Heike HänselDIE LINKE - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF)
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Laut dem jüngsten Bericht der UN-Mission in Afghanistan, UNAMA, ist 2013 das schlimmste Jahr für afghanische Frauen, Mädchen und Jungen seit 2009, mit der höchsten Zahl an getöteten und verletzten Frauen und Kindern. Erneut wurden Hunderte Zivilisten von der sogenannten internationalen Schutztruppe ISAF getötet, davon allein 19 Prozent durch Luftangriffe. Was das konkret bedeutet, zeigt die Aussage eines Arztes über ein vierjähriges Mädchen, das nach einem Luftangriff in ein Krankenhaus gebracht wurde: Fast ohne Gesicht, beide Augen verloren; ihre gesamte Familie wurde getötet, als das Fahrzeug, in dem sie fuhren, bei einem Luftangriff bombardiert wurde. – In Afghanistan wird täglich getötet und gestorben, und deswegen fordert die Linke seit 13 Jahren ein Ende dieses Krieges und einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU]: Die Taliban töten auch!)
– Genau, weil wir in einer Kriegssituation sind.
Übrigens sind allein im letzten Jahr 4 600 afghanische Soldaten und Polizisten getötet worden. Ich finde, das muss man hier, weil Sie jetzt immer auf die Sicherheitsstrukturen der Afghanen setzen, auch mal erwähnen. Auch das zeigt, wie brutal es dort zugeht und wie die Sicherheitslage ist. Jetzt sterben eben afghanische Soldaten, und auch das lehnen wir ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Hinblick auf die Erreichung all der Ziele, die Sie zur Rechtfertigung dieses Krieges hier immer wieder angegeben haben und auch immer noch angeben – Entwicklung, Frauenrechte, Demokratie, Frieden –, sind Sie gescheitert. Der Afghanistan-Krieg hat mindestens 70 000 Menschen das Leben gekostet. Das Land zählt immer noch zu den ärmsten Ländern der Erde, und das trotz milliardenschwerer Entwicklungsprogramme. Das zeigt, dass wir unter der Bedingung von Besatzung und Krieg keine nachhaltige Entwicklung ermöglichen können; das muss doch die Erkenntnis sein.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Und was habe ich letzte Woche von Außenminister Steinmeier gehört? Seine Erkenntnis aus dem Afghanistan-Krieg ist: Wir müssen jetzt bessere Militäreinsätze planen, müssen uns besser koordinieren und die zivil- militärische Vernetzung verbessern. – Das ist doch keine angemessene Konsequenz aus diesem Krieg. Die Konsequenz muss sein, dass wir die Bundeswehr generell nicht ins Ausland schicken und militärische Interventionen ablehnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Alle danken hier immer – ich muss sagen, sehr ritualhaft – den deutschen Soldatinnen und Soldaten.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar nicht ritualhaft, sondern tatsächlich!)
Ich möchte heute einmal den Friedensaktivisten danken, die sowohl in Deutschland – übrigens auch heute vor dieser Debatte wieder – als auch in Afghanistan und weltweit über Jahre hinweg auf die Straße gegangen sind und gegen diesen Krieg demonstriert und protestiert haben, die afghanische Friedenskräfte vor Ort unterstützen und über 13 Jahre hinweg versucht haben, Alternativen zu entwickeln und zu zeigen, dass es nicht darum gehen kann, den Krieg zu gewinnen; wir müssen den Frieden gewinnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie reden jetzt viel von internationaler Verantwortung. Ich frage mich: Warum übernehmen Sie nicht erst einmal Verantwortung für das, was in Afghanistan passiert ist, für die Tausenden von Toten, für die auch die ISAF-Schutztruppe verantwortlich ist? Meine Kollegin hat es angesprochen: Für die Angehörigen der Opfer, der Toten des Kunduz-Angriffes – Sie sprachen von einem „verantwortungsvollen Handeln“ der Bundesregierung, Herr Beyer – gab es eine Entschädigung von 5 000 US- Dollar. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Sie verstecken sich hinter Gerichtsbeschlüssen. Das ist wirklich beschämend. Das ist keine menschenwürdige Unterstützung für die Hinterbliebenen.
(Beifall bei der LINKEN)
Warum übernehmen Sie eigentlich keine Verantwortung für den schmutzigen Drogenkrieg, den die USA in der Grenzregion Pakistan/Afghanistan, und übrigens auch in Afrika, führen? Er wird auch von deutschem Boden aus geführt, nämlich von den US-Kommandozentralen AFRICOM und EUCOM in Stuttgart. Das könnten Sie hier unterbinden. Ich frage mich, warum diese Einrichtungen nicht längst geschlossen worden sind; denn sie sind verantwortlich für diesen schmutzigen Krieg und den Tod von Hunderten von Zivilisten in Afghanistan und Pakistan.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Linke fordert einen vollständigen Abzug aus Afghanistan und keine dauerhafte Besatzung mit US-Truppen von bis zu 10 000 Soldaten über Jahre hinweg, wie das geplant ist. Man spricht vom Jahr 2024, und falls es die Sicherheitssituation erfordert, auch noch über diesen Zeitraum hinaus. Wir wollen einen vollständigen Abzug aus Afghanistan und keine dauerhafte Besatzung. Wir wollen, dass afghanische Friedenskräfte, die eine mutige Arbeit machen, aber bislang wenig unterstützt werden, endlich die Unterstützung bekommen, die sie benötigen.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Henning Otte, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3146834 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF) |