Marian WendtCDU/CSU - Demokratie verteidigen
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte, die wir heute führen, wurden die Probleme und Chancen der digitalen Welt aufgeführt. Ich bin sehr dankbar, dass wir diese Debatte geführt haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gerade erst am Beginn des Weges zur Neuregelung des Internets und des Lebens und Wirkens darin stehen.
Insofern danke ich den Grünen für den Antrag und die Möglichkeit einer Debatte.
(Beifall des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das war es dann aber auch schon mit dem Lob; denn leider kann ich ansonsten kaum Positives über den Antrag berichten.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie noch sechs Minuten! Das wird ja eine traurige Zeit!)
– Sechs Minuten zwanzig. – Meine Vorredner haben die wesentlichen Kritikpunkte bereits benannt. Was mich insbesondere stört, ist die sehr unreflektierte Intonation Ihrer Begründung. Wer Ihre Zeilen gelesen und Ihre Debattenbeiträge verfolgt hat, könnte glauben, die Bundesrepublik sei ein autokratisches Entwicklungsland und stünde erst am Beginn des demokratischen Zeitalters.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie nicht gut gelesen!)
– Ich habe hier sehr gut gelesen und der Debatte zugehört. – In dem Antrag ist zum Beispiel davon die Rede, dass das Persönlichkeitsrecht und die Unverletzlichkeit des Individuums – ich zitiere – „inzwischen null und nichtig“ seien. Mit welcher Leichtigkeit Sie hohe Verfassungsgüter unseres demokratischen Rechtsstaates verworfen sehen wollen, ist schon sehr bedenklich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht!)
Das Recht der Opposition auf Kritik in allen Ehren, aber ich finde, viele Ihrer Formulierungen sind maßlos übertrieben. Ihr Antrag ist pauschalisiert und greift insgesamt zu kurz.
Ich möchte deswegen die Möglichkeit nutzen, hier in der Debatte zwei Punkte zu betonen: erstens die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger bei der Sicherheit im Internet und zweitens das Verhältnis von Internet und Demokratie, so wie es die Überschrift des Antrages erahnen lässt.
Zum ersten Punkt möchte ich Folgendes sagen: Eigenverantwortung im Internet und im Umgang mit digitalen Medien spielt eine sehr wichtige Rolle. 80 Prozent der Menschen in unserem Land nutzen das Internet zumindest gelegentlich, die breite Mehrheit der Internetnutzer hegt aber Misstrauen gegenüber dem Medium. Nach einer Umfrage des Verbandes BITKOM halten 80 Prozent der Menschen in unserem Land ihre persönlichen Daten im Internet für nicht sicher.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na also!)
Es ist natürlich richtig: Politik und Wirtschaft tragen Verantwortung für mehr technische und rechtliche Sicherheit im Netz – was auf diesen Feldern geleistet wird, haben meine Vorredner angesprochen –, aber das ist eben nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sind ein größeres Sicherheitsbewusstsein und mehr Eigenverantwortung der Internetnutzer notwendig. Das Thema Bildung, besonders bei jungen Menschen, spielt dabei eine wichtige Rolle. Dem trägt die Koalition mit der Strategie „Digitales Lernen“ Rechnung. Gemeinsam mit den Ländern und Akteuren aus dem Bildungsbereich wollen wir die Chancen der neuen Medien für gute Bildung entschlossen nutzen, entwickeln und umsetzen. Zudem wollen wir zusammen mit den Ländern die Weichen für neue Profile im Fachbereich Informatik stellen, um das Zukunftsthema IT bei jungen Menschen noch stärker zu fördern und damit die Eigenverantwortung zu stärken.
