Niels AnnenSPD - Bundeswehreinsatz ISAF
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, Herr Kollege Trittin, Sie haben dieser Debatte einen Dienst erwiesen, weil Sie die Diskussion auf den Punkt gebracht haben, die wir miteinander zu führen haben. Das ISAF-Mandat ist von Anfang an umstritten gewesen. Das ist auch in Ordnung. Übrigens war das auch in meiner eigenen Fraktion und Partei immer umstritten. Wir haben darum richtig gerungen. Ich glaube, das ist auch ein Teil der demokratischen Auseinandersetzung.
Wir haben übrigens, weil wir darum gerungen haben, auch mit dafür gesorgt – gemeinsam übrigens –, dass dieses mehr Gegeneinander als Miteinander zwischen ISAF und OEF beendet worden ist. Dass es ein Fehler war, dass wir das nicht früher durchsetzen konnten, gestehe ich Ihnen gerne zu. Denn das ist ein Ausdruck dieser strittigen Debatten gewesen.
Ja, ich würde auch sagen, unsere Ziele in Afghanistan waren hochgesteckt. Vielleicht waren sie auch zu hoch gesteckt. Wir sind in vielerlei Hinsicht unvorbereitet in diesen Einsatz gegangen. Das ist richtig. Aber niemand konnte den Anschlag am 11. September vorhersehen. Das ist auch ein Teil eines Reifeprozesses in diesem Land gewesen.
Wir sind in Afghanistan zum Teil auf dem Boden der Realität gelandet. Das war nicht immer einfach, vor allem für die Menschen, die wir nach Afghanistan geschickt haben: Soldatinnen und Soldaten, zivile Angehörige, Polizeibeamte und Diplomaten. Trotzdem, Herr Trittin: „Gescheitert“ ist ein großes Wort. Darüber müssen wir in diesem Raum, in diesem Hauen Hose, Entschuldigung: Hohen Hause diskutieren.
(Heiterkeit)
– Ja, weil das nämlich auch in die Hose gehen kann.
(Beifall bei der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Gegangen ist!)
– Ganz ernsthaft, Herr Kollege Gehrcke: Ich finde, die Frage, ob dieser Einsatz gescheitert ist oder nicht, entscheidet sich nach 2014. Wir sollten alles dafür tun, dass unser Einsatz dazu führt, dass das, was wir erreicht haben, und dass die Möglichkeiten, die wir für die Menschen in Afghanistan geschaffen haben, erhalten bleiben,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
damit wir am Ende dieser Auseinandersetzung sagen können, dass wir eben nicht gescheitert sind.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will auch auf eines hinweisen: Der Bundeswehreinsatz hat auch unser Land und unsere politische Sprache verändert. Wir reden heute von Krieg. Wir reden von Gefallenen, und wir reden von Veteranen. Wir haben eine Diskussion, die notwendig ist – darauf ist auch hingewiesen worden –, und wir haben eine Verpflichtung gerade für die Menschen, die wir dorthin geschickt haben.
Aber ich habe eine Bitte an diesem Tag, vor allem an einen Teil der Opposition. Es ist ja in Ordnung, über die Frage von Militäreinsätzen zu streiten. Ich respektiere immer – wir haben auch in unserer eigenen Fraktion diese Debatte –, wenn man sich grundsätzlich dagegen ausspricht. Das ist eine legitime Position. Aber, Herr Kollege Gysi, lassen Sie uns über die Lage in Afghanistan reden.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das hat er mehr gemacht als alle anderen!)
Ihr Bezugspunkt ist doch ganz offensichtlich nicht die Zeit der Talibanherrschaft gewesen; denn sonst könnten Sie gar nicht zu solchen Ergebnissen kommen.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das verstehe ich nicht! Erklären Sie es mir!)
Die Lebenserwartung in diesem Land ist inzwischen höher. Viele Menschen dort haben Zugang zur Gesundheitsversorgung; das ist zuvor genannt worden.
Nicht nur unsere Gesellschaft, sondern vor allem auch die Gesellschaft in Afghanistan hat sich durch den Einsatz verändert. Dort gibt es inzwischen in den großen Städten eine Medienlandschaft, die ihresgleichen in der Region sucht. Ein Großteil der Menschen in Afghanistan – auch auf dem Land – verfügt über Zugang zu einem Mobiltelefon. Das Meinungsmonopol der Dorfältesten und der Mullahs ist in vielen Bereichen Afghanistans längst gebrochen. Deswegen gibt es vitale Debatten über alle Probleme, die es dort gibt, im afghanischen Parlament. Die entscheidende Frage, die sich uns allen stellt, lautet: Sind wir fähig, nach Ablauf des ISAF-Mandats eine Politik zu betreiben und eine Struktur zu entwickeln, die die Menschen, die auch von unserem Einsatz profitiert haben, die zur Schule gehen und studieren, die sich wieder auf Wahlen vorbereiten und für ein Parlament kandidieren können, in die Lage versetzen, über die Zukunft ihres Landes selber zu entscheiden? Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
Ich bin der Meinung: Die kritische Debatte – auch über Fehler, die wir in den letzten zwölf Jahren gemacht haben – ist richtig. Meine Fraktion wird sich an dieser Debatte beteiligen. Ich bin sehr dankbar, dass der Außenminister eine kritische – auch selbstkritische – Bilanz gezogen hat. Aber wir dürfen über diese grundsätzliche Debatte nicht vergessen, dass wir in den letzten zwölf Jahren der afghanischen Gesellschaft Chancen gegeben haben. Wir müssen den Menschen in Afghanistan helfen, diese Chancen wahrzunehmen. Deswegen werbe ich nicht nur für Zustimmung, sondern auch dafür, dass wir uns mit demselben Engagement über den richtigen Weg streiten, wenn es nicht nur um militärische Fragen geht, sondern um die Frage – das ist die Nagelprobe –, ob wir in der Lage sind, mit zivilen, diplomatischen und politischen Mitteln dafür zu sorgen, dass Afghanistan als Freund der Bundesrepublik Deutschland eine Zukunft hat.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat jetzt Philipp Mißfelder, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3125928 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz ISAF |