13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 2

Reinhard BrandlCDU/CSU - Bundeswehreinsatz ISAF

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte heute und die Verabschiedung des Mandats nächste Woche markieren eine Zäsur. Nach zwölf Jahren ist es das letzte Mal, dass wir den ISAF-Einsatz mandatieren. Generationen von Abgeordneten haben sich damit befasst. Viele haben mit sich gerungen, auch ich als junger Abgeordneter in den ersten Jahren. Heute haben drei Abgeordnete ihre erste Rede zu diesem Thema gehalten.

Einige Vorredner, insbesondere Herr Trittin und Herr Gysi, haben die Gelegenheit genutzt, um bereits eine Bilanz des Einsatzes zu ziehen. Ich persönlich finde das schwierig. Ich möchte Ihnen drei Gründe dafür nennen.

Erstens. Ob der Einsatz gescheitert oder letztlich doch erfolgreich gewesen ist, wird sich erst nach einer gewissen Zeit, einige Jahre nach der Übergabe der Verantwortung an die Afghanen zeigen. Wir müssen dann sehen, wie sie mit der Sicherheitslage, mit der Entwicklungslage in ihrem Land zurechtkommen. Das können wir heute nicht beurteilen. Wir können heute nur die Ausgangschancen beurteilen. Wir würden uns wünschen – das gestehe ich zu –, dass sie besser wären.

Zweitens. Wir wissen auch nicht, wie sich das Land ohne den ISAF-Einsatz entwickelt hätte.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Weiß man nie!)

Alle Überlegungen dazu sind sehr hypothetisch. Denn zur Wahrheit gehört auch – das hat Herr Trittin angesprochen –, dass die USA und die UN nach dem 11. September gar keine andere Möglichkeit hatten, als gegen das Land und gegen die Taliban vorzugehen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass sich Deutschland, wenn wir uns damals nicht beteiligt hätten, außen- und bündnispolitisch total ins Abseits gestellt hätte. Deutschland hätte dann im weiteren Verlauf, bei den Afghanistan-Konferenzen, überhaupt keine Rolle mehr gespielt.

(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir hätten im Bundestag große Reden halten können – die Linken sind ja ganz groß darin –, was denn alles falsch ist und was man hätte anders machen können;

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das wäre besser gewesen!)

aber faktischen Einfluss auf den Einsatz und auf die Entwicklung des Mandats hätten wir nicht gehabt.

(Beifall des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])

Wer Einfluss möchte, muss auch Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit der ersten Entscheidung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die unsere Vorgänger einige Legislaturperioden vor uns 2001 getroffen haben, hat Deutschland Verantwortung übernommen. Zu dieser Verantwortung stehen wir bis heute.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Gnade der späten Geburt!)

Natürlich hätten wir uns alle einen anderen Verlauf gewünscht; aber das ist ja gerade das Problem bei bewaffneten Auseinandersetzungen, dass man die Dynamik nie hundertprozentig vorhersehen oder gar hundertprozentig steuern kann. Herr Koenigs hat in seiner Rede angedeutet, dass der ISAF-Einsatz von der Bevölkerung anfangs positiv gesehen wurde, was sich allerdings nach und nach verschlechtert hat.

Ich will noch einen dritten Punkt nennen, warum ich glaube, dass es zu früh ist, um Bilanz zu ziehen – auf diesen Punkt wurde heute noch gar nicht eingegangen –: Afghanistan steht unmittelbar vor einer großen Bewährungsprobe. Das ist die Wahl am 5. April. Deutschland hat sich bei der Vorbereitung dieser Wahl massiv eingebracht: bei der Verabschiedung der notwendigen Wahlgesetze und beim Aufbau eines Wählerverzeichnisses sowohl für Kabul als auch für die Regionen. Vor 2004 gab es überhaupt keine Möglichkeit für Wahlen, weil keine verlässlichen Daten über die Bevölkerung vorlagen.