Allgemein gesprochen ist der Bereich Eigenverantwortung natürlich ein breites Feld mit vielen Aspekten. Das fängt bei grundsätzlichen Fragen an wie: „Welche Daten gebe ich im Netz von mir preis?“, „ Was zahle ich als Nutzer für Dienste von E-Mail-Providern und Betreibern von sozialen Netzwerken, die eigentlich kostenlos sind?“. Hier sollte einerseits der Grundsatz gelten: so wenig Persönliches wie möglich, so viel wie nötig. Andererseits muss den Internetnutzern auch klar sein, dass sie bei kostenlosen Angeboten im Internet oftmals mit ihren persönlichen Daten zahlen.
Wer das nicht möchte, kann auf viele Alternativanbieter zurückgreifen. Gerade in Deutschland und besonders hier in Berlin gibt es beispielsweise viele E-Mail-Anbieter, die hinsichtlich Datenschutz und Verschlüsselung sehr benutzerfreundliche Angebote machen. Wir können mit den Unternehmen und gesellschaftlichen Initiativen noch mehr erreichen. Sicherheit muss eine Selbstverständlichkeit für die Internetnutzer werden, für die jeder etwas tun kann. Aspekte wie die Verschlüsselung und Anonymisierung der Daten im Netz dürfen keine Nischenthemen für IT-Begeisterte sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie müssen bei der breiten Mehrheit der Internetnutzer ankommen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das in den letzten Monaten sehr oft gerügt wurde, sendet hierfür wichtige Impulse, zum Beispiel mit Initiativen wie „Deutschland sicher im Netz“ und dem „Safer Internet Day“. Insofern plädiere ich mit Nachdruck dafür, die Verunsicherung aufgrund der nachrichtendienstlichen Aktivitäten auch als Chance zu begreifen. Durch verstärkte Information und Aufklärung können Internetnutzer befähigt werden, sich selbst im Netz zu schützen und sensibel mit persönlichen Daten umzugehen.
Zu meinem zweiten Gedanken, dem Verhältnis von Internet und Demokratie. Das Internet ist als Medium für eine demokratische Gesellschaft wichtig. Es kann dabei helfen, demokratische Verfahren zu vereinfachen und zu verbessern. Damit kann das Internet für eine höhere Akzeptanz unseres demokratischen Miteinanders sorgen. Allerdings warne ich vor zu viel Träumerei. Denn Demokratie findet nicht nur online statt. Das mussten die Grünen leidvoll erfahren, als sich an ihrer Kandidatenkür für die Europawahlen im Netz nur 22 676 Menschen beteiligten.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir trauen uns wenigstens so etwas!)
Wahlberechtigt waren 380 Millionen. Das ist eine Wahlbeteiligung von 0,006 Prozent.
(Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Immerhin!)
Diese Zahlen zeigen, dass wir gerade außerhalb des Internets mehr Menschen für unser demokratisches System begeistern müssen. Ein Beispiel dafür fand gestern statt, als über 11 000 Menschen ein klares Zeichen für unsere Demokratie gesetzt haben. Sie haben eine Menschenkette für Freiheit, für Demokratie und für Rechtsstaatlichkeit durch Dresden gebildet. Dieses gesellschaftliche Engagement der Menschen gestern hat mir wieder einmal gezeigt, dass Demokratie eben mehr ist als ein Klick auf den Gefällt-mir-Button.
Demokratie braucht den persönlichen Einsatz der Bürgerinnen und Bürger offline vor Ort. Das Medium Internet kann nie eine hinreichende Bedingung für ein demokratisches Gelingen sein.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat auch gar niemand behauptet!)
Selbst Bill Gates hat das erkannt. Er hat einmal gesagt: „Die Informationstechnologie ist kein Allheilmittel. Das ist natürlich eine Enttäuschung für all diejenigen, die von PC und Internet die Lösung aller Menschheitsprobleme erwarten.“
Sie sehen: Wir stehen im Bereich der Netzpolitik und der digitalen Agenda noch vor vielen Herausforderungen. Wir alle, Parlament und Gesellschaft, sind aufgefordert, uns hier einzubringen und aktiv daran mitzuwirken. Der pauschale Antrag der Grünen greift hier leider zu kurz. Deshalb können wir ihm nicht zustimmen.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3129020 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Demokratie verteidigen |