13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 3

Michael Grosse-BrömerCDU/CSU - Sicherung der Oppositionsrechte

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Sitte, weil Sie gerade den Bundestagspräsidenten zitiert haben: Ich habe auch noch einen guten Satz aus seiner ersten Rede in dieser Legislaturperiode in Erinnerung. Der Bundestagspräsident hat seinerzeit sinngemäß gesagt: Eine Wahl zu gewinnen, ist nicht per se verfassungswidrig.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wir hätten auch nichts dagegen!)

Wir sind nach wie vor nicht bereit, uns dafür zu entschuldigen, dass uns die Wähler einen gewissen Zuspruch haben zuteilwerden lassen, der bei Ihnen nicht ansatzweise so groß war.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Aber Sie müssen sich auch bei der Kanzlerin bedanken!)

Auch das gehört im Übrigen ins Parlament: Eine Mehrheitsentscheidung muss im Parlament hörbar und umsetzbar sein, genauso wie natürlich Minderheitenrechte zu beachten sind.

Wir als Union haben immer gesagt: Wir wollen – weil dies natürlich zu einer funktionierenden Demokratie gehört – auch eine hörbare und sichtbare Opposition. Wenn Sie genau nachdenken – sowohl die Grünen als auch die Linken –, dann werden Sie im Zweifel zu dem Schluss kommen, dass die Union immer bereit war, mit Ihnen darüber zu diskutieren, was erforderlich ist und was wir tun können, damit die Opposition hörbar und sichtbar ist.

Wir widersprechen nur, wenn zwischendurch der Eindruck vermittelt wird, Sie hätten gar keine Rechte und Schuld seien im Zweifel auch noch die Großkoalitionäre. Der Wähler hat bei der Wahl ein eindeutiges Wort gesprochen. Mit den Grünen haben wir gute Sondierungsgespräche geführt. Die wollten nicht mit uns regieren. Jetzt sind sie in der Opposition und müssen damit klarkommen. Das darf man auch nicht vergessen.

Es gehören also mehrere Aspekte zu dieser Debatte. Deswegen würde ich an Ihrer Stelle meine Argumentation selbstreflektierend noch einmal überdenken.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass in keinem anderen Land in Europa die Rechte der parlamentarischen Minderheit so gut ausgebaut sind wie in Deutschland; auch das sollte man einmal sagen. Wir haben ein tolles Grundgesetz,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Erfolgsrezept!)

in dem natürlich Wert darauf gelegt wird, dass Parlamentarismus und Demokratie eine große Rolle spielen und Opposition gewährleistet ist. Die Kontrolle erfolgt natürlich durch das Parlament. Im Übrigen gehören dazu nicht nur die Oppositionsfraktionen, sondern auch die Regierungsfraktionen; das sollte man nicht vergessen. Auch wir kontrollieren die Regierung.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön wär‘s!)

Ich will jetzt nicht sagen, dass wir das zurzeit unter Umständen sogar effizienter tun als Sie, aber auch das gehört nun einmal zur Gesamtschau.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir verstehen uns doch alle als Parlamentarier. Wenn die Regierung etwas Falsches tut, dann sagen wir das im Zweifel auch, frei nach dem alten Gesetz: Selten geht ein Gesetzentwurf so aus dem Parlament heraus, wie er hereingekommen ist. Daran sind häufig die Fraktionen beteiligt, die die Mehrheit haben.

Ich will nur einmal daran erinnern, dass sich Minderheitenrechte nicht nur auf die Opposition beschränken. Jeder Abgeordnete hat ein Minderheitenrecht. Jeder Abgeordnete hat Informations- und Mitwirkungsrechte. Jede einzelne Fraktion hat Initiativrechte und kann Aktuelle Stunden beantragen. Wir sind hier doch auf einem guten Weg.

Wir als Große Koalition – das sage ich jedenfalls für unseren Teil, für die Union – wollen ein lebendiges Parlament. Wir haben im Hinblick auf die Redezeiten eine Vereinbarung von über 30 Prozent zu Ihren Gunsten getroffen, obwohl sie gemäß Ihrem Wahlergebnis eigentlich nur einen Anteil von 20 Prozent hätten. Da ist schon ein klares Entgegenkommen zu erkennen.

