptanz bei der Bevölkerung für diese Energiewende auf, nämlich dann, wenn sie nicht mehr bezahlbar ist, und da sehe ich große Risiken.
Wir haben Firmen, die absolut stromabhängig sind, und zwar nicht deshalb, weil sie unbedingt Strom verbrauchen wollen. Sie würden alles daransetzen, weniger Strom zu verbrauchen. Aber wenn sie technische Prozesse haben, beispielsweise Elektrolysen, dann brauchen sie Strom. Sie brauchen dummerweise ein Elektron, das den ganzen Prozess antreibt – wenn man ein ganz kleines bisschen über Physik oder Chemie weiß, dann kann man das verstehen –; ohne das geht es nicht.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das haben Sie schon mal erzählt!)
– Sie haben es immer noch nicht verstanden. Deswegen muss ich es Ihnen noch einmal erzählen.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Doch, das habe ich verstanden! Physik war mein Lieblingsfach!)
Genau dieses Problem ist nun einmal da, und das wissen wir auch. Deswegen müssen wir stromintensive Unternehmen unterstützen. Ich erwarte, dass wir dafür eine vernünftige Lösung finden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Es gibt einen zweiten Punkt, Herr Minister, bei dem ich mit Ihnen nicht einig sein kann. In Ihrem Eckpunktepapier für Meseberg stand, dass die Eigenerzeugung von Strom ebenfalls der EEG-Umlage unterfallen soll. Das geht nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die industrielle Eigenerzeugung von Strom muss für bestehende Anlagen weiterhin von der EEG-Umlage befreit sein. Der Koalitionsvertrag sieht dies, nebenbei bemerkt, ausdrücklich vor. Bestandsschutz ist kein Privileg nur der erneuerbaren Energien, sondern das muss natürlich auch für die Eigenstromerzeugung gelten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Hier haben wir Vertrauensschutz zu gewährleisten. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Wir müssen dafür eine vernünftige Regelung finden.
Ich sehe mit Sorge, dass es Industrien gibt, die heute schon darüber nachdenken, ob sie noch in energieintensive Anlagen in Deutschland investieren können. Ich will dazu den VDMA anführen. Der hat eine Analyse gemacht, nach der in den letzten fünf Jahren nur noch etwa 85 Prozent der Mittel aus Abschreibungen reinvestiert werden. Das macht mir Sorge. Das bedeutet schlicht und ergreifend, dass 15 Prozent woanders investiert werden. Ich gehe nicht davon aus, dass sich diese Unternehmen aus dem Markt verabschieden, aber sie investieren nicht mehr in energieintensive Anlagen in Deutschland. Wenn das der Fall ist, dann heißt das am Ende des Tages, dass sie sich aus Deutschland verabschieden. Bei Unternehmen ist es, nebenbei bemerkt, nicht so, dass sie zum Einwohnermeldeamt gehen müssen, um sich zu verabschieden. Das machen sie klammheimlich; auf einmal sind sie weg.
Das muss verhindert werden; denn ich möchte, dass dieses Land ein industrielles Land bleibt. Deutschland ist der Industriestandort Nummer eins in Europa. Wir müssen alles daransetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es das bleibt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn es nicht so bleibt und wenn wir nicht mehr geschlossene Wertschöpfungsketten haben, dann wird sich dieses Land verändern, und zwar so, wie Sie es in großen Teilen von Großbritannien beobachten können. Das ist nicht meine Vorstellung von Deutschland.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Meine auch nicht!)
Meine Damen und Herren, dafür werden wir bei der Energiewende noch etliche schwierige Aufgaben zu lösen haben. Es muss eine EU-konforme Regelung für besondere Ausnahmen gefunden werden. Es muss dringend mit Kommissar Almunia verhandelt werden. Ich weiß, dass der Minister schon auf dem Weg ist, das zu tun. Wir müssen bis zum 1. Juli eine vernünftige Regelung haben, die die EU notifizieren kann. Wenn wir das nicht schaffen, dann haben wir ein heftiges Problem für die deutsche Wirtschaft. Das möchte ich nicht. Die Unternehmen, die jetzt befreit sind, müssen in wesentlichen Teilen auch befreit bleiben. Die Grünen haben die Schienenbahnen berücksichtigt. Ob man nun die Straßenbahn in Rostock als im internationalen Wettbewerb stehend empfinden kann, weiß ich nicht; ich tue das nicht. Das könnte zum Beispiel ein Bereich sein, den wir von den Ausnahmen herausnehmen müssen, damit wir ein Opfer an die EU liefern können. Das wird uns abverlangt werden. Darüber müssen wir nachdenken.
Ich bin froh, dass Sie eben das Transatlantische Freihandelsabkommen angesprochen haben. Das ist mit Sicherheit eine Riesenchance. Man sieht es, nebenbei bemerkt, an Bali, wo die letzte WTO-Verhandlung stattgefunden hat. Die OECD hat ausgerechnet, dass allein Europa dadurch schon in den nächsten Jahren Exportchancen in Höhe von 60 Milliarden Euro zusätzlich bekommt. Das zeigt: Solche Freihandelsabkommen sind der richtige Weg. Daran werden wir gemeinsam arbeiten. Es hat keinen Sinn, die NSA-Problematik mit einem Freihandelsabkommen zu verknüpfen. Das ist sicherlich nicht der richtige Weg.
Ich bin davon überzeugt, dass dieser Jahreswirtschaftsbericht die Chancen, die wir haben, und ebenso die Risiken aufzeigt. Wir müssen gemeinsam hart daran arbeiten, die Risiken möglichst kleinzuhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun der Kollege Anton Hofreiter das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3124085 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Jahreswirtschaftsbericht |