13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 11

Karin MaagCDU/CSU - Rezeptfreie Pille danach

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Liebe Kollegin Rawert, ich finde es schön, dass Ihnen die Große Koalition jeden Tag so viel Freude bereitet. Uns auch.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nichtsdestotrotz möchte ich die Diskussion vom Kopf wieder auf die Füße stellen. Frau Kollegin Rawert, hormonelle Verhütungsmittel, gemeinhin die Pille genannt, sind in Deutschland aus gutem Grund verschreibungspflichtig, weil sie nämlich Wirkungen und Nebenwirkungen haben.

(Hilde Mattheis [SPD]: Da will auch keiner dran! – Mechthild Rawert [SPD]: Das ist heute nicht das Thema!)

Es gibt unterschiedliche Arten von Pillen mit unterschiedlichen Hormonen. Es gibt Risikofaktoren: Herz- Kreislauf-Probleme, Thromboserisiko, Übergewicht usw.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist Dauermedikation!)

Am Anfang, bevor ein Arzt eine Pille verschreibt, steht jedenfalls ein Beratungsgespräch und die entsprechende Untersuchung. Wenn wir heute über die Entlassung von Levonorgestrel aus der Rezeptpflicht reden, dann kommt mir eins viel zu kurz: Der Hormongehalt in der Einzeldosis Levonorgestrel ist 50-mal höher als der bei der sogenannten Minipille und etwa 10-mal höher als der Gestagengehalt in der normalen Pille. Wir hören auch auf Sachverständige. Professor Rabe hat dies in der Anhörung letztes Jahr sehr deutlich hervorgehoben. Ich jedenfalls meine, der Beratungsbedarf wird nicht geringer.

Jetzt will ich auf die Behauptung eingehen, die Erfahrungen in den anderen Ländern mit der Rezeptfreiheit seien immer positiv. Das stimmt einfach nicht. In Großbritannien ist die Pille danach seit zwölf Jahren rezeptfrei. Die Abbruchraten sind um 7,7 Prozent gestiegen. In Frankreich ist die Pille danach seit 1999 rezeptfrei. Die Abbruchraten sind mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. In Deutschland ist die Pille danach nicht rezeptfrei, aber bei uns sinken die Abbruchraten seit zehn Jahren kontinuierlich.

Die ärztlichen Fachverbände jedenfalls sehen den Beratungsbedarf und haben sich für den Erhalt der Rezeptpflicht ausgesprochen. Es gibt dann die Plattitüde, die Frauenärzte würden ja an der Verordnung verdienen. Das tun sie nicht. In jedem Bundesland bringt das den Ärzten zwischen 19 und 22 Euro pro Quartal. Darin ist die Beratung für die Notfallverhütung selbstverständlich eingeschlossen.

Die Rezeptpflicht ist aus meiner Sicht notwendig, weil nur so eine Beratung sichergestellt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Kollegin Maag, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung der Kollegin Schulz-Asche. Lassen Sie sie zu?

Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern, Frau Schulz-Asche. Sie hatten schon die Möglichkeit, hier Ihre Ausführungen zu machen.

Die Rezeptpflicht ist notwendig. Ich will einfach, dass verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, wie der, dass es zum Beispiel beim ungeschützten Geschlechtsverkehr in der Zeit des Eisprungs überhaupt nur in 5,5 Prozent der Fälle zu einer Schwangerschaft kommt. Das heißt, vielfach wäre die hormonelle Belastung durch die Pille danach gar nicht nötig. Mit der Einnahme von Levonorgestrel sinkt die Rate von 5,5 auf 3 Prozent. Verhindert werden also 40 bis 50 Prozent der ungewollten Schwangerschaften, aber nur dann, wenn das Präparat innerhalb von 24 Stunden eingenommen wird. Danach sinkt die Sicherheit ab. Bei einem Körpergewicht von über 70 Kilogramm sinkt die Wirksamkeit exorbitant. Darüber muss man meines Erachtens aufklären. Das ist umso nötiger, weil die ellaOne, also das Ulipristalacetat, mit 80 bis 85 Prozent verhinderter Schwangerschaften deutlich erfolgreicher ist. Sie wirkt bis zu fünf Tagen nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr.

