14.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 15 / Tagesordnungspunkt 14

Halina WawzyniakDIE LINKE - Demokratie verteidigen

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linke unterstützt den vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen in allen Punkten.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finden wir gut!)

Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit, weil wir Freiheit und Gerechtigkeit miteinander verbinden wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Appell der Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist – das ist außerordentlich begrüßenswert – nicht der einzige Appell geblieben. Mittlerweile gibt es zum Beispiel auch einen Aufruf von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gegen Überwachung. Der Appell der Schriftstellerinnen und Schriftsteller hat aus unserer Sicht einen ganz zentralen Vorteil: Er macht deutlich, dass die Überwachung nicht allein auf das Handeln der NSA reduziert werden kann. Im Überwachungsboot sitzen Konzerne wie Staaten. Die Kapitäne im Überwachungsboot sind die Geheimdienste. Diese werden logischerweise immer alle technischen Möglichkeiten nutzen, um ihre Informationen zu bekommen. Das liegt im Wesen von Geheimdiensten. Dagegen helfen keine Abkommen oder gesetzlichen Regelungen, dagegen hilft nur die Auflösung von Geheimdiensten.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Aufruf der Schriftstellerinnen und Schriftsteller gibt uns als Parlament aber auch einen Auftrag mit. Ich bin davon überzeugt, dass allein der Aufruf an Staaten und Konzerne, das Recht auf Privatsphäre, die Gedanken- und Meinungsfreiheit und die Unschuldsvermutung zu respektieren, nicht zu einer Verhaltensänderung führt. Wir als Gesetzgeber müssen unserer Aufgabe nachkommen, Staaten und Konzerne mit gesetzlichen Regelungen zu zwingen, diese genannten Rechte einzuhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es vollkommen richtig und unterstützenswert, wenn die Grünen in ihrem Antrag fordern, Maßnahmen zur Wiederherstellung der benannten Rechte zu ergreifen.

Im Übrigen – das kann nicht oft genug gesagt werden –: Der Vorratsdatenspeicherung ist eine endgültige Absage zu erteilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt wird es für die Genossinnen und Genossen der Sozialdemokratie interessant: Es ist ein wenig absurd, wenn der Justizminister im Rechtsausschuss ankündigt, er werde, selbst wenn der EuGH die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unzulässig erklärt, einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland vorlegen und damit präventiv Druck für eine neue Richtlinie entfalten. – Demokratie bedeutet eben gerade auch, dass es keinen Generalverdacht gibt und dass eine Totalüberwachung der Kommunikation der Einwohnerinnen und Einwohner nicht stattfindet. Vorratsdatenspeicherung ist das Gegenteil von Demokratie im digitalen Zeitalter.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Verteidigung der Demokratie im digitalen Zeitalter sind mehr Maßnahmen erforderlich als die im Antrag genannten, die sich weitgehend auf die Ausspähaffäre konzentrieren. Das Recht auf Anonymität und damit die Möglichkeit der anonymen Kommunikation darf nicht infrage gestellt werden. Ein höchstmögliches Datenschutzniveau in den Voreinstellungen technischer Geräte und sozialer Netzwerke muss Standard werden.

