Fritz FelgentreuSPD - Bundeswehreinsatz ISAF
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es Ihnen allen so ähnlich geht wie mir. Ich hatte den Eindruck: Insbesondere die Kritik am fortgesetzten ISAF-Einsatz wurde – weil das eben eine Debatte ist, die schon sehr lange geführt wird – ein bisschen zu routiniert vorgetragen. Mir ist dabei ein Aspekt zu kurz gekommen, der gerade aus verteidigungspolitischer Sicht Beachtung verdient: Der heute vorliegende Antrag der Bundesregierung zur letztmaligen Verlängerung des ISAF-Mandats ist doch auch ein Anlass zu verhaltener Freude, und zwar deswegen, weil er eben eine echte Zäsur bedeutet; es ist wirklich und unwiderruflich die letzte Verlängerung des ISAF-Mandats.
Der Auftrag, mit dem wir die Bundeswehr nach Afghanistan entsandt haben, ist jetzt beinahe erfüllt. Die Verantwortung für Sicherheit und Ordnung in den Einsatzgebieten liegt schon heute federführend bei den afghanischen Sicherheitskräften. Dabei werden sie allerdings immer noch von der Bundeswehr mit ihren besonderen Fähigkeiten unterstützt.
Der Standort Kunduz, über den wir so viel geredet haben, ist schon im vergangenen Jahr an die afghanische Armee übergeben worden. In den letzten zehn Monaten des ISAF-Mandats werden Rückbau und Rückverlegung im Zentrum stehen. Da frage ich mich schon, wie beispielsweise die Linke begründen kann, einem solchen Rückbau- und Rückverlegungsmandat nicht die Zustimmung zu erteilen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU])
Eine Zeit großer Belastungen, ein Einsatz, in dem die Bundeswehr und damit unser ganzes Land auch den Schrecken des Krieges wieder kennengelernt haben, steht vor dem Abschluss. Die SPD-Fraktion blickt anlässlich der vor uns liegenden Entscheidung mit Bewegung und Dankbarkeit auf das zurück, was die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und ihre Verbündeten in Afghanistan erlebt, geleistet und auch erlitten haben. Wir freuen uns insbesondere mit ihnen und ihren Familien darüber, dass dieser schwierigste Auftrag in der Geschichte der Bundeswehr nun zu Ende geht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotzdem sind wir uns selbstverständlich darin einig, dass wir diesem Einsatz nicht mit ungetrübter Freude zustimmen können; denn wir erkennen natürlich auch die Gefahr – das ist heute mehrfach angesprochen worden –, dass die Gründe, die vor gut zwölf Jahren zu dem NATO-Einsatz in Afghanistan geführt haben, wieder wirksam werden könnten.
2001 haben wir erlebt, dass von einem unterentwickelten und scheinbar unendlich weit entfernten Land wie Afghanistan eine konkrete Bedrohung für die Menschen in Amerika und in Europa ausgehen konnte. Das deutsche Engagement in Afghanistan war deswegen immer darauf ausgerichtet, das Land auf einem Weg zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und zum friedlichen Aufbau einer Zivilgesellschaft zu begleiten; denn Wohlstand, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nach unserer festen Überzeugung die besten und zuverlässigsten Garanten dafür, dass Afghanistan nicht wieder zu einem Ursprungs- oder Rückzugsort des weltweiten Terrorismus werden kann.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])
Tatsächlich hat Afghanistan durch unsere Unterstützung Fortschritte gemacht. Dass die afghanischen Sicherheitskräfte nach allgemeiner Einschätzung in diesem Jahr in der Lage sein werden, ohne Hilfe von außen die geregelte Durchführung der Präsidentschafts- und Regionalwahlen am 5. April dieses Jahres zu gewährleisten, ist auch ein Erfolg der Berater- und Ausbildungstätigkeit der Bundeswehr.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bei der Infrastruktur, der Bildung, den Frauenrechten und nicht zuletzt beim durchschnittlichen Einkommen steht Afghanistan heute ungleich besser da als zu Beginn des Einsatzes. Besser heißt nicht gut, da sind wir uns alle einig. Aber klar ist doch: Es hat auch Fortschritte gegeben. Diese Fortschritte sind und bleiben allerdings prekär. Sie haben vor allen Dingen keine nachhaltige wirtschaftliche Grundlage im eigenen Land, sondern sie werden finanziell von den Gebernationen getragen.
60 Prozent der Menschen verdienen ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, deren erfolgreichster Erwerbszweig, auf einer Anbaufläche von über 200 000 Hektar, der Anbau von Mohn ist. Allgegenwärtige Korruption stellt den Aufbau des Rechtsstaats infrage. Zwischen der Regierung und den Taliban – auch das ist bereits angesprochen worden – herrscht immer noch Krieg, in dem die afghanischen Sicherheitskräfte in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres 4 600 Gefallene zu beklagen hatten.
Uns allen muss klar sein: Das Auslaufen des ISAF- Mandats am 31. Dezember 2014 entbindet uns und die internationale Staatengemeinschaft nicht von der Verantwortung für Afghanistan. Um Rückschlägen vorzubeugen, um das Erreichte zu bewahren und um bei weiteren Fortschritten zu helfen, werden Deutschland und die Bundeswehr Afghanistan auch in Zukunft durch Beratung und Ausbildung unterstützen müssen. Es wird um Hilfe zur Selbsthilfe und nicht um einen Kampfauftrag gehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Voraussetzung dafür ist, dass die afghanische Regierung Deutschland und die NATO dazu einlädt, dass die Sicherheit derer, die wir dort einsetzen könnten, gewährleistet ist und dass dieses Parlament seine Zustimmung erteilt.
Zunächst aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie, gemeinsam mit der SPD-Fraktion der von der Bundesregierung beantragten Mandatsverlängerung zuzustimmen – und das eben mit der von mir erwähnten verhaltenen Freude.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Herr Kollege Felgentreu, auch Ihnen alles Gute und die besten Glückwünsche des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede.
(Beifall)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elisabeth Motschmann, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3125960 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz ISAF |