20.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 17 / Tagesordnungspunkt 4

Thomas HitschlerSPD - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF)

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen heute zum letzten Mal über die Verlängerung des ISAF-Mandats ab.

(Zuruf von der LINKEN: Warten wir es doch mal ab!)

Als einige von Ihnen das erste Mal über das ISAF-Mandat abstimmten, war ich 19. Der Einsatz der Bundeswehr hat damit fast mein gesamtes bisheriges politisches Leben begleitet und auch in besonderer Weise das Leben von vielen Menschen in unserer Gesellschaft verändert und beeinflusst.

Am 11. September 2001 habe ich zu Hause auf der Couch den feigen Anschlag auf die amerikanische Nation verfolgt und gesehen, wie das World Trade Center in sich zusammengefallen ist. Ich war mir damals der Tragweite dieses feigen Anschlages in keiner Weise bewusst. Wir haben erlebt, wie der Konflikt und der Krieg zum Teil unserer Realität wurden. Plötzlich war von Krieg und von gefallenen deutschen Soldaten die Rede. Allein die öffentliche Auseinandersetzung über die Begrifflichkeit des gefallenen deutschen Soldaten hat viel in unserer Gesellschaft verändert.

Heute, fast 13 Jahre später, diskutieren wir im Bundestag zum letzten Mal über die Verlängerung des ISAF- Mandates. Ich bin mir sicher: Keiner von Ihnen hat sich die Entscheidung zu diesem Mandat bisher einfach und leicht gemacht, und das ist auch gut so. Selbst wenn der Krieg Einzug in unseren politischen Alltag gehalten hat, darf er immer nur der letzte Ausweg in einem Konflikt sein.

Ich bin mir sicher, dass es eine besondere Errungenschaft des deutschen Parlamentarismus ist – um die uns übrigens viele andere Staaten beneiden –, dass diese Einsatzfragen hier von uns Volksvertreterinnen und Volksvertretern beraten und beschlossen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese besondere Errungenschaft, der wir uns zu jedem Zeitpunkt bewusst sein sollten, müssen wir auch in Zukunft bewahren und verteidigen. Nur der Deutsche Bundestag soll darüber entscheiden dürfen, ob unsere Soldatinnen und Soldaten in Kampfeinsätze gehen.

Wenn wir heute nach Afghanistan schauen, sehen wir ein Land, das sich sechs Wochen vor einer wichtigen demokratischen Entscheidung befindet. Wahlen werden vorbereitet, und man hat den Eindruck, die Menschen freuen sich darauf. Sie wollen wählen und wollen an ihrem Staat mitwirken. Dies zeigen nicht nur die millionenfachen Registrierungen für das Wählerregister, sondern auch die Berichte, die uns unsere Einsatzkräfte vor Ort bei vielen Gelegenheiten gegeben haben. Die Wahlen werden in eigener Verantwortung und in anscheinend relativer Sicherheit durchgeführt. Drücken wir den Menschen in Afghanistan die Daumen und wünschen ihnen viel Erfolg für diese wichtige Entscheidung, vor der sie stehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Afghanistan hat sich aber auch auf den Weg gemacht, eigene institutionelle Prozesse in Gang zu bringen, eine eigene unabhängige Verwaltung zu schaffen und damit auch ein Stück Rechtsstaatlichkeit herzustellen. Es entwickelt damit hoffentlich langfristig ein Fundament, um friedlich leben zu können. Nebenher entsteht eine echte Zivilgesellschaft. Wer hätte das vor 13 Jahren gedacht, liebe Kolleginnen und Kollegen? Zusätzlich stellt man fest, dass nach jahrzehntelanger fundamentalistischer Bildungsfeindlichkeit heute wieder mehr junge Frauen und Männer Zugang zu Bildung haben. Dies ist die beste Voraussetzung und der optimale Grundstein für eine langfristige positive Entwicklung in diesem Land.

