Emmi ZeulnerCDU/CSU - Rezeptfreie Pille danach
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Debatte zur Rezeptfreiheit eines Präparates zur Notfallverhütung, nämlich Levonorgestrel, kurz LNG, strittig ist, sind wir uns in einem Punkt doch alle einig: Wir wollen, dass Frauen in Deutschland, die in eine Notsituation geraten sind, sich sicher sein können, eine schnelle und objektive Beratung zu erhalten, eine Beratung in einem geschützten Raum unter vier Augen;
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie brauchen erst einmal Hilfe!)
denn die Empfänger der Pille danach sind eben nicht nur Frauen, die mitten im Leben stehen, sondern auch Minderjährige oder – schlimmer noch – Frauen, denen Gewalt angetan wurde. Deswegen ist für mich die zentrale Frage: Was ist uns wichtig? Den einfacheren Weg zu gehen oder den besseren?
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen möchten, dass mit der Rezeptfreiheit von LNG ein niedrigschwelliger und zeitnaher Zugang zur Notfallverhütung ermöglicht wird.
(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In diesem Zusammenhang wird häufig der erschwerte Zugang zu ärztlicher Versorgung im ländlichen Raum angeführt.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau! Das ist richtig!)
Ich selbst stamme aus dem ländlichen Raum und kann sagen
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– vielleicht liegt es daran, dass es Bayern ist; tut mir leid –,
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
dass der Notfalldienst der Gynäkologen sowie die Notfallversorgung durch die Krankenhäuser funktionieren. Wir wissen selbstverständlich, dass wir aufpassen müssen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Aber die Rund- um-die-Uhr-Bereitschaft, wie wir sie in Deutschland haben, ist einmalig. Für jede Frau ist somit vor Ort eine zeitnahe Versorgung mit dem Notfallmedikament sichergestellt.
An der Besonderheit dieses Bereitschaftsdienstes möchte ich anknüpfen. Ein Vergleich mit der Situation in anderen Ländern bezüglich der Freigabe von LNG kann nur bedingt gezogen werden. Es ist nachvollziehbar, dass der schnelle Zugang zu LNG in anderen Staaten nur durch eine Rezeptfreiheit gesichert werden kann. Nicht jedes Land hat eine medizinische Versorgung, die mit dem deutschen Standard vergleichbar ist. Deutschland hingegen weist keine Versorgungslücken auf, die eine Freigabe von LNG nötig machen würden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im internationalen Vergleich haben wir eine beispielhaft niedrige Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen: Auf 1 000 Frauen kommen 6,2 Abbrüche. In anderen europäischen Ländern – ohne Verschreibungspflicht – ist die Rate bis zu dreimal so hoch.
Hier sei deutlich gesagt: Die Freigabe des Präparats hat nirgends zu einem wirkungsvollen Rückgang der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche beigetragen. Wäre hier ein Rückgang zu erkennen, wäre die Debatte selbstverständlich eine andere.
(Beifall bei der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Lesen Sie mal die Onlinepetition!)
In dieser Debatte wird immer wieder bemängelt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Frau durch die Rezeptpflicht eingeschränkt wird. Natürlich will ich als Frau selbstbestimmt leben. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich habe nicht das Gefühl, dass mein Selbstbestimmungsrecht mit dem Gang zum Arzt mehr eingeschränkt wird als mit dem Gang zum Apotheker.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielmehr bietet der Besuch beim Arzt die Möglichkeit einer fachlichen, ganzheitlichen und individuellen Beratung in einem geschützten Raum. Mit der Weitergabe dieses hochpotenzierten Hormonpräparats allein ist es nicht getan. Die Aufklärung über die Gefahren von Geschlechtskrankheiten, eventuelle Impfungen und eine Abstimmung des möglicherweise notwendigen weiteren Vorgehens – auch in Bezug auf die weitere Verhütung – sind unbedingt mit einzubeziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Hinzu kommt die wichtige Abwägung, welches Präparat verschrieben werden soll. Das weiterhin verschreibungspflichtige Präparat Ulipristal kann bis zu 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden und ist wirksamer; deswegen gilt es in der Notfallmedizin aktuell als Standardtherapie. Nur durch den Gang zum Arzt hat man die Wahl zwischen den beiden Präparaten. Als Krankenschwester ist es mein Prinzip, das Beste für die Patientin zu tun. Was ist, wenn Ulipristal das Beste für die Patientin wäre, sie aber nicht davon erfährt?
Ein weiterer Punkt ist, dass das Präparat, würde es freigegeben, im Internet auf Vorrat bestellt werden könnte. Im Gegensatz zu den Grünen bin ich nicht der Meinung, dass das Internet allein zu einer informierten Entscheidung führen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wie stellen Sie sich das vor: Multiple Choice für die Pille danach? Eingabe bei Google?
Die Option einer rezeptfreien Pille danach durch eine Apotheke kommt für mich nur infrage, wenn eine ganzheitliche, individuelle, fachlich fundierte Beratung in einem geschützten Raum gesichert ist. Kann dies wirklich nachts am Apothekenfenster gewährleistet werden? Und wenn ja: Wird dann nicht der Grundsatz der Trennung von Beratung und Verkauf gefährdet? Eine medizinische Empfehlung sollte im besten Fall unabhängig von jeglichen Verkaufsperspektiven sein.
Nach Abwägung zwischen dem einfacheren und dem besseren Weg muss ich daher zu dem Schluss kommen, dass ich mich für die Beibehaltung der Rezeptpflicht und somit für den besseren Weg entscheide.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das war die erste Rede unserer Kollegin Emmi Zeulner im Deutschen Bundestag. Wir gratulieren ihr dazu herzlich.
(Beifall)
Ich erteile als nächster Rednerin der Kollegin Mechthild Rawert von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3126425 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Rezeptfreie Pille danach |