13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 3

Johannes Singhammer - Jahreswirtschaftsbericht

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer muss der Letzte sein, aber ich habe gerade festgestellt, dass ich das gar nicht bin. Das ist auch gut. Also, ich bin der Vorletzte.

Wenn man die heutige Diskussion über den Jahreswirtschaftsbericht verfolgt hat, dann musste man den Eindruck gewinnen, dass Ihnen, Herr Minister, die Ohren geklungen haben angesichts des Lobes, das Ihrem Haus und Ihnen entgegengebracht wurde. Gestern haben Sie im Ausschuss gesagt, Sie seien Marktwirtschaftler. Das haben wir alle gehört. Das lässt auf eine gute Zusammenarbeit hoffen.

Die Redner haben heute ganz überwiegend festgestellt, dass die Situation in Deutschland gut ist. Das ist, glaube ich, Konsens in diesem Haus, bis auf die Fraktion der Linken, die mit ihren links-halbradikalen Spinnereien nach wie vor versucht, Verwirrung zu stiften.

(Lachen bei der LINKEN)

Sie haben mit Ihren Theorien schon eine ganze Volkswirtschaft gegen die Wand gefahren. Das wollen wir nicht noch einmal mit Ihnen erleben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD])

Auch die guten Beschäftigungszahlen zeigen – auch das ist Konsens in diesem Hause –, dass Deutschland in den letzten Jahren einen sehr erfolgreichen Weg gegangen ist. Wer sich die ersten Seiten des Jahreswirtschaftsberichts anschaut, der stellt fest, dass 47 Handlungsfelder dargestellt sind, mit denen wir es in den nächsten Jahren zu tun haben werden.

Eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung braucht Unternehmer. Wir müssen leider feststellen, dass die Zahlen von Unternehmensgründungen in den letzten Jahren stark rückläufig waren. Das hat viele Gründe, über die man diskutieren muss. Das fängt aus meiner Sicht schon in der Schule an. Wenn die Lehrer Unternehmer als Ausbeuter darstellen, was soll denn dann junge Menschen motivieren, sich nach der Schule selbstständig zu machen? Über das Verhältnis von Schule und Wirtschaft muss man diskutieren. Ich denke, hier gibt es viele Ansätze, um bei jungen Leuten die Motivation zu wecken, sich später einmal selbstständig zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zu dem Thema Investitionen kommen. Herr Heil, Sie hatten die kritische Situation vor allem bei den Investitionen der Wirtschaft angesprochen. Das ist wirklich so, und das ist hochdramatisch. Wenn man sich den Zeitverlauf seit 2005 anschaut, dann stellt man fest, auf welch niedrigem Stand sich die Investitionen befinden. Dazu muss ich sagen: Die DDR ist zugrunde gegangen, weil der Kapitalstock völlig aufgezehrt und ruiniert gewesen ist.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Von den Funktionären da!)

– Wegen dieser Funktionäre, ganz genau. – Darüber muss man diskutieren. Ich denke, es wird die Aufgabe der nächsten Wochen und Monate sein, herauszufinden, warum die Unternehmen so wenig investieren. Was ist denn der Grund? Sind das die zu hohen Arbeitskosten, sind das die zu hohen Energiekosten, sind das die Rahmenbedingungen insgesamt, die nicht stimmen? Es muss einen Grund geben, und wir sollten das Problem sehr ernst nehmen; denn nicht getätigte Investitionen sind immer ein Grund dafür, dass man schnell zurückfallen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt komme ich zum Thema der guten Fachkräfte. Das Vorhandensein von Fachkräften ist ein Grund für den wirtschaftlichen Erfolg der letzten Jahre. Hierzu muss man sagen: Gute Fachkräfte gibt es dann, wenn die Ausbildung gut ist. Wir in Deutschland haben das duale System. Dieses duale System ist der Erfolgsgarant. Deswegen müssen wir das duale System in Deutschland stärken. Wir dürfen es nicht aushöhlen lassen. Wir müssen es natürlich auf die Erfordernisse der Zukunft ausrichten, aber wir müssen an dem dualen System festhalten und dürfen uns nicht von irgendwelchen Leuten einreden lassen, dass man etwa auf den Meisterbrief verzichten kann. Das sind gerade die Garanten für den Erfolg, und die dürfen wir uns nicht aus der Hand schlagen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Herr Minister, bei einer Sache sehe ich die Welt schon etwas skeptischer als Sie; das ist das Thema Mindestlohn. Der ist nun im Koalitionsvertrag beschlossen. Trotzdem halte ich persönlich es nach wie vor für falsch, dass wir als Politiker in die Tariffindung eingreifen sollen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

In diesem Zusammenhang stoße ich auf die Aussage im Jahreswirtschaftsbericht, dass Produktivität und Lohnhöhe korrespondieren müssen. Das ist, glaube ich, die entscheidende Aussage; denn wenn man das in eine mathematische Formel übersetzt, heißt das eigentlich, dass dann, wenn eine gewisse Produktivität nicht erreicht werden kann, auch der entsprechende Lohn nicht gezahlt werden kann.