Ein Generalverdacht und ein in unseren Augen nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Privatsphäre sowie die Kommunikationsfreiheit ist im Übrigen auch die nichtindividualisierte Funkzellenabfrage. Auch dieses Überwachungsinstrument gehört abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Demokratie im digitalen Zeitalter bedeutet aber auch, dass Menschen verstehen, wie das Internet und Computer funktionieren. Nur wer versteht, wie etwas funktioniert, kann auch emanzipiert und selbstbestimmt damit umgehen. Wir brauchen also sowohl in Schulen als auch in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern, Polizistinnen und Polizisten, Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten Medienbildung als integralen Bestandteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Das eine oder andere Kopfschütteln hervorrufende Urteil der vergangenen Tage wäre uns so möglicherweise erspart geblieben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Demokratie im digitalen Zeitalter zu verteidigen, heißt, Einwohnerinnen und Einwohnern überhaupt Zugang zum digitalen Zeitalter zu ermöglichen. Demokratie hat auch immer etwas mit Informiertheit zu tun. Die Bereitschaft, etwas zu verteidigen, was man nicht kennt, dürfte nicht sehr ausgeprägt sein. Da bleibt der Koalitionsvertrag auf einer ziemlich abstrakten Ebene.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Zwar wird noch erkannt, dass der Breitbandausbau total wichtig ist, aber die Große Koalition schreibt nicht, wie sie ihn realisieren will. Sie hat ja sogar die entsprechenden Mittel aus dem Koalitionsvertrag gestrichen. Es findet sich kein Wort darüber, dass, wenn jede und jeder an der Möglichkeit des Internets teilhaben können soll, ein Computer notwendig ist und dass deshalb ein Computer zum soziokulturellen Existenzminimum gehören muss; andernfalls schließt man Menschen von der Demokratie im digitalen Zeitalter aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Demokratie und Teilhabe am digitalen Zeitalter bedeuten auch, Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben; denn nur die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität verhindert ein Zweiklasseninternet. Das, was gerade auf europäischer Ebene verhandelt wird, lässt vermuten, dass dort, wo Netzneutralität drauf steht, am Ende nicht Netzneutralität drin ist.

Ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie ist Klarheit der Rechtsnormen. Insofern sind klare, an das digitale Zeitalter angepasste Normen des Urheberrechts für alle von Nutzen. Denn durch klare Gesetzgebung ist allen erkennbar, was erlaubt ist und was nicht. Das Urheberrecht ist an das digitale Zeitalter anzupassen. Um Urheberrinnen und Urhebern zu ermöglichen, von ihrer Arbeit zu leben, und gleichzeitig den Zugang zu Wissen und Kultur für Nutzerinnen und Nutzer zu ermöglichen, brauchen wir ein verändertes Urhebervertragsrecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir Linke haben in der letzten Legislaturperiode einen umfangreichen Vorschlag zur Novellierung des Urhebervertragsrechts unterbreitet, der genau das gewährleisten würde. Wenn Sie mir zustimmen, dass zur Demokratie auch die Möglichkeit gehört, sich zu informieren, dann schaffen Sie endlich die Depublizierungspflicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ab! Wir können es auf eine ganz einfache Formel bringen: Was mit öffentlichen Geldern finanziert wurde, soll auch für alle öffentlich zugänglich sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das müsste dann übrigens auch für die Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages gelten.

Beim Aufruf der Schriftstellerinnen und Schriftsteller gerät ein wenig aus dem Blick, dass es auch im Internet um die Eigentumsfrage geht. Es sind nicht nur Staaten und ihre Geheimdienste, die die Freiheit des Internets bedrohen, sondern auch Monopole, die sich ihre eigenen Gesetze machen und ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen. Sie sammeln Daten und können ebenso Bewegungsprofile erstellen wie staatliche Behörden. Wir müssen für eine rechtliche Einhegung der Monopole sorgen. Deshalb fänden wir es gut, wenn genossenschaftliche und commonsbasierte Initiativen unterstützt würden. Es wäre auch gut, wenn bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Stellen konsequent auf Open Source gesetzt würde.

Der Titel des Antrages der Grünen lautet: Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter. – Ich habe bereits gesagt, dass wir diesen Antrag befürworten. Wenn wir es alle ernst meinen mit der Verteidigung der Demokratie auch im digitalen Zeitalter, dann sollten wir als Allererstes bei allen Gesetzen, die hier verabschiedet werden, eine Demokratievereinbarkeitsprüfung vornehmen. Gerechtigkeit und Freiheit zusammenzudenken, ist eine lohnenswerte Aufgabe, der sich die Linke widmen wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Matthias Schmidt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3127189
Wahlperiode 18
Sitzung 15
Tagesordnungspunkt Demokratie verteidigen
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