Christian KühnDIE GRÜNEN - Mietenentwicklung und Wohnungsmarkt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Rängen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema Wohnen geht es nicht um ein x-beliebiges Produkt oder eine Ware wie eine Zahnbürste, eine Dienstleistung oder ein Möbelstück. Wohnen ist ein hohes Gut. Die Lage einer Wohnung entscheidet heute über die Kreditwürdigkeit und den Zugang zu Arbeit, Bildung, Gesundheit und Sicherheit. Ein Stadtteil oder eine Straße sind nicht nur eine Postanschrift; sie sind für viele Menschen Identität, soziales Umfeld und Heimat.
Mit einer Wohnung erhält man einen grundrechtlich garantierten Schutz. Spricht man mit obdachlosen und wohnungslosen Menschen bei den Vesperkirchen im Land, die gerade ihre Tore geöffnet haben, dann kann man erahnen, was es bedeutet, wenn man den Rückzugsraum und Schutzraum Wohnung nicht mehr hat.
Wohnen ist viel mehr als Markt und Ware. Deswegen ist es unsere Pflicht, Wohnraum zu schützen und ihn eben nicht rein marktwirtschaftlichen Gesetzen zu überlassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Wohnungsmärkte in den großen Städten boomen. Ich finde es ein bisschen untertrieben, das eine normale dynamische Entwicklung zu nennen. Gerade in den Ballungsräumen und Universitätsstädten läuft das aus dem Ruder. Sie können täglich nicht nur in Berliner Zeitungen, sondern auch in anderen nachlesen, wie stark die Mietanstiege in diesen Ballungszentren sind.
Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, und das ist auch gut so. Aber der Platz wird knapp, und dadurch steigen eben die Preise. Dieser Effekt wird durch die Niedrigzinspolitik verstärkt: Bei den niedrigen Zinsen legen immer mehr Menschen ihr Geld in Betongold, also in Immobilien, an und wollen dafür eine Rendite, zum Teil auch eine hohe Rendite.
An diesem Montag hat eine Meldung der Bundesbank uns Wohnungspolitiker aufhorchen lassen: In den Großstädten weichen die Preise für Wohnimmobilien um 25 Prozent nach oben ab. Sogar eine Immobilienblase ist bei lang anhaltender Niedrigzinspolitik nicht mehr auszuschließen.
Deswegen ist es richtig, jetzt in die Wohnungsmärkte einzugreifen. Dabei kann man nicht von einer dynamischen Entwicklung sprechen. Vielmehr laufen in Teilen Deutschlands die Märkte aus dem Ruder.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Unser Mietrecht lässt einen Spielraum für Mietpreissteigerungen zu, der gerade in den wachsenden Regionen ausgenutzt wird. Das heißt dann: Wer genügend Geld hat, kann in den Städten wohnen bleiben.
Die wachsenden Märkte sind überhitzt. Ich finde, wir brauchen dringend eine Abkühlung bei den Mietmärkten, und zwar schnell, damit wir der Polarisierung und sozialen Entmischung in unseren Städten etwas entgegensetzen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir Grünen stehen für lebenswerte, durchmischte Städte, in die man gerne investiert, in denen man aber auch gerne lebt. Dafür brauchen wir grundsätzlich ein umfassendes wohnungspolitisches Konzept, das an unterschiedlichen Stellschrauben dreht. Staat, Mieterinnen und Mieter sowie Eigentümerinnen und Eigentümer müssen gemeinsam daran arbeiten, die drei großen Herausforderungen zu bewältigen: altersgerechter Umbau, energetische Sanierung und sozialer Ausgleich. Leider sehe ich ein solch umfassendes Konzept bei der Großen Koalition nicht. Bei Ihnen fehlen nämlich die Investitionsanreize, Herr Luczak.
(Bettina Hornhues [CDU/CSU]: Bei Ihren Vorschlägen fehlen die Investitionsanreize!)
– Nein, bei Ihnen fehlen die Investitionsanreize.
Wir finden die Mietpreisbremse als ein Instrument, das schnell eingeführt wird, richtig. Sie ist im Kern ein Rettungsschirm, der schnell aufgespannt werden muss. Sie sagen nun aber: Das verhindert den Neubau. – Das ist falsch. Für den Neubau gilt sie gar nicht. Ich rate Ihnen, einen Blick in den eigenen Koalitionsvertrag zu werfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Bitte lesen! Das steht da drin!)
Ich rate Ihnen: Rücken Sie von Ihren Wahlversprechen nicht ab! Führen Sie die Mietpreisbremse ein! Bleiben Sie hier standfest, wie man auf dem Bau sagt.
Bei der Modernisierungsumlage bin ich sehr skeptisch, was die geplante zeitliche Begrenzung angeht. Wenn Sie diese einführen, werden Sie sich in juristischen Fallstricken verheddern. Deswegen sage ich Ihnen: Schwenken Sie auf unser Konzept und die inhaltliche Beschränkung auf den altersgerechten Umbau und die energetische Sanierung um. Wir brauchen echte Anreize. Auch wir wollen die KfW-Programme verstetigen. Wir wollen sie aus dem nicht funktionsfähigen Emissionshandel herauslösen, der letztlich die Finanzierungsbasis dafür bildet. Die Mittel für diese Programme müssen auf mindestens 2 Milliarden Euro jährlich erhöht werden. Zudem müssen Sie in die Quartierssanierung mehr investieren. Mir fehlen hier die Zahlen der Großen Koalition. Ich bin gespannt, ob Sie am Ende bei den Haushaltsberatungen wirklich liefern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Beim sozialen Wohnungsbau sollten wir uns als Wohnungspolitiker ein bisschen ehrlich machen: Die Federführung der Gesetzgebung liegt bei den Ländern. Wir als Bund zahlen die Entflechtungsmittel. Wenn man wirklich etwas Substanzielles ändern will, dann muss man in eine neue Föderalismusreform einsteigen, dies dort als Thema gezielt setzen und darüber nachdenken, wie der soziale Wohnungsbau in Deutschland neu organisiert werden soll. Ihnen in der Großen Koalition fehlt die Kraft, dieses Thema wirklich anzugehen. Das finde ich schade. Das ist eine vertane Chance für die Wohnungspolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Was halten Sie von den Anträgen der Linken?)
Wir Grünen stehen für eine neue, innovative Wohnungspolitik, in der alle wohnungspolitischen Instrumente aufeinander abgestimmt sind. Es geht um die Energiewende, den demografischen Wandel und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Beim Wohngeld – das ist ein Beispiel dafür, was wir unter einer neuen Wohnungspolitik verstehen – wollen wir einen Klimazuschuss obendrauf setzen; denn wenn wir den Heizkostenzuschuss wieder einführen, zahlen wir letztlich die Heizkosten für schlecht isolierte Wohnungen. Das macht weder volkswirtschaftlich noch haushalterisch Sinn. Deswegen bedarf es eines Klimazuschusses beim Wohngeld.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist das, was wir Grünen mit einer klimafreundlichen und bezahlbaren Wohnungspolitik meinen. Die Anträge der Linken verstehen wir in Teilen sehr gut. Wir werden sie in den nächsten Wochen weiter prüfen. Heute ist die erste Lesung. Wir werden darüber im Ausschuss weiter beraten.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Als nächster Redner hat der Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold das Wort.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3146641 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Mietenentwicklung und Wohnungsmarkt |