Florian HahnCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zur Lage in der Ukraine
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Waffenstillstand, der gestern ausgehandelt wurde und uns noch Hoffnung gegeben hat, wurde offensichtlich nicht eingehalten. Reuters meldet aktuell zehn weitere Tote. Das Treffen mit den Außenministern des Weimarer Dreiecks, das hoffnungsvoll anvisiert war, hat nicht stattgefunden; auch das läuft gerade über Reuters. Da angesichts dieser Entwicklungen die Fraktion Die Linke mit gerade einmal elf Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus diesen Zirkus hier veranstaltet und offensichtlich diese Debatte nicht ernst nimmt, frage ich: Wo ist Herr Gysi? Wo ist Frau Wagenknecht? Wo ist Frau Kipping? Wo ist die Führung der Fraktion Die Linke? Ich finde das unglaublich!
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist keine zwei Jahre her, da haben Menschen auf dem Maidan und in der ganzen Ukraine die Fußballeuropameisterschaft gefeiert. Seit Wochen erreichen uns nun erschütternde Bilder von den gleichen Stellen. Der traurige Höhepunkt war in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch mit etwa 30 Toten auf allen Seiten. Wir müssen befürchten, dass dieses Land in den Bürgerkrieg hineinrutscht.
Mit der Erstürmung des Maidan durch die Polizei mit Wasserwerfern, mit Blendgranaten, mit unglaublicher Brutalität hat die ukrainische Regierung die Gewalteskalation ganz bewusst in Kauf genommen. Circa 30 Menschen sind getötet worden, jetzt noch einmal 10. Das dürfte eine der blutigsten Nächte in Osteuropa seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gewesen sein. Die Verantwortung dafür trägt in der Hauptsache das Regime Janukowitsch.
Die Rede Janukowitschs anlässlich dieser Krawalle muss sich für die Opfer und für die Familien der Opfer wie Hohn und Spott anhören. Er nennt sich selbst einen Feind der Gewaltanwendung. Wir wissen aus vielen Quellen, dass Oppositionelle geschlagen, gefoltert werden oder gar einfach verschwinden. Er wirft der Opposition vor, sie würde die Grundsätze der Demokratie missachten. Es ist sein Regime, das die Versammlungs- und Meinungsfreiheit der Bürger in der Ukraine einschränkt. Es ist sein Regime, das eine Debatte im Parlament nicht zulässt, in der die Opposition mögliche Verfassungsänderungen diskutieren will.
Der Präsident macht nur eines deutlich: Er will seine Macht nicht abgeben. Das ist bitter; denn in den letzten Wochen ist es den gemäßigten Oppositionsführern wie Klitschko gelungen, die Gewaltbereiten in ihren eigenen Reihen immer wieder zu beruhigen. Jetzt gibt es Brandanschläge gegen Büros der Opposition im ganzen Land. Offensichtlich wollen Kräfte Gewalt erzeugen – regierungsnahe Kräfte. Wenn das so weitergeht, kommt es zum Bürgerkrieg. Deshalb müssen wir alle Beteiligten an den Verhandlungstisch zurückbringen, und diese müssen ernsthaft verhandeln. Um das zu erreichen, müssen wir den Druck auf das Regime weiter erhöhen. Sanktionen, vor allem gegen die Oligarchen im Hintergrund, müssen greifen, können womöglich das entscheidende Quäntchen ausmachen, damit sich nun etwas tut und wir eine weitere Eskalation verhindern.
Die nächsten Schritte für eine bessere Zukunft der Ukraine müssen sein: ernsthafte Verhandlungen mit allen Beteiligten, eine Übergangsregierung ohne Janukowitsch, Neuwahlen. Es muss auch verhindert werden, dass dieses Land weiter gespalten wird. Die Oligarchen müssen entmachtet und Korruption muss bekämpft werden. Hier wollen wir und hier müssen wir der Ukraine helfen.
Den vielen mutigen Menschen, die aktuell für Frieden, Freiheit und Demokratie in der Ukraine kämpfen, sollten wir von hier aus zurufen, dass sie durchhalten sollen, so friedlich wie möglich. Gerade wir Deutschen wissen, dass sich dieser Mut lohnen kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nächster Redner ist der Kollege Manuel Sarrazin, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3144745 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Lage in der Ukraine |