Seit 2004 haben die Afghanen Stück für Stück die Verantwortung für die Durchführung von Wahlen übernommen. Im April haben sie zumindest die Chance, sich selbst eine demokratisch legitimierte Führung zu wählen. Wenn es ihnen gelingt, eine transparente und glaubhafte Wahl zu organisieren, deren Ergebnis sowohl von den Siegern als auch von den Verlierern respektiert wird, dann wäre das für das Land ein Riesenerfolg, dann fände in Afghanistan zum ersten Mal ein friedlicher, demokratischer Machtübergang statt. Der internationalen Gemeinschaft stünde dann ein demokratisch legitimierter Ansprechpartner zur Verfügung, mit dem man konstruktiv über die Zukunft des Landes sprechen könnte. Von dem jetzigen Präsidenten Karzai – das wurde mehrmals angesprochen – können wir in dieser Richtung leider nichts mehr erwarten.

Scheitern die Wahlen, drohen neue Auseinandersetzungen und politische Instabilität, die vieles, was das Land in den vergangenen Jahren – auch mit unserer Unterstützung – erreicht hat, wieder zunichtemachen könnten.

Ob die Wahlen erfolgreich sein werden, hängt wesentlich davon ab, ob die Afghanen am 5. April sicher zur Wahl gehen können. Das wird eine Bewährungsprobe für die afghanischen Sicherheitskräfte, die von unseren Soldaten und Polizisten in den vergangenen Jahren ausgebildet wurden. Die Bundeswehr hilft bei der Vorbereitung der Wahl, sie berät und unterstützt; Durchführung und Sicherung der Wahl liegen aber bei den Afghanen selbst. Ich habe dieses Beispiel auch deshalb gewählt, weil es zeigt, wie zivile Unterstützung und die Gewährleistung der Sicherheit ineinandergreifen müssen und dass das eine ohne das andere nicht funktioniert.

In Zukunft – auch das ist mehrmals angesprochen worden – werden zivile Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit bei unserem Afghanistan-Engagement deutlich mehr in den Vordergrund treten. Das wurde heute schon daran deutlich, dass der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, zu diesem Punkt gesprochen hat. Seit ich 2009 in den Bundestag gewählt worden bin, hat noch nicht ein Minister aus diesem Ressort zur Verlängerung des ISAF- Einsatzes gesprochen.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Heidi durfte nicht!)

– Die Gründe seien dahingestellt. – Dass ein Entwicklungshilfeminister gesprochen hat, ist wichtig; denn das Bild des deutschen Afghanistan-Engagements ist zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung in Richtung Militär verzerrt worden. Wenn Sie heute auf der Straße die Bevölkerung fragen, was Deutschland in Afghanistan macht, dann denken wahrscheinlich die Allermeisten vorrangig an den Einsatz unserer Soldaten. Das ist nachvollziehbar. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir in Afghanistan jedes Jahr 430 Millionen Euro für zivile Hilfe und Unterstützung investieren. Das ist mehr, als jedes andere Land von uns erhält. Wir sind der drittgrößte Geber in Afghanistan nach den USA und Japan.

Das Geld ist an Bedingungen geknüpft; Minister Müller hat es angesprochen. Die Bedingungen sind Korruptionsbekämpfung, Transparenz öffentlicher Einnahmen und Ausgaben und die Schaffung eines inklusiven Wahlrechts. Daran sehen Sie, wie vernetzt der Ansatz ist und wie alles zusammenwirkt.

Wir stehen langfristig zu dieser Unterstützung, gerade im zivilen Bereich. Es wurden Vereinbarungen geschlossen, diese Hilfen auch zukünftig zu gewähren. Wir stehen langfristig zu unserer Verantwortung in Afghanistan, auch wenn der militärische Anteil langsam reduziert wird. Das Land und die Menschen werden uns hier noch lange beschäftigen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3125990
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz ISAF
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta