20.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 17 / Tagesordnungspunkt 3

Ulli NissenSPD - Mietenentwicklung und Wohnungsmarkt

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern vor 95 Jahren hat das erste Mal eine Frau in einem deutschen Parlament gesprochen: Marie Juchacz. Sie war Sozialdemokratin, Sozialreformerin, Frauenrechtlerin und Gründerin der Arbeiterwohlfahrt. Heute darf ich, Ulli Nissen, Sozialdemokratin, Frauenpolitikerin und, nicht zu vergessen, AWO-Mitglied, meine erste Rede im Deutschen Bundestag halten,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und dann noch zum wichtigen Bereich Wohnen. Es ist für mich wirklich eine sehr große Ehre, heute hier reden zu dürfen.

Ich kann mir kein Thema vorstellen, zu dem ich lieber reden würde. Denn für mich als Frankfurter Abgeordnete ist ausreichender bezahlbarer Wohnraum von zentraler Bedeutung. Es gibt immer mehr Regionen in Deutschland, wo Wohnraum knapp wird. Seit Jahren erleben wir in Städten wie München, Frankfurt und Hamburg, dass gutes Wohnen immer mehr zum Luxus wird. Ich erlebe es vor Ort in meinem Wahlkreis. Frankfurt ist einer der teuersten Ballungsräume Deutschlands. Inzwischen ist es fast der Normalfall, dass 30 bis 40 Prozent des Haushaltseinkommens für Wohnen ausgegeben werden. Bei manchen einkommensschwachen Familien ist es schon jeder zweite Euro.

Die Bevölkerung Frankfurts wächst, wie die vieler anderer Städte auch, jährlich um mehr als 10 000 Menschen. Wir haben jetzt schon nicht genügend Wohnraum für diese Personen. Was bedeutet es, wenn wir nicht handeln? Die Mieten steigen weiter. Wer eine neue Wohnung braucht, weil sich zum Beispiel die Lebensumstände ändern, kann kaum mehr im angestammten Umfeld bleiben. In Frankfurt zum Beispiel kommen bei einer attraktiven Lage einer Wohnung mehr als 100 Bewerberinnen bzw. Bewerber auf eine Wohnung. Zum Teil werden bei Wiedervermietungen mehr als 50 Prozent aufgeschlagen. Wer kann sich das noch leisten?

Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Mieten ins Unermessliche steigen, ganze Stadtteile komplett umstrukturiert werden und sich deren Charakter verändert. Familien, Rentner, Studenten und Normalverdiener in Frankfurt – ich denke, auch in vielen anderen Großstädten – können sich viele Stadtteile nicht mehr leisten. Das haben wir gerade in Frankfurt durch den Neubau der Europäischen Zentralbank erlebt: Den „betroffenen“ Stadtteil Ostend kann sich kaum noch ein Mensch leisten.

Ich bin sehr viel im Wahlkreis vor Ort unterwegs, und immer wieder kommen Menschen verzweifelt auf mich zu, die mir sagen: Ich kann mir meine Wohnung nicht mehr leisten. – Dazu tragen auch Luxussanierungen bei. Gentrifizierung ist eine Folge. Dagegen müssen wir vorgehen. Wir brauchen nicht nur mehr bezahlbaren Wohnraum, sondern auch dringend Regulierungen. Denn die Situation in den betroffenen Gebieten wird nicht besser, auch bedingt durch die steigende Zahl von Einpersonenhaushalten. Aufgrund des demografischen Wandels brauchen wir auch – das ist heute schon öfter angesprochen worden – dringend mehr generationengerechte Wohnungen.

Wir müssen dringend handeln, und das tut die rot- schwarze Bundesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Im ersten Schritt kommt die Mietpreisbremse. Bei einer Wiedervermietung kann künftig in Ballungsräumen die Mieterhöhung auf maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt werden. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt, insbesondere für Frankfurt. Dass dies eines der ersten Vorhaben der rot-schwarzen Koalition ist, zeigt, wie wichtig uns Mieterinnen und Mieter sind.

Sinnvoll wäre es, auch beim Mietspiegel Änderungen vorzunehmen, indem bei der Berechnung der Vergleichsmiete alle Mieten und Mieterhöhungen herangezogen würden.

Die Maklergebühren müssen dringend neu geregelt werden. Wichtig ist: Wer bestellt, bezahlt. Die dementsprechende Änderung müssen wir ganz dringend vornehmen, und ich bin froh, dass wir das machen.

Die Modernisierungskosten sollen künftig nur noch in Höhe von bis zu 10 Prozent auf die Mieter umgelegt werden, und dies auch nur bis zur Amortisation der Kosten. Dies haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten lange gefordert. Ich bin froh, dass wir das in die rot-schwarze Koalitionsvereinbarung aufgenommen haben.

(Beifall bei der SPD – Henning Otte [CDU/ CSU]: Andersrum!)

Durch eine Neuregelung des Wohngelds wollen wir die Leistungen verbessern und es an die Bestandsmieten- und Einkommensentwicklung anpassen. Notwendig ist hier auch wieder eine Energiekostenkomponente.

Verbesserungen beim Programm „Soziale Stadt“ werden dazu beitragen, dass mehr Brennpunkte Hilfe erhalten. Die letzte Bundesregierung hatte die Mittel dieses erfolgreichen Programms drastisch gekürzt. Ich bin sehr froh, dass wir das ändern; denn das hatte fatale Folgen in vielen Stadtteilen.

Zusätzlich setzen wir auf die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus. Wir unterstützen diesen bis Ende 2019 mit jährlich 518 Millionen Euro. Diese Mittel müssen aber zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum genutzt werden und dürfen nicht für die Förderung von Wohneigentum verwendet werden; die letzte CDU-Landesregierung in Hessen hatte diese Mittel ja „fremdverwandt“.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem setze ich mich natürlich dafür ein, dass es keine weiteren Privatisierungen von öffentlichem Wohneigentum gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass die schwarz-rote – Verzeihung – rot-schwarze Koalition das angeht.

(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Ich wollte meinen Kollegen von der Großen Koalition ein kleines Bonbon geben.

Ich freue mich auf die Umsetzung und darauf, dass wir etwas im Sinne der Menschen tun.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir gratulieren der Kollegin Ulli Nissen zu ihrer ersten Rede.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3146758
Wahlperiode 18
Sitzung 17
Tagesordnungspunkt Mietenentwicklung und Wohnungsmarkt
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