13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 11

Kordula Schulz-AscheDIE GRÜNEN - Rezeptfreie Pille danach

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin Widmann-Mauz, das war wirklich eine etwas seltsame Rede;

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ihre geht schon seltsam los!)

denn Anlass dafür, dass wir heute über das Thema Pille danach diskutieren – das Thema ist ja nicht vom Himmel gefallen –, ist, dass im Januar 2014 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, also die Fachleute, die die Bundesregierung zur Verfügung hat, um sich beraten zu lassen, zum wiederholten Male die Aufhebung der Verschreibungspflicht für die Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel empfohlen hat. Das ist der Grund, warum wir heute darüber reden, inwieweit wir es schaffen, hier die Verschreibungspflicht aufzuheben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Mir ist völlig unverständlich, wie der neue Gesundheitsminister Gröhe in einer seiner ersten Amtshandlungen erklären konnte – Sie haben es gerade auch getan, Frau Staatssekretärin –, er wolle trotzdem an der Verschreibungspflicht festhalten, und zwar zum Wohle der Gesundheit von Frauen. Heißt das denn, dass das Bundesinstitut Empfehlungen ausspricht, die zulasten der Gesundheit von Frauen gehen? Wenn das der Fall ist, dann müssen Sie diese Experten doch entlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wer sind denn die Expertinnen und Experten, auf die Sie sich stützen? Das müssen Sie meiner Meinung nach transparent machen. Die Entscheidung, ob ein Medikament aus der Verschreibungspflicht entlassen werden kann, darf nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Bewertungen erfolgen, nicht aber aufgrund von Ideologien und ökonomischen Interessen Einzelner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel gilt seit sehr vielen Jahren als bewährtes und sicheres Arzneimittel und ist in ganz Europa – außer in Deutschland, Polen und Italien – rezeptfrei erhältlich und wird von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen. Auch in Deutschland werden die Gegner immer weniger. Zurück bleiben die organisierte Ärztelobby sowie Teile der CDU und natürlich der CSU. Ich hoffe, dass das heutzutage nicht mehr reicht, um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen in Notfällen infrage zu stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Die Pille danach muss bis maximal 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr eingenommen werden, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Eine bereits eingetretene Schwangerschaft kann durch das Medikament nicht beendet werden. Die Pille danach ist also ein Verhütungs- und kein Abtreibungsmittel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bereits hier sitzen Sie falschen Beratern auf, wenn Sie eine gegensätzliche Position vertreten, wie Sie es gerade getan haben.

Aufgrund der derzeitigen Rezeptpflicht ist eine ärztliche Verschreibung notwendig. Die Pille danach wirkt aber umso besser, je früher sie eingenommen wird. Das ist ein weiterer Grund dafür, die Verschreibungspflicht abzuschaffen. Über die Hälfte der ärztlichen Verordnungen erfolgt in Deutschland montags und dienstags – das zeigt doch, dass eine vernünftige Beratung am Wochenende nicht stattfindet –, und dann ist die Wirkung unter Umständen bereits reduziert. Das ist ein Risiko, dem man Frauen ohne besonderen Grund nicht weiter aussetzen darf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Frau Staatssekretärin Widmann-Mauz, Sie haben recht: Natürlich bedarf es auch bei rezeptfreien Medikamenten wie der Pille danach umfassender Aufklärung und Beratung in der Apotheke und gegebenenfalls auch des Verweises auf andere Experten. Das ist übrigens ein wesentlicher Bestandteil unseres Antrages. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass Sie das gelesen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht ja nicht nur um mögliche Nebenwirkungen des Medikaments, sondern auch darum, die Kompetenzen von Frauen durch die Beratung zu stärken, um selbstbestimmt entscheiden zu können, ob sie die Pille danach nehmen möchten oder nicht. Um diese Beratung geht es uns. Wir müssen natürlich dafür sorgen, dass sie in bester Qualität erfolgen kann. Aber ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum unsere hochqualifizierten Apothekerinnen und Apotheker diese Beratung nicht mindestens genauso gut leisten können sollen wie der Bereitschaftsdienst am Wochenende, beispielsweise durch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Entscheidend ist doch, dass endlich die Lebensrealität und die Rechte von Frauen, ganz besonders dann, wenn sie in Not geraten sind, berücksichtigt werden. Dazu gehört auch die Kostenübernahme, die ebenfalls Teil unseres Antrages ist. Bei einem Medikament mit überflüssiger Rezeptpflicht sollten sie selbstbestimmt entscheiden können, ob sie es anwenden oder nicht.

Ich freue mich sehr über den großen Zuspruch, die die derzeit laufende Petition bereits bekommen hat. Frauen haben das Recht auf Beratung. Aber niemand hat das Recht, sie zu bevormunden,

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

weder Ideologen oder Ärzteverbände noch ein Bundesgesundheitsminister oder seine Staatssekretärin.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Das war die erste Rede unserer Kollegin Kordula Schulz-Asche im Deutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen dazu im Namen des ganzen Hauses.

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort der Kollege Dr. Karl Lauterbach, SPD-Fraktion.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3126402
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Rezeptfreie Pille danach
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