13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 6

Eva HöglSPD - Untersuchungsausschuss NSA

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Liebe Frau Renner, auch von mir herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede! Auf gute Zusammenarbeit!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich damit beginnen, meiner Enttäuschung Ausdruck zu verleihen. Ich bin enttäuscht darüber, dass wir es als Parlament trotz der wegweisenden Erfahrungen im NSU-Untersuchungsausschuss bisher nicht geschafft haben, bei einem Thema, das uns alle hier seit Monaten beschäftigt und zu dem immer neue Einzelheiten bekannt werden, an einem Strang zu ziehen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woran ist es denn gescheitert?)

Wir haben als Koalition noch letzten Dienstag, also vor der förmlichen Einbringung unseres eigenen Antrags, auf der Ebene der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer angeboten, fraktionsübergreifend einen gemeinsamen Antragstext zu erarbeiten. Leider wurde das von der Opposition rigoros abgelehnt.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ganz genau! – Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit haben wir zunächst einmal die Chance vertan, auch gegenüber denjenigen, deren Verhalten wir in den nächsten Jahren untersuchen wollen, ein klares Zeichen zu setzen, nämlich das Zeichen, dass das gesamte Parlament hier mit einer Stimme spricht und unisono Aufklärung verlangt. Das ist mehr als bedauerlich.

(Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Mir ist heute nicht nach einer Zwischenfrage; ich würde gern im Zusammenhang ausführen.

(Zurufe)

Wenn sie die Zwischenfrage nicht zulassen möchte, dann braucht sie sie auch nicht zuzulassen.

Frau Haßelmann kann das ja nachher noch vortragen.

(Unruhe)

Frau Högl hat das Wort.

Die im Raum stehenden Vorwürfe massenhafter schwerer Bürgerrechtsverletzungen eignen sich nicht für die Inszenierung einer von der Mehrheit gebeutelten Opposition. Das sage ich hier ganz deutlich. Sie eignen sich schon deshalb nicht, weil wir als Koalition ein ebenso großes Interesse an der umfassenden Aufklärung der Vorwürfe haben wie die Abgeordneten der Opposition. Und dieses Interesse haben wir nicht erst seit dieser Woche.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Bereits im Oktober letzten Jahres hat Thomas Oppermann hier im Plenum öffentlich zu Recht die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSA-Skandal gefordert,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber dann war Schluss!)

um eine umfassende und gründliche Aufklärung der schweren Vorwürfe zu ermöglichen. Damit ist ganz klar, dass wir, die Abgeordneten der Koalition, ein hohes und berechtigtes Interesse an der Aufklärung haben.

Das Recht, hier Aufklärung zu verlangen – auch das sage ich Ihnen ganz deutlich –, steht nicht nur der Opposition zu, sondern allen Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir wollen im Deutschen Bundestag aufklären, inwieweit die Bürgerinnen und Bürger, aber auch Wirtschaftsunternehmen einer massenhaften verdachtsunabhängigen Erfassung und Speicherung ihrer Kommunikationsdaten und -inhalte durch amerikanische und britische Dienste ausgesetzt sind. Wir wollen hier gemeinsam aufklären, ob und inwieweit deutsche Stellen, insbesondere unsere Nachrichtendienste, von derartigen Praktiken wussten, daran beteiligt waren oder in irgendeiner Weise Nutzen daraus gezogen haben. Wir wollen, wenn sie nichts wussten, wissen, warum sie nichts wussten und warum sie nichts dagegen unternommen haben.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gegen das Nichtwissen?)

Darüber hinaus wollen wir herausarbeiten, wie wir die Grundrechte auf Privatheit und informationelle Selbstbestimmung, die schließlich zum Kern unserer Verfassung gehören, auch in Zukunft bestmöglich schützen können.

Das Aufklärungsinteresse der Opposition – das ist die gute Nachricht, und das eint uns hier – geht grundsätzlich in dieselbe Richtung. Und doch begegnet Ihr Antrag erheblichen Bedenken, die ich gerne an dieser Stelle deutlich machen will.

Ihr Antrag ist an mehreren Stellen unklar und unpräzise und entspricht nicht den Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes. Das hat der Kollege Silberhorn hier anhand bestimmter Formulierungen schon ausgeführt. In Ihrem Antrag sind auch Formulierungen enthalten, die so unklar sind, dass dadurch die Kompetenzen des Deutschen Bundestages und auch des Untersuchungsausschusses teilweise überschritten würden.

Ich will ein Beispiel nennen: Der Oppositionsantrag sagt viel zu ausländischen Nachrichtendiensten. Darunter fallen weltweit alle ausländischen Nachrichtendienste bis auf unsere eigenen. Das ist keine klare Eingrenzung dessen, was untersucht werden soll, und es wäre von einem Ausschuss überhaupt nicht leistbar, alle ausländischen Nachrichtendienste zu erfassen. Wir können auch nicht untersuchen, ob die Handlungen ausländischer Staaten in anderen ausländischen Staaten rechtswidrig waren. Auch das übersteigt unsere Kompetenz, und es fehlt ein Bezug zu Deutschland bei dieser Fragestellung; denn Deutschland will ja nicht eine Weltgrundrechtspolizei sein. Insofern können wir das nicht untersuchen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir können hier nur Missstände mit klarem Bezug zu Deutschland untersuchen, und genau darauf zielt der Antrag der Koalition, zum Beispiel bei der Frage, inwieweit amerikanische und britische Dienste Grundrechte in Deutschland verletzt haben. Genau darum geht es.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder von Deutschen!)

