13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 3

Sonja SteffenSPD - Sicherung der Oppositionsrechte

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Demokratieprinzip ist ein Mehrheitsprinzip. Das bedeutet, dass die Mehrheit des Volkes entscheidet. Es gilt aber auch: Jede Minderheit, die auf dem Boden der freiheitlich- demokratischen Grundordnung steht, muss die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern und dafür zu werben.

Demokratie – das wissen wir alle – ist nie statisch, sondern immer ein fließender Prozess. Mehrheiten können hauchdünn sein oder riesengroß. Minderheiten können zu Mehrheiten werden und umgekehrt. Deshalb müssen sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit verfassungsrechtlich garantierte Rechte genießen. Das tun sie auch. Für den parlamentarischen Willensbildungsprozess bedeutet dies: Es muss sichergestellt sein, dass Minderheiten die Möglichkeit haben, ihre Position sichtbar zu artikulieren.

Diese Prinzipien sind in der Tat nach der letzten Wahl auf die Probe gestellt worden. Mit der Bildung der Großen Koalition ist eine besondere Situation entstanden – wir haben es heute schon gehört –: Die Regierungsfraktionen haben 504 der insgesamt 631 Sitze im Bundestag und stellen damit knapp 80 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages.

Selbstverständlich verfügen auch Sie, die Abgeordneten der Opposition, weiterhin über die Rechte, die jedem Abgeordneten zustehen: Fragerecht, Rederecht usw. Auch die Fraktionsrechte bleiben von den aktuellen Mehrheitsverhältnissen unberührt. Jedoch sehen unser Grundgesetz und die Geschäftsordnung auch verschiedene quorenabhängige Rechte vor. Es handelt sich hier um Rechte, die der Unterstützung durch ein Viertel oder durch ein Drittel der Mitglieder des Bundestages bedürfen. Dies sind tatsächlich durchaus bedeutende Rechte: das sogenannte schärfste Schwert der Opposition, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, die Beantragung einer abstrakten Normenkontrolle, Vorlagen betreffend die Angelegenheiten der Europäischen Union, aber auch die Einberufung von Sondersitzungen des Bundestages. Diese Rechte sind den Oppositionsfraktionen aufgrund der aktuellen Mehrheitsverhältnisse zurzeit verwehrt. Es ist völlig klar, dass es dadurch zu einer Beeinträchtigung der parlamentarischen Oppositionsarbeit kommen kann. Nach unserem Demokratiemodell ist das Bestehen einer kraftvollen Opposition – darin sind wir uns, glaube ich, alle einig – aber von erheblicher Bedeutung.

Deshalb habe auch ich mich sehr gefreut, dass unser Bundestagspräsident, Herr Lammert, gleich am Anfang der Legislaturperiode darauf hingewiesen hat, dass die Minderheitenrechte Bestand haben und geschützt werden müssen. Auch der Koalitionsvertrag fordert dies. Wir haben das heute schon gehört. Ich zitiere einmal daraus. Dort heißt es:

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Richtig!)

Die Frage ist: Wie ist dieser Schutz zu gewährleisten? Dazu sind in den letzten Wochen verschiedene Varianten diskutiert worden. Laut Koalitionsvertrag sollten die Rechte der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen durch einen Parlamentsbeschluss ermöglicht werden. Eine andere Variante, die uns heute vorliegt, enthält der Antrag der Opposition.

Sie fordern in Ihrem Antrag gesetzliche Regelungen. Die Quorenrechte sollen den beiden Oppositionsfraktionen zur gemeinsamen Ausübung zur Verfügung gestellt werden, und Sie wollen die Gültigkeit ausdrücklich auf die 18. Wahlperiode beschränken. Dabei haben Sie in einer Sache auch völlig recht: Wer eine wirksame Opposition für notwendig hält, darf sie nicht vom Wohlwollen der Mehrheit im Einzelfall abhängig machen. Das sehen wir auch so. Der Kollege Grosse-Brömer hat schon darauf hingewiesen.

Wir haben uns im Laufe der Diskussion von der Variante Parlamentsbeschluss verabschiedet und sind Ihnen dadurch bereits erheblich entgegengekommen. Nun haben wir einen Vorschlag vorgelegt, der einen guten und vernünftigen Kompromiss darstellt, nämlich die Änderung der Geschäftsordnung in der 18. Wahlperiode. Danach sollen die Rechte, die an ein bestimmtes Quorum gekoppelt sind, zukünftig auf Antrag aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht der Bundesregierung angehören, wahrgenommen werden können.

Durch diese Geschäftsordnungsregelung wird sichergestellt, dass die Minderheit ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einbringen kann. Einer Anpassung der entsprechenden Gesetze, wie Sie das in Ihrem Antrag vorsehen, bedarf es nach unserer Auffassung nicht. Die rechtliche Bindungswirkung der Geschäftsordnung mag zwar geringer sein – darauf haben die Oppositionsfraktionen hingewiesen –, aber ich möchte mir nicht vorstellen, welche öffentliche Wirkung und Empörung ein Hinwegsetzen über diese Regelung hervorrufen würde. Es besteht überhaupt keine Veranlassung, zu befürchten, dass der Schutz durch eine Regelung in der Geschäftsordnung an Wirkung verlieren könnte.

Auch in diesem Verfahren gilt das Struck’sche Gesetz. Es wird mit Sicherheit an der einen oder anderen Stelle noch Änderungen geben müssen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam zu einer Lösung kommen werden. Bisher haben wir im 1. Ausschuss oftmals Regelungen überfraktionell und einheitlich vereinbaren können. Ich hoffe, dass uns das auch in diesem Verfahren gelingen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Es spricht jetzt der Kollege Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3126030
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Sicherung der Oppositionsrechte
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