13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 6

Thomas SilberhornCDU/CSU - Untersuchungsausschuss NSA

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorhin haben wir den neuen Ausschuss Digitale Agenda eingesetzt. Nun beraten wir über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Man sieht: Hier entfaltet sich die ungebremste Arbeitswut dieses Hauses.

Herr Ströbele, da Sie Eile anmahnen: Wir werden sicherlich noch eine Woche Zeit benötigen, um über beide Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses intensiv zu beraten. Wir diskutieren darüber seit letztem Sommer. Fast wöchentlich erreichen uns – jetzt in immer geringerer Taktzahl – neue Enthüllungen, die die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht gerade verbessern. Ich erinnere nur an die jüngste Nachricht, dass auch das Handy des vormaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder abgehört wurde. Das ist genauso inakzeptabel wie die Überwachung des Handys der Bundeskanzlerin. In beiden Fällen müssen wir uns dagegen sehr deutlich verwahren. Das Ausmaß gezielter Spionage hätte wohl niemand für möglich gehalten. Vor allem der Anspruch auf vollständige Erfassung, Überwachung und Speicherung von Daten ist mit unserem Rechtsverständnis nicht vereinbar. Wir müssen in diesem Hause darüber nachdenken, wie wir damit umgehen. Aufklärung tut jedenfalls not; darin sind wir uns einig.

Die Union war anfangs durchaus zurückhaltend, was die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses angeht – Sie haben das zu Recht angesprochen –, aber nicht ohne Grund. Es ist natürlich zweifelhaft, ob ein Untersuchungsausschuss tatsächlich wesentliche neue Informationen zutage fördern kann. Schließlich geht es um Nachrichtendienste anderer Staaten, hier der USA und Großbritanniens. Deswegen werden wir Vertreter dieser Staaten nur schwerlich als Zeugen bekommen können; da sollten wir uns und der Öffentlichkeit nichts vormachen. Der Ausschuss wird also eher Umwege finden müssen, um an Informationen heranzukommen, die zuverlässige Aussagen über die Tätigkeit der NSA und des britischen Dienstes ermöglichen.

Wir erkennen aber ausdrücklich an, dass die Menge an Enthüllungen und Informationen zur Arbeit der amerikanischen und der britischen Dienste umfassend aufgearbeitet werden muss. Gerade in den letzten Monaten sind neue Aktivitäten bekannt geworden, die nahelegen, dass wir eine systematische Untersuchung durch den Deutschen Bundestag brauchen. Deswegen legen wir als Koalition einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor. Sie können unserem Antrag entnehmen, dass wir nicht mit unangenehmen Fragen sparen, weder in Bezug auf die vorherigen Bundesregierungen – ich spreche ganz bewusst im Plural – noch in Bezug auf die Arbeit deutscher Nachrichtendienste. Wir malen uns die Welt also nicht, wie sie uns gefällt. Im Gegenteil: Wir greifen alle wesentlichen Punkte aus dem Antrag der Opposition auf.

Es wird also einen Untersuchungsausschuss geben. Wir sind im Grundsatz auch mit dem Untersuchungsgegenstand einverstanden. Das Ob steht nicht infrage. Aber über das Wie – wie genau der Untersuchungsgegenstand formuliert ist – müssen wir noch sprechen.

(Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Herr Ströbele, bitte.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Zwischenbemerkung?

Sie müssen das Wort erteilen. Bitte schön.

Ja, normalerweise mache ich das.

Entschuldigung.

Aber wir kommen ja zum gleichen Ergebnis. – Bitte, Herr Ströbele.

Herr Kollege, das Problem, zu dem wir überall gefragt werden, ist: Warum haben Sie denn überhaupt einen eigenen Antrag eingebracht? Denken wir das einmal zu Ende: Wenn wir, das heißt die Linken und die Grünen zusammen, unseren Antrag durchbringen können und auch Sie theoretisch Ihren Antrag durchbringen, sollen wir dann zwei Untersuchungsausschüsse einrichten? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Das ist auch schon in früheren Legislaturperioden erörtert worden.

Wenn Sie auf einem eigenen Antrag beharren, kann das doch nur bedeuten, dass Sie unseren Antrag verdrängen wollen. Das werden wir auf gar keinen Fall zulassen. Ich erkenne an, dass Sie in den letzten Tagen den einen oder anderen Satz von uns in Ihren Antrag übernommen haben. Das ist aber offenbar so schnell und schusselig geschehen, dass derselbe Satz zweimal in Ihrem Antrag auftauchte. Vielleicht machen wir es uns einfacher: Sie ziehen Ihren Antrag zurück und sagen uns, bei welchen Punkten Sie noch zusätzlichen Bestimmtheitserfordernissen Rechnung tragen wollen und bei welchen Punkten nicht.

Vielen Dank, Herr Kollege Ströbele, für diese Frage. – Die Beantwortung dieser Frage ist der wesentliche Gegenstand meiner Rede. Wir haben deshalb einen eigenen Antrag vorgelegt, weil Ihr Antrag bei der Formulierung des Untersuchungsgegenstandes an mehreren Stellen zu unbestimmt ist. Wir sind in dieser Frage nicht ganz frei; denn die Bestimmtheit des Untersuchungsgegenstandes ist eine verfassungsrechtliche Anforderung, die wir erfüllen müssen und die das Bundesverfassungsgericht konkretisiert hat.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Insofern ist das nicht L’art pour l’art, sondern das dient im Übrigen auch dem Schutz von Betroffenen. Der Untersuchungsausschuss ist mit den scharfen Schwertern der Strafprozessordnung ausgestattet. Deswegen ist es ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, den Untersuchungsgegenstand exakt zu bestimmen.