Das sicherste Mittel überhaupt zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft ist die Spirale, die als Notfallkontrazeptiva gegeben werden kann. Sie kann bis zu fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingelegt werden.

Sie sehen, das sind Dinge, über die man reden muss. Das weiß die Patientin nicht ohne Weiteres.

Es geht uns sicher nicht darum, meine Damen und Herren von den Linken und von den Grünen, das reproduktive Selbstbestimmungsrecht – das Wort ist fürchterlich – zu beschneiden.

(Mechthild Rawert [SPD]: Aber der Zustand ist wunderbar!)

Wir wollen mit der Rezeptpflicht zum einen den Weg in die informierte Entscheidung erleichtern. Zum anderen wollen wir vermeiden, dass sich viele Frauen, ohne womöglich bessere Alternativen der Notfallverhütung zu kennen, auf das einfacher zugängliche, aber weniger wirksame oder möglicherweise individuell weniger passende Produkt einlassen. Das hielte ich tatsächlich für fatal.

Ich will noch auf den Sachverständigenausschuss eingehen, der im Übrigen – Frau Widmann-Mauz hat darauf hingewiesen – eine Beratung generell für notwendig hält. Das BfArM hat mitgeteilt, dass es die sogenannte Anwendungssicherheit von Levonorgestrel für hoch hält. Das ist richtig. Anwendungssicherheit heißt aber, dass das Produkt für die Patientin leicht handhabbar ist und sie selbst etwa im Hinblick auf Dosierung oder Portionierung keine Fehler machen kann. Damit ist doch nicht darüber entschieden, ob es andere bessere bzw. wirksamere Produkte für die Patientin am Markt gibt.

(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Das ist doch nur eine einzige Pille! Da gibt es nichts zu portionieren! – Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] hält einen Arzneimittelblister hoch)

Es ist ein isolierendes Risikoprofil. Das ist mir schlicht nicht genug. Mir geht es allein um die Frage, ob die Patientin gut oder am besten versorgt ist. Das entscheidet der Arzt.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das entscheidet nicht der Arzt!)

Dass die Entscheidung natürlich auch im geschützten Raum fallen muss, wurde schon mehrfach angesprochen. Es geht dabei um Fragen wie: Ist der Geschlechtsverkehr möglicherweise nicht einvernehmlich gewesen, mit allen gesundheitlichen Folgen? Kann man da behilflich sein? Das alles kann der Frauenarzt in seinen Räumen in Ruhe mit der Patientin besprechen, aber sicher nicht der Apotheker,

(Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dessen Kompetenz ich grundsätzlich schätze, in seiner Apotheke, im Notfalldienst oder schlimmstenfalls durch den Nachtrezeptschlitz. Das halte ich in diesen Fällen für den falschen Weg.

Deshalb gibt es übrigens auch eine flächendeckende ärztliche Versorgung. Sie ist bei uns noch flächendeckend. Ich verstehe den Ansatz, dass es um den ländlichen Raum geht und dass wir den guten Zugang zur Notfallverhütung erhalten müssen. Aber dabei hilft es nicht, die Anforderungen herunterzuschrauben. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir die Versorgung hochhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht erwähnt wurde bisher, dass Sie mit der Entlassung aus der Rezeptpflicht auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen aufs Spiel setzen. Auch würde das Werbeverbot entfallen.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Lesen Sie doch bitte die Anträge von uns! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie berücksichtigen nur die Ärtzeschaft! Ausschließlich!)

All das berücksichtigen Sie nicht. Aus all diesen Gründen bleibe ich dabei, dass die Rezeptpflicht für das Levonorgestrel, die bestehen bleiben muss, sicher der gute und richtige Weg ist.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich gebe der Kollegin Kordula Schulz-Asche das Wort zu einer Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3126451
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Rezeptfreie Pille danach
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