13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 2

Stefan RebmannSPD - Bundeswehreinsatz ISAF

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute zum letzten Mal über das durchaus und zu Recht umstrittene ISAF-Mandat der Bundeswehr in Afghanistan. Die Menschen in Afghanistan fragen sich natürlich: Was wird aus uns? Wie sieht unsere Zukunft aus? Welche Perspektiven haben wir? Für die Menschen in Afghanistan rückt also immer mehr in den Mittelpunkt, ob wir zu unseren Zusagen stehen und dem Land nach dem Abzug der ISAF-Truppen weiterhin zur Seite stehen und es unterstützen.

In den vergangenen zwölf Jahren – darauf wurde schon mehrfach hingewiesen – ist einiges erreicht worden, und viel zu viel ist nicht erreicht worden. Laut dem von der Bundesregierung vorgelegten Fortschrittsbericht gehen mittlerweile knapp 10 Millionen Kinder zur Schule, 3,6 Millionen davon sind Mädchen. Es gibt Verbesserungen im Gesundheitswesen, und die Müttersterblichkeit, lieber Kollege Gysi, ist um mehr als zwei Drittel gesunken: von 1 600 Sterbefällen pro 100 000 Geburten auf unter 500. Ich finde, das ist ein Erfolg, den man nicht kleinreden sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber innerhalb von zwölf Jahren!)

– Ich will das auch nicht in den Himmel loben, liebe Kollegin Hänsel. Ich sage nur, dass es auch Erfolge gibt. – Es gibt Fortschritte beim Aufbau von rechtsstaatlichen Institutionen und in der Verwaltung. Mehr Menschen haben Zugang zu Wasser. Die Energieversorgung ist deutlich besser geworden, und auch die Infrastruktur wurde verbessert; Kanäle, Brücken und Straßen wurden vielerorts instand gesetzt oder neu gebaut. Die Medienlandschaft erfreut sich – auch darauf ist schon hingewiesen worden – einer Meinungs- und Pressefreiheit, die größer ist als in so manchem die Olympischen Spiele ausrichtenden Land der Gegenwart und der Vergangenheit.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und in Saudi- Arabien!)

Ich war im vergangenen Jahr mit der Kollegin Ute Koczy von Bündnis 90/Die Grünen, die leider nicht mehr im Bundestag ist, und mit der Kollegin Ratjen- Damerau von der FDP in Afghanistan. Wir haben auch viel Positives feststellen können, wie etwa den Bau einer Straße von Masar-i-Scharif zum Ali-Baba-Gate, wodurch Entwicklung überhaupt erst ermöglicht worden ist. Die Bauern und die Menschen in den Dörfern haben uns erzählt, wie diese Straße ihre Lebenssituation positiv verändert hat, weil sie jetzt nicht mehr über vier Stunden, sondern weniger als eine Stunde brauchen, um in die nächste Stadt zu kommen. Diese Straße rettet schlichtweg Leben. Die Menschen sagen: Wir haben jetzt endlich Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung, und wir können Handel betreiben. – Das alles nur aufgrund einer einzigen Schotterstraße. Dadurch entsteht Entwicklung. Wir haben sehen können, wie am Rand dieser Straße Gebäude gebaut werden, wie Handel betrieben wird und sich Kleingewerbe ansiedelt. Ich finde, auch das sind kleine Erfolge.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben auch viele Kinder getroffen bzw. gesehen, die auf dem Weg zur Schule waren. Natürlich haben wir dort auch erlebt, dass man uns gesagt hat: Wir können gar nicht so viele Schulen und Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stellen, wie es Bedarf dafür gibt. Afghanistan ist ein junges Land mit einer jungen Bevölkerung. Wir müssen einmal einsehen, begreifen und auch laut sagen: In diesem Land fehlt eine komplette Generation; eine komplette Generation ist ums Leben gekommen oder ihr wurde Bildung vorenthalten. Vor diesem Hintergrund ist es ein Erfolg, wenn jetzt so viele Kinder zur Schule gehen können. Ich finde, das sollten wir hier wirklich nicht kleinreden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich treffe mich nachher hier im Reichstag mit einem deutschen Mediziner, der sich seit Jahren in Afghanistan engagiert, indem er eine Klinik für Frauen aufbaut, die an Gebärmutter- oder Brustkrebs erkrankt sind. Das zeigt, wie groß das Engagement ist.

Es zeigt sich aber auch, wo es noch gravierende Defizite gibt. Deshalb sage ich auch – wir sollten das nicht ausblenden –: Wir haben bei dieser Reise mit Frauenrechtlerinnen und afghanischen Anwältinnen gesprochen, die sich oft unter Lebensgefahr für andere Frauen engagieren. Sie haben uns Dinge erzählt, die die Vorstellungskraft sprengen und bei denen es einem die Sprache verschlägt. Wir stellen fest, dass in Afghanistan Kinder- und Frauenrechte nach wie vor nicht großgeschrieben werden und es viele Behörden schlichtweg noch zulassen, wenn Gewalt gegen Frauen stattfindet. Das können und das werden wir niemals akzeptieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

– Auch generell, liebe Kollegin Hänsel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen für unser entwicklungspolitisches Engagement kein Bundestagsmandat, sondern den politischen Willen, Entwicklungspolitik umzusetzen und den Menschen in Afghanistan eine Zukunft zu geben. Die Botschaft muss lauten: Wir lassen Afghanistan auch nach ISAF nicht im Stich. Wir stehen zu unserer Verantwortung und zu unseren Zusagen. Wir erwarten aber auch, dass sich die afghanische Regierung an ihre Zusagen hält. Frank-Walter Steinmeier hat vorhin schon deutlich darauf hingewiesen.

Zu unserem Hilfsversprechen gehört auch, dass wir uns um die Menschen kümmern, die uns in den vergangenen Jahren zur Seite gestanden und geholfen haben und deren Leben heute zum Teil bedroht ist. Ich bin der Meinung: Wenn es nötig ist, dann müssen wir diesen Menschen unkompliziert helfen und sie bei uns aufnehmen, damit sie hier eine Zufluchtsstätte haben.

Herr Kollege Rebmann, Sie denken an die Zeit?

Ich komme zum Schluss, mein letzter Satz. – Ich habe in der Generaldebatte zur Entwicklungspolitik gesagt: Eine gute Entwicklungspolitik ist genau betrachtet Friedenspolitik. – Lassen Sie uns mit den 430 Millionen Euro eine gute Friedenspolitik machen, also eine gute Entwicklungspolitik, die konsequent, zielgerichtet und nachhaltig ist – für die Menschen in Afghanistan.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Thorsten Frei, CDU/ CSU, dem ich hiermit das Wort erteile.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3125956
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz ISAF
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