14.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 15 / Tagesordnungspunkt 15

Richard PitterleDIE LINKE - Konzerninsolvenzen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über einen Gesetzentwurf, der sich mit Insolvenzen in Konzernen beschäftigt. Pleiten von Unternehmen gibt es leider immer wieder. Im letzten Jahr waren insgesamt 26 300 Unternehmen betroffen, im Jahr davor 28 720. Diese Pleiten lösen bange Fragen bei den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien aus. Sie fragen sich: Wird es möglich sein, das Unternehmen zu sanieren und die Arbeitsplätze zu erhalten? Findet sich ein Investor für eine Fortführung des Unternehmens? – Aber auch viele Lieferanten, Handwerker und andere kleine Selbstständige trifft eine Insolvenz nicht selten hart.

Die Baumärkte Praktiker und Max Bahr, der Hersteller von Socken und Strumpfwaren Kunert, der TV-Hersteller Loewe, der Billigstromanbieter Flexstrom – alles Konzerne –, die Prokon-Gruppe – deren Konkurs machte jüngst Schlagzeilen –, ihnen allen ist gemein, dass sie nicht nur für die Muttergesellschaft, sondern auch für jede einzelne Tochtergesellschaft separat Insolvenz anmelden mussten. Allein nach der Pleite des Arcandor-Konzerns mit den Tochtergesellschaften Karstadt und Quelle 2009 wurden 54 einzelne Insolvenzverfahren eröffnet. Dies ist mit der Einsetzung entsprechend vieler Insolvenzverwalter verbunden, die ausschließlich die Interessen der jeweiligen Tochtergesellschaft vertreten und das noch übrig gebliebene Vermögen einzeln verwerten.

Das Gleiche gilt für die Insolvenzgerichte. Jedes Insolvenzverfahren wird isoliert abgewickelt – ohne Abstimmung mit den Beteiligten der anderen Insolvenzverfahren. Dadurch werden die Verhandlungen zur Sanierung und eine mögliche Rettung des Gesamtkonzerns erheblich erschwert, mit der Folge, dass die gesamte Insolvenzmasse nicht optimal verwertet werden kann.

Das Ganze im Konzern ist mehr wert als die Summe seiner Einzelteile. Deshalb wird in der Krise und der Insolvenz zunächst meistens versucht, den Konzern als Unternehmensverbund weiter zu erhalten und entweder gemeinschaftlich zu sanieren oder zu verwerten. Heute – das heißt mit dem bestehenden Insolvenzrecht – geht der Gesamtkonzern als Einheit und damit der eigentliche Wert verloren. Das muss sich ändern.

Daher besteht Handlungsbedarf. Die Initiative für eine gesetzliche Regelung geht aber wieder einmal nicht von der Bundesregierung aus, sondern kommt aus Europa. Bereits am 12. Dezember 2012 hat die EU-Kommission dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament einen Vorschlag für eine Reform der Europäischen Insolvenzverordnung vorgelegt. Ziel ist die EU- weite Etablierung einer Rettungs- und Sanierungskultur für Unternehmen in der Krise.

Es ist gut, zu wissen, dass sich wenigstens aufgrund der Aktivitäten auf europäischer Ebene in Deutschland etwas bewegt und weiter bewegen wird. Von dieser Bundesregierung kommt bisher nichts, und es ist in dieser Legislaturperiode – siehe Koalitionsvertrag – auch nicht viel zu erwarten.

Dabei gibt es viel Handlungsbedarf. Der Abbau von Bürokratie ist seit vielen Jahren ein Topanliegen der mittelständischen Wirtschaft.

(Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Bestimmt nicht von Ihnen!)

Die Menschen in Deutschland warten dringend auf einen Abbau der kalten Progression und des sogenannten Mittelstandsbauchs

(Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)

und fordern – gerade in diesen Wochen – die Bekämpfung von Steuerumgehung, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung.

(Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Dass Sie sich zum Fürsprecher der Steuerzahler machen!)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen sollen unter anderem die Betrachtung des Konzerns in den Vordergrund gestellt und insbesondere Reibungs- und Wertverluste reduziert werden. Insofern beschreiten Sie mit dem Gesetzentwurf grundsätzlich den richtigen Weg.

Die Interessen der Beschäftigten werden aber wieder nicht ausreichend berücksichtigt. Hierzu zähle ich nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die Betriebsräte und Gewerkschaften. Wir wollen entsprechende Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte für die Vertretungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingefügt sehen,

(Beifall bei der LINKEN)

zum Beispiel für den Konzernbetriebsrat. Darum wird sich die Linke im weiteren Beratungsprozess zum Gesetzentwurf ganz besonders kümmern.

Wir werden darauf achten, dass auf jeden Fall die Arbeitnehmerrechte gewahrt werden, die beim letzten Mal in den Beratungen über das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – besser bekannt unter dem Kürzel ESUG – am Ende doch noch dem neoliberalen Mainstream geopfert wurden.

Es gibt also noch einiges am Gesetzentwurf zu verändern. Hierbei bieten wir der Bundesregierung eine konstruktive Mitarbeit an.

(Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Danke, darauf können wir verzichten!)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Professor Dr. Heribert Hirte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3129050
Wahlperiode 18
Sitzung 15
Tagesordnungspunkt Konzerninsolvenzen
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