13.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 12

Frank SteffelCDU/CSU - Menschen- und Bürgerrechte im Sport

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Eindruck, das Ziel eint alle vier Fraktionen und beim Weg sind sich drei Fraktionen weitestgehend einig. Lediglich die antragstellende Fraktion ist der Auffassung, dass der Boykott von Sportveranstaltungen zielführend ist.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keiner hat Boykott gefordert!)

Mein Eindruck ist, dass Boykott nicht zielführend ist, sondern dass wir gut beraten sind, sowohl unsere Sportlerinnen und Sportler zu solchen Veranstaltungen zu schicken, egal ob es Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften sind, als auch auf politischer Ebene – nicht nur, aber eben auch – während Olympischer Spiele miteinander zu reden.

(Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Übrigen haben Sie, liebe Frau Lazar, gestern Herrn Bundesminister de Maizière anders erlebt als die große Mehrheit des Ausschusses. Er hat sich sehr differenziert zu dem geäußert, was er jetzt in den zwei Tagen in Sotschi tun wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat gesagt, er weiß nicht, mit wem er spricht! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat keine Kenntnis, wen er da trifft!)

Er hat sehr klar Position bezogen. Nur gibt es eben auch einen Tag danach. Es muss auch nach Sotschi möglich sein, dass Politikerinnen und Politiker aus Deutschland und Russland über streitige Fragen, aber vielleicht auch über die vielen Fragen, in denen Einigkeit herrscht, miteinander diskutieren und sprechen können.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht strittig!)

Er hat wörtlich gesagt, dass er sich in Russland natürlich auch mit Menschenrechtsgruppen und Regimekritikern trifft, aber er der Auffassung ist, dass das ohne Scheinwerferlicht zielführender ist als vor Scheinwerfern. Ich glaube, er hat politisch recht. Er wird wahrscheinlich in der Sache mehr bewegen als manch schrilles Argument, das wir über die Zeitungen austauschen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bundespräsident hat keine schrillen Argumente!)

– Frau Roth, ich will mit Ihnen gar keinen Disput führen, weil ich – das sage ich noch einmal – den Eindruck habe: Das Ziel eint. Ich bin gespannt, wie Sie sich als Person, die sich ja im Deutschen Fußball-Bund an herausgehobener Stelle engagiert, bei der Weltmeisterschaft in Moskau verhalten. Das wird eine der nächsten großen Fragen sein.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darauf können Sie sich verlassen!)

– Sie fahren hin?

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Dass ich mich damit beschäftige!)

– Dass Sie sich damit beschäftigen, davon gehe ich aus. Wir beschäftigen uns alle damit. Die entscheidende Frage ist doch: Fahren Sie hin, oder fahren Sie nicht hin? Die entscheidende Frage ist doch: Schickt der Deutsche Fußball-Bund, in dem Sie mitarbeiten, die deutsche Nationalmannschaft nach Moskau oder nicht?

Ich habe die Spiele 1980 als junger Mann erlebt. Wie traurig war ich, dass deutsche Sportlerinnen und Sportler in Moskau nicht teilgenommen haben!

(Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Und ich erst!)

Ich habe die Spiele 1984 erlebt, bei denen ich den Eindruck hatte, dass es nordamerikanisch-europäische Meisterschaften waren, weil der gesamte Ostblock in Los Angeles nicht teilgenommen hat. Ich möchte das nicht mehr erleben. Ich glaube, es ist auch gut, dass solche Zeiten schon 30 Jahre vorbei sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Übrigen müssen wir dann über die Kriterien reden. Natürlich können wir vieles am deutschen und am europäischen Maßstab messen. Es ist toll, was wir beispielsweise im Bereich Homosexualität erreicht haben. Auch wir hatten vor einigen Jahrzehnten noch Gesetze, die anders waren als die heutigen.

Meine Damen und Herren, in über 70 Ländern dieser Erde ist Homosexualität per Gesetz verboten. Ist unsere Antwort darauf, dass in diesen 70 Ländern keine Weltmeisterschaften und keine Olympischen Spiele stattfinden dürfen? In 57 Ländern dieser Erde gibt es die Todesstrafe. Ist das nicht auch ein Kriterium, um nach unserem Wertemaßstab zu sagen: „Das ist nach unserer Auffassung mit Menschen- und Bürgerrechten eigentlich nicht zu vereinbaren“?

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist aber kein Grund, die Klappe zu halten!)

Übrigens, meine Damen und Herren von den Grünen, über Frauenrechte müssen wir gar nicht reden. Es gibt ganz wenige Länder dieser Erde, die solche Frauenrechte – Gott sei Dank! – wie wir in Deutschland und weiten Teilen von Mitteleuropa haben. Wie wir alle wissen, ist es schon in Teilen von Europa anders.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie uns dafür werben, dass unsere Maßstäbe auch anlässlich solcher Großveranstaltungen diskutiert werden. Ich bin mir übrigens sehr sicher, dass die Regimekritiker in Russland nicht freigekommen wären, egal ob es Oligarchen, Musiker, Punkbands oder Mädchen sind, die ein bisschen über die Stränge geschlagen haben. Ich glaube, sie sind freigekommen, weil die Olympischen Spiele in Sotschi stattfinden und weil Putin wusste, dass die Welt ein Signal erwartet. Vielleicht ist auch dies ein positives Beispiel von Olympischen Spielen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist Putin auch noch ein guter Mann!)

Über eines sollten wir sehr leidenschaftlich reden: In Katar, in einem der reichsten Länder der Erde, sterben jedes Jahr 200 Wanderarbeiter, weil das Regime nicht in der Lage ist, den Menschen Essen und Trinken zu geben. Das ist ein wirklicher Skandal, der energisch kritisiert und sofort abgestellt werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Riesenskandal: protzige Spiele veranstalten und die Ärmsten der Armen verhungern lassen.

Ich will noch eines zum Thema Sport sagen, Frau Lazar. Ich glaube, wir sollten den Sport nicht überfordern. Unsere Sportlerinnen und Sportler sind keine Diplomaten,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fordert auch keiner!)

sondern sie wollen Leistungen im Sport erbringen. Unsere Sportlerinnen und Sportler sind in Sotschi, damit wir über ihre Leistungen reden. Und jeder einzelne kann entscheiden, was er sonst zu welchem Thema der Welt sagt und beiträgt. Die Politik ist gut beraten, unsere Sportlerinnen und Sportler zu unterstützen.

Ich glaube, dass Russland nach Sotschi ein bisschen anders sein wird. Peking war übrigens nach den Olympischen Spielen auch ein bisschen anders. Ich werde nicht vergessen, als im Sportausschuss ein Vertreter der Behindertenorganisationen gesagt hat, dass wenigstens eins von Peking übrig geblieben ist: Das Bild von Behinderten in China hat sich durch die Paralympics dramatisch positiv verändert. Wenn es nur ein kleiner Funke ist, ist es zumindest ein Funke, auf den wir als CDU/CSU nicht verzichten möchten. Wir möchten nicht, dass Olympische Spiele nur noch in Europa und in Nordamerika stattfinden, sondern wir möchten, dass sie überall stattfinden. Dann werben wir für unsere Werte und sehen zu, dass unsere Sportlerinnen und Sportler trotzdem mit unserer Unterstützung dort hinfahren können.

Herzlichen Dank und schönen Abend!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3126486
Wahlperiode 18
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Menschen- und Bürgerrechte im Sport
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