In afghanisch-deutscher Kooperation wurden Krankenhäuser gebaut, um das Gesundheitssystem wieder auf stabilere Beine zu stellen. Die enorm hohe Säuglingssterblichkeit zeigt dennoch, dass wir Deutsche weiterhin Unterstützung leisten sollten, um den Afghanen eine positive Zukunft zu geben.

(Zuruf von der LINKEN: Jawohl!)

Derzeit dienen etwa 3 000 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan. Ihnen und den zahlreichen zivilen Helferinnen und Helfern – mein Vorredner hat es gerade gesagt – gilt mein besonderer Dank und, wie ich hoffe, auch unsere besondere Anerkennung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen aber mehr tun, als einfach nur Danke zu sagen. Wir müssen uns darum kümmern, dass diejenigen, die ihr Leben in unserem Auftrag riskiert haben, nach ihrer Heimkehr die verdiente Anerkennung erhalten. Wir müssen uns darum kümmern, dass diejenigen, die es nicht unversehrt nach Hause geschafft haben, von unserem Staat dennoch eine gute Lebensperspektive erhalten. Und wir dürfen diejenigen nicht vergessen, die im Einsatz gefallen sind.

Meine Damen und Herren, der Einsatz in Afghanistan ist von besonderer Komplexität. Wir alle müssen gemeinsam anerkennen, dass Fehler gemacht wurden, und sicherstellen, dass die richtigen Schlüsse aus diesen Fehlern gezogen werden. Zeigen wir Respekt gegenüber der Leistung unserer Soldatinnen und Soldaten, und erkennen wir an, was noch zu tun ist und vor uns liegt.

Am 31. Dezember dieses Jahres wird der Kampfeinsatz enden. Niemand von uns darf naiv sein und glauben, ab diesem Zeitpunkt ist Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Muster. Es wird in Afghanistan – auch für die Bundeswehr – noch viel zu tun geben. Wir werden auch künftig als Partner zur Seite stehen und Aufbauhilfe leisten. Wir werden als Partner bei der Entwicklungszusammenarbeit und dem zivilen Aufbau eine wichtige Rolle spielen müssen.

Lieber Kollege Gehrcke, wir werden in Verhandlungen eintreten. Im Übrigen hat 2007 der Südpfälzer Kurt Beck und nicht die Linkspartei den Vorschlag unterbreitet, die Taliban an den Gesprächen zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen aber auch erkennen, dass die Diskussion über Afghanistan noch lange Zeit Teil unseres Alltags sein wird.

Junge Menschen, die heute in Afghanistan ungefähr so alt sind, wie ich es war, als der Einsatz begann, können sich nicht mehr an ein Leben ohne Krieg erinnern. Für sie stellt der Übergang vom Kampfeinsatz unserer Streitkräfte hin zu einer Unterstützungsmission einen wichtigen Wegpunkt dar – hoffentlich hin zu Frieden, Freiheit und Demokratie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Teenager im Jahr 2001 habe ich sicher keine Sekunde daran gedacht, einmal vor Ihnen um die Zustimmung für die finale Verlängerung des ISAF-Mandates bitten zu können. Nehmen Sie bitte die bisherige Bilanz des langen Einsatzes wohlwollend zur Kenntnis. Gehen Sie auch den letzten Schritt gemeinsam mit uns. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das war die erste Rede des Kollegen Thomas Hitschler im Deutschen Bundestag. Dazu gratulieren wir Ihnen herzlich.

(Beifall)

Ich nutze den kurzen Moment der Gratulation, um auf Folgendes hinzuweisen: Der Kollege Nouripour hat am Schluss seiner Rede die Fremdsprachenkenntnisse der Kolleginnen und Kollegen ein wenig überschätzt. Es ist nett, wenn man zu einem solchen rhetorischen Mittel greift; nur sollte man vielleicht auch die Übersetzung anfügen.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe die Übersetzung vorangestellt, Herr Präsident!)

– Das haben wir alle hier oben nicht mitbekommen. Da bitte ich um Nachsicht. Es ist jedenfalls auf alle Fälle so zu halten. Danke.

Wir hören als Nächste unsere Kollegin Heike Hänsel von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3146833
Wahlperiode 18
Sitzung 17
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF)
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