Wenn Sie mir gestatten – Sie dürfen gerne Platz nehmen; so viel Zeit will ich gar nicht in Anspruch nehmen –, will ich den Konkretisierungsbedarf Ihres Antrages ganz kurz erläutern. Wenn es zum Beispiel um die Überwachung der Kommunikation von und nach Deutschland geht, wollen Sie nach Ihrem Antragsentwurf ganz allgemein ausländische Nachrichtendienste erfassen und nur insbesondere US-amerikanische und britische Nachrichtendienste. Das ist zu wenig. Oder anders formuliert: Es ist zu viel, wenn man ganz allgemein alle erfassen will. Für die Bestimmtheit ist es zu wenig.

An anderer Stelle ist von Kontrollinstitutionen die Rede. Aber warum werden sie nicht konkret benannt?

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Es ist doch klar, worum es gehen soll: um das Parlamentarische Kontrollgremium, um die G-10-Kommission und um die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Wenn man das weiß, kann man es auch hinschreiben. Dann ist es klar.

Schließlich sollten wir in zeitlicher Hinsicht für den gesamten Untersuchungsgegenstand auf den 11. September 2001 abstellen und nicht nur für Einzelfragen einen Zeitraum definieren. Deswegen muss an mehreren Stellen der Untersuchungsgegenstand nach unserer Auffassung deutlich präziser gefasst werden. Das ist der Grund, weshalb wir einen eigenen Antrag vorlegen.

Im Übrigen ist ein solcher Untersuchungsausschuss kein Selbstzweck. Die Erkenntnisse, die dort gewonnen werden, sollen unsere Sicherheit nicht gefährden, sondern, im Gegenteil, sie sollen uns helfen, dass wir für mehr Sicherheit in Deutschland sorgen können und dass wir damit auch mehr Freiheit für unsere Bürger sichern können. Wir leben insoweit nicht auf einer Insel der Seligen.

Ich will nur daran erinnern, dass erst jüngst wieder Berichte bekannt geworden sind, dass meist junge Leute sich fanatisieren und dazu verleiten lassen, nach Syrien zu fahren, um dort im Bürgerkrieg zu kämpfen. Wenn diese Leute zurückkommen, sind sie ein Gefahrenpotenzial in unserer Gesellschaft, das wir nicht unterschätzen dürfen. Der Generalbundesanwalt führt nach meinen letzten Informationen sechs Ermittlungsverfahren gegen deutsche Staatsangehörige im Zusammenhang mit Syrien durch. Wenn es zutrifft, was in Medien behauptet worden ist, nämlich dass al-Qaida deutschen Dschihadisten in Syrien die Pässe wegnimmt, um diese Pässe bei Anschlägen in Europa zu verwenden, dann ist das ein alarmierendes Zeichen, das wir wirklich ernst nehmen müssen.

Wir müssen die Aktivitäten solcher Kämpfer und wir müssen ihre Reisebewegungen überwachen. Dazu brauchen wir auch die Erkenntnisse von befreundeten Diensten, mit denen wir uns austauschen. Wir dürfen bitte nicht vergessen, dass Hinweise dieser befreundeten Dienste bereits mehrfach maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Anschläge in Deutschland verhindert werden konnten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)

Deswegen darf der Untersuchungsausschuss nicht dazu führen – das ist kein Vorwurf, sondern eine Sorge, die wir formulieren wollen –, dass unseren deutschen Diensten der Saft abgedreht wird und sie dann auch keine Informationen von befreundeten Diensten mehr erhalten. Vielmehr müssen wir die Globalisierung der Gefahr im Auge behalten. Dann ist klar: Wenn ein konkreter Verdacht auf schwere Straftaten besteht, dann ist der Austausch von Informationen unserer Dienste unverzichtbar für unsere Sicherheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen, dass der NSA-Komplex intensiv untersucht wird. Wir wollen nicht weniger aufklären als die Oppositionsfraktionen; wir wollen es nur etwas genauer, mit einer präziseren Formulierung des Untersuchungsgegenstandes. Daher sind wir bereit, über diese Formulierung zu reden. Ich darf unser Gesprächsangebot dazu ausdrücklich erneuern. Ich denke, der Geschäftsordnungsausschuss ist der richtige Ort, um diese Diskussion ernsthaft fortzusetzen. Unser Anliegen wäre, beide Einsetzungsanträge zu einem zusammenzuführen. Bei gutem Willen auf allen Seiten sollte das machbar sein.

Der Untersuchungsausschuss kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die richtigen Schlüsse zu ziehen – für unsere Bürger, für die Unternehmen und für den Staat als Ganzes. Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, damit bei der Datensicherheit, bei der Spionageabwehr und beim Schutz von Bürgerrechten künftig besser gewappnet zu sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste spricht in dieser Debatte Martina Renner für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3126299
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Untersuchungsausschuss NSA
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