Was raten Sie einer Unternehmerin, die in einem strukturschwachen Gebiet, etwa im Erzgebirge, aktiv ist? In meinem konkreten Fall beschäftigt sie 25 Frauen, sie stellt hochwertige Verpackungen her, und sie ist die letzte in Deutschland verbliebene Herstellerin solcher Verpackungen. Alle anderen deutschen Hersteller lassen in China produzieren. Diese Dame hat es mir genau erklärt. Sie hat sich in China angeschaut, wie dort produziert wird. Sie sagte zu mir: Herr Lämmel, Sie beschließen den Mindestlohn im Deutschen Bundestag. Was würden Sie mir denn jetzt empfehlen? Soll ich meine 25 Arbeitnehmerinnen entlassen? Soll ich meinen Betrieb schließen? Soll ich nach China gehen? Wie stellen Sie sich das vor? Was ist Ihre Antwort darauf? – Ich muss schon sagen: Das sind sehr schwierige Fragen, die da gestellt werden.

Wenn hochbezahlte Gewerkschaftsfunktionäre durch das Land tingeln – ja, Herr Heil, genau so ist es gewesen –

(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Na, na, na! Vorsicht!)

und behaupten: „Alle Unternehmer, die keinen Mindestlohn zahlen, sind überflüssig“, dann ist die Welt für mich schon ein bisschen verdreht. Mindestlöhne zu zahlen, das mag in manchen Bundesländern kein Problem sein – in Bayern oder in Baden-Württemberg; dort braucht man darüber vielleicht überhaupt nicht zu diskutieren –; aber Deutschland ist eben größer. Deswegen haben wir uns sehr dafür eingesetzt, dass bei der Diskussion um den Mindestlohn bedacht wird: Wir brauchen regionale Differenzierungen. Wir brauchen längere Übergangsfristen, und wir brauchen auch Ausnahmen von dieser Mindestlohnregelung.

(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Nein!)

Insofern bin ich sehr gespannt. Es gibt ja noch keinen Gesetzentwurf, der uns auf dem Tisch liegt.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es gibt einen Koalitionsvertrag!)

Ich will Ihnen bloß sagen, Herr Minister: Das Ganze ist nicht so einfach. Sie werden das sehen. Sie werden sicherlich gelegentlich auch einmal in die Ostgebiete reisen.

(Zuruf von der SPD: In die „Ostgebiete“?)

Dort wird Ihnen dieses Thema sicherlich sehr differenziert dargelegt werden; denn es ist für viele Branchen, gerade in Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, ein Riesenproblem. Es liegt eben nicht an der Böswilligkeit von Unternehmen, dass sie den Mindestlohn nicht zahlen wollen. Es liegt vielmehr genau an der Bedingung, die Sie im Jahreswirtschaftsbericht formuliert haben: Produktivität und Lohnhöhe müssen korrespondieren. – Das ist aus meiner Sicht in der Diskussion um den Mindestlohn immer zu beachten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mein letzter Punkt – er erscheint mir sehr wichtig; ich denke, da haben wir insgesamt keinen Dissens –: Die Stärkung der Innovationskraft unseres Landes muss oberste Priorität haben. Sie, Herr Minister, werden diese Frage berücksichtigen müssen, wenn Sie den Haushaltsentwurf für 2014 und bald auch für 2015 vorlegen werden. Wie gesagt, ich denke, darüber sind wir nicht so sehr im Dissens, dass man die industrienahe Forschung und die industrienahe Entwicklung auf hohem Niveau fortführen muss. Denn gerade das ist ja sozusagen der Vorlauf für zukünftige Erfolge der deutschen Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, wenn man das zusammenfasst, dann kann man sagen: Der Jahreswirtschaftsbericht ist eine hervorragende Grundlage, um weiter über die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land zu diskutieren. Ich empfehle jedem, sich die 47 Handlungsfelder vorzunehmen; denn sie enthalten den Stoff für die Politik der nächsten Jahre. Das wird im Wirtschaftsausschuss und in den entsprechenden Gremien weiterhin wichtig sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Danke, Herr Kollege Lämmel. – Nächster Redner ist für die SPD der Kollege Ulrich Freese.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3124160
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Jahreswirtschaftsbericht
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