14.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 15 / Tagesordnungspunkt 14

Tim OstermannCDU/CSU - Demokratie verteidigen

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Mark Twain ist das Zitat überliefert:

Wenn man in den letzten Monaten und gerade auch heute die Beiträge aus der Opposition verfolgt hat, dann kann man schon eine Vielzahl an lichten Häuptern erkennen. Offensichtlich liegt das an der Haarerauferei, die seit Bekanntwerden der NSA-Affäre öffentlichkeitswirksam betrieben wird.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Empörung ist nachvollziehbar. Auch ich war empört – und bin es immer noch –, als ich von der Massenüberwachung durch amerikanische und britische Geheimdienste erfahren habe. Das Ausmaß hat mich fassungslos gemacht. Es kommt jedoch ein Punkt, an dem Empörung zu einem Hindernis wird. Empörung konzentriert sich nämlich nur auf das Problem. Mark Twain wollte uns mit seinem Sinnspruch dagegen mitteilen, dass man Lösungen findet, indem man das Problem versachlicht und indem man vor allem eines an den Tag legt: Besonnenheit.

Wir sind uns in dem Ziel einig: Die Ausspähungen müssen unterbleiben. Die Verletzung deutschen Rechts muss aufhören. Über das Wie sind wir uns allerdings bislang nicht einig. Wir beraten heute einen Antrag der Grünen. Wenn ich den Antrag lese, komme ich zu dem Ergebnis, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen wenig zielführend sind und nur ein weiteres Ventil der Empörung darstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Ich möchte dies an einigen Beispielen deutlich machen: Sie wollen den Generalbundesanwalt anweisen lassen, ein förmliches Verfahren einzuleiten und geheimdienstliche Straftaten zu verfolgen. Derzeitiger Stand ist bekanntlich, dass der Generalbundesanwalt prüft, ob er ein formales Ermittlungsverfahren aufnimmt. Dem Vernehmen nach wird er in der nächsten Woche eine Entscheidung verkünden.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gut!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir sollten darauf vertrauen, dass der Generalbundesanwalt die richtige Entscheidung trifft,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sowieso!)

eine Entscheidung, die vor allem auf der Grundlage juristischer Überlegungen getroffen werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Exakt!)

Daher sind konkrete Anweisungen der Bundesregierung an Herrn Range wenig sinnvoll, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Sie wollen die USA vor dem UN-Menschenrechtsausschuss mit einer Staatenbeschwerde belegen. Diese Beschwerde ist, seit sie 1966 eingeführt wurde, noch von keinem Staat erhoben worden – nicht ein einziges Mal. Tagtäglich gibt es auf unserem Planeten schreckliche und grausame Menschenrechtsverletzungen. Und Sie wollen dieser Verfahrensart ausgerechnet wegen Ausspähaktivitäten zur Premiere verhelfen. Und dann auch noch gegen die Vereinigten Staaten von Amerika.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Nicht gegen die Vereinigten Staaten von Amerika!)

Auch das ist für mich ein klarer Fall von Empörungspolitik. Das ist kopfloser Aktionismus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns stattdessen auf Lösungen konzentrieren. Ich sehe hier drei Ansätze:

Erstens. Wir müssen unseren Verbündeten weiterhin mit aller Vehemenz klarmachen, dass auch sie sich auf deutschem Boden an deutsches Recht zu halten haben. Eines muss dabei aber auch klar sein: Tragfähige Lösungen können wir nur mit den Amerikanern und Briten zusammen erreichen, aber nicht gegen sie. Das ist das Einmaleins der internationalen Beziehungstheorie.

Zweitens. Wir müssen auch auf Ebene der EU und der UN für unsere Vorstellung von Netzpolitik eintreten. Entscheidend ist dabei die Frage: Für welche Netzpolitik stehen wir überhaupt? Sie ist aus meiner Sicht noch nicht befriedigend beantwortet worden. Ebenfalls unbeantwortet ist die Frage nach der normativen Ausgestaltung der Netzpolitik. Wie genau sollen die Regeln aussehen, die Freiheit und Sicherheit in der richtigen Balance halten? Aber selbst wenn wir Regeln aufstellen, bleibt immer noch die Frage, wie wir diese durchsetzen wollen.

Und dies führt mich zu meinem dritten Punkt, den technologischen Kapazitäten. Mit ein Grund für die große Empörung über die Ausspähung ist doch der Umstand, dass wir von ihr kalt erwischt worden sind. Wir waren offensichtlich nicht vorbereitet. Die Ausspähaktivitäten haben uns vor Augen geführt, dass in Deutschland technologisch ein Nachholbedarf besteht. Dass wir zum Aufholen in der Lage sind, steht für mich außer Zweifel. Sie werden mir beipflichten, dass wir Deutsche mit die besten Autos in der Welt bauen, ich meine sogar: die besten. Trotzdem müssen deutsche Autobauer auf Software und Betriebssysteme amerikanischer Firmen zurückgreifen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja die Hölle!)

Oder nehmen Sie das Beispiel Maschinenbau: Deutsche Firmen gehören zu den Weltmarktführern. Die wesentlichen Komponenten für IT und Telekommunikation, die sie verwenden, kommen aber nahezu allesamt aus den USA, China oder Korea. Hier besteht ein Ungleichgewicht, das wir bisher ignoriert haben.

Während wir mit unseren Partnern verhandeln, werden andere Länder ihre Algorithmen und Trojaner nicht einmotten. Mit diesen Staaten sind Verhandlungen von vornherein aussichtslos und zum Scheitern verurteilt. Wir müssen auf diese Bedrohung umgehend reagieren. Damit meine ich nicht, dass wir nun zur Gegenspionage ansetzen sollten –

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Kollege Hartmann!)

oder überhaupt könnten. Aber eine gewisse Robustheit gegen Angriffe von außen darf und muss schon sein.

Den Ausbau unserer technologischen Abwehrfähigkeit haben wir selbst in der Hand. Ich denke da etwa an die Stärkung des BSI – auch in finanzieller Hinsicht –, die verstärkte Bereitstellung von Forschungsmitteln, aber auch an die Formulierung einer neuen, an die Herausforderungen der digitalen Welt angepassten Sicherheitsstrategie.

Ich bin mir sicher, dass die digitale Agenda, die die Bundesregierung bis Sommer vorlegen wird, Antworten geben wird.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich auch!)

Ebenso bin ich davon überzeugt, dass der Untersuchungsausschuss, den wir einsetzen werden, Antworten formulieren wird.

Ohne wildes Haareraufen und symbolische Empörungspolitik, dafür sachlich und besonnen, so müssen wir diese Aufgabe angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Vielleicht wird dann auch deutlicher, was sich hinter der Spähaffäre aus meiner Sicht vor allem verbirgt: ein Weckruf an uns, ein Weckruf, der dazu führen muss, unseren digitalen Rückstand aufzuholen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Dr. Ostermann, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich beglückwünsche Sie dazu und wünsche Ihnen viele weitere erfolgreiche Reden.

(Beifall)

Ich erteile jetzt das Wort der Kollegin Petra Pau, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3127217
Wahlperiode 18
Sitzung 15
Tagesordnungspunkt Demokratie verteidigen
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