Patrick SensburgCDU/CSU - Untersuchungsausschuss NSA
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in diesem Haus zumindest einig – so habe ich es in der Debatte festgestellt –, dass verdachtsunabhängige, massenhafte Erfassungen und Auswertungen von Daten deutscher Bürger und Unternehmen durch ausländische Dienste nicht akzeptabel sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Auch durch inländische nicht!)
Ich hätte mir gewünscht, Herr Kollege Ströbele, dass Sie in Ihrer Rede nicht die Hälfte der Redezeit darauf verwendet hätten, zu diskutieren, welchen Untersuchungsumfang die Koalition für einen entsprechenden Untersuchungsausschuss vorgesehen hat, sondern tiefer in die Materie eingedrungen wären. Sie haben uns vorgeworfen, der Antrag sei nicht weitreichend genug, haben dann die Besorgnis des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes betont. In Ihrem Antrag jedoch wird das Bundesverfassungsgericht gar nicht erwähnt. In unserem Antrag steht es: als oberstes Verfassungsorgan. Sie benennen es gar nicht. Allein daran sieht man, dass Ihr Antrag nicht weitreichend ist. Unserer ist weitreichender. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie inhaltlich mehr in die Materie einsteigen, als es hier am Rande zu diskutieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Abfangen von Daten der Regierung, aber auch der Abgeordneten stellt nach dem deutschen Strafgesetzbuch einen Straftatbestand dar.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch von den Bürgern!)
Nicht umsonst ermittelt derzeit der Generalbundesanwalt in diese Richtung. Für die kommende Woche hat der Generalbundesanwalt diesbezüglich eine Einschätzung angekündigt.
Darüber hinaus dürfen wir nicht akzeptieren, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dass Rechte auf geschützte Kommunikation per Telefon, per E-Mail, per SMS oder auch auf Datenplattformen, auf Kommunikationsplattformen massiv angegriffen werden.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und was tun Sie dagegen?)
Dies geschieht alles ohne demokratische Kontrolle durch deutsche Gerichte oder Behörden – und das gegenüber deutschen Bürgern.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung der Kollegin Renner?
Ich möchte noch gerne einen Satz sagen, dann ist Gelegenheit dazu. Dann macht die Frage noch mehr Sinn.
Gut.
Ich glaube, wird sind uns in diesem Haus einig, dass wir diesbezügliche Vorkommnisse, die wir seit Juni letzten Jahres erleben mussten, in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten wollen.
Jetzt kann die Kollegin die Frage stellen.
Jetzt, Frau Kollegin Renner, wenn Sie mögen.
Herr Dr. Sensburg, Sie haben, wie andere Rednerinnen und Redner der Regierungskoalition, darauf abgestellt, zu sagen: Wir müssen uns auf die anlasslose Überwachung durch die Dienste der USA und Großbritanniens konzentrieren. Es steht auch die Überwachung des Mobilfunks der Kanzlerin, aber auch des ehemaligen Kanzlers Schröder im Raum. Ich frage Sie: Zählt das etwa zur anlasslosen Überwachung? Doch sicherlich nicht. Es gibt doch aufgrund der Enthüllungen schon jetzt konkrete Hinweise darauf, dass gezielt abgehört wurde. Das war meine erste Frage.
Ich würde gerne eine zweite Frage anfügen. Wir wissen doch auch aus der Praxis der Geheimdienste und den Ermittlungen im NSU-Untersuchungsausschuss, wie schnell ein Geheimdienst einen Anlass konstruiert, um tätig werden zu können. Deswegen stelle ich die konkrete Frage: Wollen Sie den Untersuchungsauftrag tatsächlich nur auf die anlasslose Überwachung konzentrieren, oder sind Sie bereit, den Untersuchungsgegenstand auch auf alle anderen Geheimdiensttätigkeiten auszuweiten?
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Kanzlerin gibt es immer einen Anlass!)
Herzlichen Dank für die Frage. Wir stellen fest, dass Sie unheimlich viele Aspekte in Ihren Antrag einbeziehen. Da ist einmal der Zeitraum: Sie grenzen in Ihrem gesamten Antrag den Zeitraum nicht ein; nur bezüglich einzelner Punkte ist der Zeitraum eingegrenzt. Ich habe mich schon gefragt: Wollen Sie im Grunde die Arbeit der NSA bis 1952 zurückverfolgen? Ist das Ihr Untersuchungsauftrag? Sie haben den Zeitraum nicht eingegrenzt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit dem Jahr 2001!)
Sie grenzen auch nicht ein, welche Behörden in den Blick genommen werden sollen. Wollen Sie im Grunde schauen, welche Sicherungsmaßnahmen auf den Computern deutscher Behörden stattfinden, bis hin zum Geschäftszimmer oder zum Soldaten einer Kompanie? Wie soll ein Untersuchungsausschuss ein solches Volumen leisten und auch Behörden und nachgeordnete Einrichtungen in den Blick nehmen? Das ist ein sehr großes Volumen. Sie sind da unpräzise. Ich könnte jetzt viele weitere Aspekte benennen.