Dass Sie jetzt sagen, das alles reiche nicht, kann ich verstehen. Man versucht ja, in Verhandlungen immer so viel wie möglich herauszuschlagen. Aber Sie haben im Zweifel Verständnis dafür, dass wir über den Weg der Minderheitenrechte nicht Ihre schlechten Wahlergebnisse korrigieren können. Da bitte ich um Nachsicht; das kann nicht unser Job sein. Wir müssen vielmehr eine effiziente Opposition garantieren; das ist unser aller Anliegen. Wir haben das in jeder Debatte deutlich gemacht, wo auch immer das zur Diskussion stand, auch im Ältestenrat.

Was wir auch zu berücksichtigen haben, ist der verständliche Wunsch nach mehr Redezeit. Ihr Wunsch ist natürlich, dass Sie deutlich mehr Redezeit bekommen, als Ihnen vielleicht zusteht. Da sind wir schon auf einem guten Weg. Auf der anderen Seite ist ein Grundsatz des Verfassungsrechtes – Sie haben gerade die verfassungsrechtliche Lage beschrieben –, dass jeder einzelne Kollege der Union dieselben Rechte hat wie ein Kollege oder eine Kollegin von den Linken.

Infolgedessen dürfen wir keine Regelungen treffen, die Sie bevorzugen und andere Kollegen benachteiligen. Es kann allenfalls darum gehen, dass Sie bessergestellt werden, dass wir Ihnen also mehr zugestehen, als Ihnen eigentlich zusteht. Aber ich bin nicht bereit, wie es zwischendurch von den Grünen gefordert wurde, zu sagen: Es reicht nicht, die Opposition besserzustellen, sondern die Regierungsfraktionen müssen auch schlechtergestellt werden. – Da machen wir nicht mit. Es ist ganz klar darauf hinzuweisen, dass dadurch große verfassungsrechtliche Probleme entstehen würden.

Ich empfehle Ihnen, ein bisschen von der Mitleidsnummer herunterzukommen. Dies sieht auch die ansonsten für sie wohlmeinende Presse so. Ich habe in der Süddeutschen Zeitung gelesen – ich zitiere –: Die Opposition

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das waren traurige Zeiten!)

(Lachen der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielleicht hat die Süddeutsche Zeitung in dieser Hinsicht auch ein paar Anregungen für Sie. Ich möchte mich da gar nicht einmischen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber was ist aus der FDP geworden?)

– Die FDP ist aus ihrer Zeit in der Opposition, soweit ich das in Erinnerung habe, gestärkt hervorgegangen.

(Volker Kauder [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Das wäre ja schlimm, wenn Sie gestärkt würden!)

Ich glaube, die heutige Zeit der FDP hat mit der damaligen Zeit von 1969 nicht so viel zu tun.

Ich will noch einmal deutlich machen: Wir haben uns natürlich bei der Umsetzung sehr viel Mühe gegeben und sind den Wünschen der Opposition entgegengekommen. Wir haben uns gefragt: Wer kann es neutraler, besser und rechtlich fundierter als der Bundestagspräsident machen? Damit meine ich auch das Präsidium, Frau Roth; gar keine Frage. Im Präsidium haben wir die kompetenten Leute sitzen. Das Präsidium hat uns einen guten und ausgewogenen Vorschlag vorgelegt. Es hat vorgeschlagen: Das machen wir mit einem Beschluss. Das ist rechtlich einwandfrei. – Das sagen nicht wir, sondern das sagt das Bundestagspräsidium. Also wollten wir das so machen.

Die Opposition hat aber gesagt: Nein, das ist uns nicht weitgehend genug. Daraufhin haben wir gefragt: Wie hättet ihr es denn gerne? Die Antwort war: Wir möchten gerne, dass diese Neuregelungen in die Geschäftsordnung aufgenommen werden. Dazu haben wir gesagt: Okay, auch da kommen wir euch entgegen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch nicht gleich! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat etwas gedauert!)

Wir verstehen das. Nehmen wir diese Regelungen in die Geschäftsordnung auf, damit Ihr etwas weiter gehender Wunsch, der über das, was vom Bundestagspräsidenten und vom Präsidium vorgesehen war, erfüllt wird.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von uns kann man lernen!)