Dabei geht es auch um die Untersuchung einer möglichen Beteiligung oder einer Nutznießung deutscher Dienste hinsichtlich solcher Praktiken. Unser Interesse ist, das aufzuklären.

Ein weiteres Kernproblem des Oppositionsantrags ist, dass nicht deutlich genug unterschieden wird zwischen der massenhaften, verdachtsunabhängigen Erfassung und Speicherung von Daten einerseits und der anlassbezogenen Tätigkeit im Einzelfall andererseits. Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung, die wir hier auch treffen müssen. Darauf kommt es im Detail sehr an.

Ich bin aber jedenfalls froh darüber – auch das will ich sagen, nachdem ich eben von meiner Enttäuschung gesprochen habe –, dass deutlich geworden ist, dass Sie mit Ihrem Antrag nicht die gesamte nachrichtendienstliche Tätigkeit zum Gegenstand des Untersuchungsausschusses machen wollen, sondern dass es auch Ihnen darum geht, ebendiese massenhafte, verdachtsunabhängige Gewinnung von Kommunikationsdaten zu untersuchen. Dann müssen Sie es aber, Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, genau so auch in Ihrem Antrag formulieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will ganz deutlich sagen, dass der Antrag nicht nur rechtlichen Bedenken begegnet, sondern meiner und unserer Meinung nach auch inhaltlich viel zu kurz greift. Das fängt bereits damit an, dass Sie nur von Überwachung von Kommunikationsvorgängen sprechen. Es geht aber darum, bereits die Erfassung und die Speicherung von Daten in den Blick zu nehmen; denn diese haben bereits Eingriffscharakter, unabhängig davon, ob sie später ausgewertet werden. Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung. Da setzt unser Antrag sogar früher an und ist insoweit auch viel präziser. Außerdem wollen wir durch den Untersuchungsausschuss klären, inwieweit Botschaften und militärische Standorte in Deutschland für die Kommunikationserfassung genutzt wurden. Auch das ist ein wichtiger Gesichtspunkt, zu dem Sie nichts sagen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir auch drin!)

Wir wollen auch aufklären, inwieweit Wirtschaftsunternehmen von den Maßnahmen betroffen waren und was deutsche Stellen genau hierüber wussten. Auch dazu findet sich im Oppositionsantrag sehr wenig.

Schließlich haben wir in unseren Antrag Reformaspekte aufgenommen. Wir wollen nämlich auch den Reformbedarf unter die Lupe nehmen. Diesen Aspekt dürfen wir auf keinen Fall vernachlässigen. Es ist Aufgabe unseres Staates und dieses Parlaments, die Grundrechte der Privatheit und der informationellen Selbstbestimmung effektiv zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sicher elektronisch zu kommunizieren. Daran müssen wir hier als Parlamentarier gemeinsam arbeiten.

Wer also genau hinschaut und unseren Antrag liest – das ist vielleicht ganz hilfreich, wenn wir gegenseitig ganz genau schauen, was in den Anträgen steht –, sieht, dass in unserem Antrag die Anliegen der Opposition nicht nur halbherzig, weil wir gedacht haben, dass das zum guten Ton gehört, sondern umfassend aufgegriffen und handwerklich sauber ausformuliert worden sind. Wir haben weiterhin die Fragen zum Rechercheprojekt „Geheimer Krieg“ sowie danach, ob die Auskünfte der alten Bundesregierung nach den Enthüllungen von Edward Snowden zutreffend oder ausreichend waren, aufgegriffen. Auch das haben wir aus Ihrem Antrag übernommen. Deswegen bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, jetzt ganz inständig darum: Legen Sie beide Anträge einmal nebeneinander.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir getan! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir jeden Tag!)

Prüfen Sie sorgfältig, inwieweit Ihr Aufklärungsinteresse nicht von unserem Antrag abgedeckt ist. Ich bin sehr sicher, dass bei der Prüfung dann nicht mehr viel übrig bleibt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen das auch noch einmal, und dann wird es was!)

Ich möchte eins ganz deutlich sagen: Es kommt nicht häufig vor, dass die Mehrheit – wir haben hier eine große Mehrheit – mit der Opposition ein und dasselbe Ziel verfolgt.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja sonst auch peinlich!)

Wenn das ausnahmsweise einmal der Fall ist, dann sollten wir hier als Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch bereit und in der Lage sein, im Interesse einer bestmöglichen Aufklärung und Regierungskontrolle zusammenzuarbeiten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dafür möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich werben, gerade weil wir hier – Frau Renner, Sie haben es angesprochen – in der letzten Legislaturperiode sehr gute Erfahrungen damit gemacht haben, gemeinsam aufzuklären und gemeinsam Perspektiven zu formulieren.

Deshalb hoffe ich wirklich, dass wir bei den Beratungen im Geschäftsordnungsausschuss doch noch zu einem gemeinsamen und verfassungsgemäßen Antragstext kommen und die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gemeinsam beschließen können. Das muss unser Ziel sein. Das hat auch Frau Renner ganz am Anfang gesagt, weshalb ich an dieser Stelle aus voller Überzeugung geklatscht habe. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger müssen wir hier sehr schnell, aber auch auf der Grundlage einer sehr sorgfältigen Formulierung, mit der parlamentarischen Aufklärungsarbeit beginnen. Dafür können wir heute den Startschuss setzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Britta Haßelmann.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3126325
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Untersuchungsausschuss NSA
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