Ich komme jetzt zu Ihrer Frage, ob auch verdachtsbezogene und anlassabhängige Überwachungen oder nur verdachtsunabhängige und anlassunabhängige Überwachungen einbezogen werden sollen. Wenn man die verdachtsbezogenen, anlassabhängigen Fälle mit einbezieht, dann hat man einen Untersuchungsauftrag, der jedweden Datenaustausch bis hin zur gewollten internationalen Rechtshilfe umfasst. Wir leisten in Deutschland aufgrund internationaler Abkommen in weiten Bereichen Rechtshilfe für unsere Partnerstaaten. All das ist in Ihrem Vorschlag eines Untersuchungsauftrags enthalten. Denken Sie mal an den großen Bereich des Austausches von Steuerdaten, an das FATCA-Abkommen zur Steuerhinterziehung – das ist ein Abkommen mit den USA –: All das wäre von dem Untersuchungsauftrag, den Sie vorschlagen, mit abgedeckt.
Ich muss ganz ehrlich sagen, welcher Gedanke mir so ein bisschen kam, als ich Ihren Antrag las. Sie wollen untersuchen: unbefristete Datengewinnung und quasi grenzenlose Datensammlung zu einem unbestimmten Personenkreis. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie da fast auf der gleichen Argumentationslinie sind, wie man es von der NSA gewohnt ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Meine Damen und Herren, ich glaube, man sollte nicht einfach Daten, egal aus welcher Quelle, sammeln und dann schauen, wie man sie nutzen kann, sondern einen präzisen Auftrag formulieren. Das ist der Grund, warum wir einen eigenen Antrag eingebracht haben.
Frau Haßelmann, ich muss es an dieser Stelle leider betonen: Die gemeinsamen Gespräche sind dadurch geendet, dass Sie gesagt haben: Wir möchten an der Stelle keinen gemeinsamen Antrag einbringen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Sie haben nicht erkannt, dass unser Antrag im Grunde weitreichender ist und Ihnen nutzen würde.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist in der Runde der PGF besprochen worden, und ich hätte mir gewünscht, dass man da zusammenkommt und den weitreichenderen Antrag nimmt. Vielleicht tun wir doch beide Anträge zusammen, Frau Haßelmann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung, und zwar vom Kollegen Dr. von Notz?
Gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich würde gerne wissen, woher Sie diese Information haben; denn ich meine bei dem Gespräch, in dem das verhandelt wurde, was Sie gerade ansprachen, im Gegensatz zu Ihnen dabei gewesen zu sein. Wir haben explizit gesagt, dass wir bereit sind, den entsprechenden Teil des Antrags der Großen Koalition unter unseren Antrag zu packen, sodass kein Wort von dem, was Sie wollen, verloren geht. Ist es nicht vielmehr so, dass Sie versuchen, genau das, was hier im Raum steht, was relevant und auch aufklärbar ist, nämlich die Rolle der deutschen Dienste und der internationale Ringtausch von Daten, zu verbrämen und nicht aufzuklären?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ganz herzlichen Dank für Ihre Frage und die gleichzeitige Bestätigung, dass Sie unserem Antrag nicht folgen wollten, obwohl er weitreichender ist. Sie haben das Angebot gemacht, einen Teil unseres Antrags unter Ihrem einzufügen. Ihr Antrag reicht aber an vielen Punkten nicht aus. Ich muss nicht das wiederholen, was die Kollegin Högl und der Kollege Silberhorn zu Recht gesagt haben. Ich könnte Ihnen noch einmal darlegen – durch Ihre Zwischenfrage wäre genug Redezeit vorhanden –, dass Ihr Antrag an vielen Punkten – ich will es mal so sagen – etwas dünn formuliert und an vielen Stellen zu unbestimmt, verfassungswidrig und nicht weitreichend genug ist.
Ich glaube nicht, dass es eine besonders kluge Entscheidung wäre, unseren Antrag unter Ihren zu packen, wie Ihr sehr freundliches Angebot suggeriert. Wäre es nicht sinnvoll, wenn man die Größe hätte, zu sagen: Wir legen beide Anträge zusammen und machen das Beste draus. Die Einladung von unserer Seite besteht. Wir sollten den Weg gemeinsam gehen. Das Signal der Geschlossenheit unseres Parlamentes wäre für die Arbeit des Untersuchungsausschusses sicherlich deutlich zweckdienlicher.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich will Ihnen einen weiteren Grund nennen, warum es klug wäre, mit uns zusammenzuarbeiten. In unserem Antrag gehen wir nicht nur auf die Verletzung der Rechte der Bundesregierung oder der Abgeordneten ein. Wir haben in einem ganzen Abschnitt dargelegt, in welchem Bereich uns der Schutz der informationellen Selbstbestimmung, der Privatsphäre, des Fernmeldegeheimnisses, der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme wichtig ist, gerade in Bezug auf die Bürgerinnen und Bürger. Allein dieser große Bereich muss uns wichtiger oder zumindest genauso wichtig sein wie das Abhören von staatlichen und behördlichen Institutionen.
Wo in Ihrem Antrag ist der große Bereich, in dem Sie auf die Rechte der Bürgerinnen und Bürger rekurrieren? Herr Ströbele hat etwas lapidar über unseren Antrag gesagt, dass er – ich darf Sie zitieren – „etwas dicker ist“. Stimmt, er ist dicker, weil er einen ganzen Abschnitt über die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern enthält. Es ist uns wichtig, dass diese im Antrag enthalten sind. Von daher: Lassen Sie uns doch beide Anträge zusammenfügen. Es macht Sinn.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
An einigen Punkten finden Sie die Informationen zwischen den Zeilen, Herr Kollege Ströbele.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwischen den Zeilen steht gar nichts!)
Gerade von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie mehr auf die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern eingehen. Im Zweifel werden wir es machen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3126332 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Untersuchungsausschuss NSA |