Sie sehen, wir sind bemüht, Ihnen, soweit es geht und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Ansprüche der anderen Kolleginnen und Kollegen, entgegenzukommen. Das wird natürlich so weitergehen.

Ich möchte noch auf Ihren Wunsch nach einer Änderung beim Recht auf Normenkontrollklage eingehen, Frau Dr. Sitte. Die Normenkontrollklage ist kein Minderheitenrecht; daran führt kein Weg vorbei, auch wenn Sie dreimal darauf hinweisen. Ich brauche dazu auch gar nicht unsere eigenen Fachleute zu zitieren, sondern ich berufe mich auf die der Grünen. Sie haben dazu eine eigene Veranstaltung durchgeführt

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da waren Sie nicht!)

und Frau Professorin Cancik eingeladen. Sie hat festgestellt:

Ich hoffe, Sie haben sich das genauso gemerkt wie ich. Infolgedessen nehmen Sie bitte Abstand von der Forderung nach einer Änderung des Quorums bei der Normenkontrollklage. Sie ist nämlich kein Minderheitenrecht. Sie wird im Zweifel auch durchgeführt. Überzeugen Sie doch nur ein paar Kolleginnen und Kollegen von uns, wenn Sie meinen, Sie hätten irgendwo einen Einspruch.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist so schwierig bei Ihren Leuten!)

Im Zweifel, wenn er berechtigt ist, sind wir doch immer dabei.

Also, wir werden die Geschäftsordnung ändern, wir kommen Ihnen entgegen. Wir haben eigentlich bei allen Punkten, etwa beim Untersuchungsausschuss, schon unter Beweis gestellt: Wir stehen Ihnen nicht im Wege. Ganz im Gegenteil: Wir helfen Ihnen, wo wir können. Sie sind trotzdem unzufrieden. Das macht auch mich ein bisschen unzufrieden. Ich hoffe, das wird insgesamt ein Stück weit besser.

Wir beachten künftig den Gleichheitsgrundsatz. Da, wo es sinnvoll und notwendig erscheint und Sie vielleicht nicht laut genug und sichtbar genug sind, müssen wir weiter diskutieren. Wir haben einen exzellenten Vorschlag in Ergänzung des Ihrigen vorgelegt. Ich glaube, wir haben damit eine gute Diskussionsgrundlage. Es ist auf der einen Seite sehr wichtig, dass sich nach Wahlen die Mehrheit der Stimmen im Parlament deutlich artikuliert, damit man weiß: Wer hat diese Wahlen gewonnen? Wer hat die Mehrheit? Wer setzt was durch? Das ist eigentlich der Kernbegriff der Demokratie. Dazu, dass Sie uns kritisieren und dass wir die Meinungen austauschen müssen, müssen auf der anderen Seite auch Sie deutlich vernehmbar sein.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber auch inhaltlich! Nicht nur laut!)

Ich habe das Gefühl, das ist bei Ihnen der Fall, wie auch die heutige Debatte im Zweifel zeigen wird.

Ich möchte mit Ihnen nicht ständig Debatten über Verfahrensfragen führen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden lieber alleine!)

Das ist irgendwie destruktiv. Wir sind bereit, Ihnen entgegenzukommen. Das haben Sie, glaube ich, in mehrfacher Hinsicht gespürt. Ich habe einige Beispiele genannt. Die Bereitschaft besteht weiterhin. Wir haben jetzt ein gutes Angebot dafür vorgelegt, dass Sie sich nicht mehr über Verfahrensfragen Gedanken machen müssen, sondern sich mit Sachfragen befassen können. Denn dafür ist das Parlament im eigentlichen Sinne da.

Lassen Sie uns über die richtige Politik streiten statt darüber, ob Sie jetzt noch zwei Minuten Redezeit mehr oder weniger haben. Ich freue mich auf die sachliche Auseinandersetzung mit Ihnen, und ich freue mich, wenn wir in der Lage sind, endlich diese Debatten über Verfahrensfragen zu beenden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Es spricht jetzt die Kollegin Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3126017
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Sicherung der Oppositionsrechte
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