Henning OtteCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir im Deutschen Bundestag zum letzten Mal die Mandatierung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen der ISAF. Der Kampfeinsatz der Bundeswehr zusammen mit vielen Nationen zur Befriedung Afghanistans wird Ende 2014 beendet sein.
Bevor man ein Fazit aus ISAF zieht, sollten wir uns vergegenwärtigen, dass der Gesamteinsatz für die Sicherheit Afghanistans noch lange nicht zu Ende sein wird.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!)
Die internationale Gemeinschaft ist bereit, weiterhin einen Beitrag zur Stabilisierung zu leisten – sofern das Land Afghanistan dies will, sofern die Bedingungen für die deutschen Soldaten stimmen und sofern die USA als unsere Partner dies leisten wollen.
Was wäre wohl aus diesem Land und der gesamten Region geworden, wenn die internationale Gemeinschaft nicht bereit gewesen wäre, Verantwortung zu tragen? Frau Hänsel, Sie haben von Besatzung gesprochen. Überlegen Sie bitte: Was war denn mit den Steinigungen in den Stadien?
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und heute gibt es keine Steinigungen mehr?)
Was war denn mit den Anschlägen in New York mit den vielen Toten? Die nehmen Sie offensichtlich billigend in Kauf. Das ist beschämend.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der internationale Terrorismus hätte Deutschland weiterhin bedroht. Der Beitrag der Bundeswehr und der alliierten Streitkräfte hat zu einer Befriedung Afghanistans und damit zur Stärkung der Sicherheit auch Deutschlands beigetragen. Das ist ein Erfolg.
Wir danken dafür unseren Soldatinnen und Soldaten. Wir danken dafür den Polizisten und auch den zivilen Helfern aus Deutschland, die bereit waren, für die Sicherheit unseres Landes diesen sehr herausfordernden Dienst zu leisten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege Otte, der Kollege Ströbele hat den Wunsch nach einer Zwischenfrage bzw. einer Zwischenbemerkung. Wollen Sie das zulassen?
Ich würde gerne mit meiner Rede fortfahren, Herr Präsident.
Viele Fortschritte – die sollte sich Herr Ströbele erst anhören –
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
sind in diesem Land erzielt worden. Beispielsweise wurde im deutschen Zuständigkeitsbereich ein Flughafen als Lebensader gebaut. Freie Parlamentswahlen stehen unmittelbar bevor. Das Land Afghanistan ist, so wie von unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert, bereit zur Übernahme der Verantwortung für das eigene Land.
Wir können feststellen, dass sich die Situation in Afghanistan grundlegend verbessert hat. Das haben gestern im Verteidigungsausschuss nicht zuletzt die Ausführungen des zuständigen deutschen Generals im Regional Command North mehr als verdeutlicht. Aus dem Ansatz der vernetzten Sicherheit, der von Deutschland aus in der NATO und damit auch in Afghanistan implementiert worden ist, ist eine weitgehend selbsttragende Sicherheitsstruktur entstanden, die von den Afghanen nun selbst permanent weiterentwickelt werden muss. Sie wollen diese Sicherheitsstruktur auch weiterentwickeln. Die Menschen in Afghanistan sind nicht zuletzt durch die Unterstützung Deutschlands in die Lage versetzt worden, ihr Leben selbst zu gestalten. Das ist ein Fortschritt. Diesen Fortschritt müssen wir weiter begleiten.
Es geht darum, dass ein Land, das zu scheitern und zu zerfallen drohte, befähigt wird, eigene starke und belastbare Staatsstrukturen zu schaffen – auch ein Gewaltmonopol –, die Wachstum und Fortschritt ermöglichen. Einen wesentlichen Beitrag dazu hat die Bundeswehr geleistet: mit Profession, mit Motivation, ja, auch mit Leidenschaft. Leider mussten wir auch Opfer bringen. Ich denke gerade in dieser Stunde auch an die 55 Gefallenen und deren Familien. Wir werden sie nicht vergessen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Sie sind uns gleichsam Mahnung und Verpflichtung, wenn es um die zukünftige deutsche Sicherheitspolitik geht. Wir müssen uns zukünftig stärker von vornherein darüber klar werden, wo und wofür wir uns engagieren. Diplomatie und Entwicklungshilfe müssen immer Vorrang vor militärischen Mitteln haben. Aber wenn Soldaten eingesetzt werden, dann müssen die Handlungsanweisungen klar und am Auftrag orientiert sein. Auch hier haben wir gelernt.
Die Einsätze auf dem Balkan, aber vor allem die Einsätze in Afghanistan haben aus der Armee der Einheit eine Armee im Einsatz gemacht. Die Ausrüstung ist mit großer Kraftanstrengung auf ein Niveau gebracht worden, welches auch den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Hier sind wir top.
In diesem Zusammenhang möchte ich von einem Truppenbesuch im letzten Jahr in Afghanistan berichten. Wir wurden von dem militärischen Seelsorger gebeten, am Ehrenhain für gefallene Soldaten eine Kerze anzuzünden. Die Kollegin der Linken hat dies verweigert. Ungeachtet der Leistungen und der Opfer, die unsere Soldaten für die Sicherheit und den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger erbracht haben, sieht sich die Fraktion Die Linke nicht in der Lage, Menschlichkeit und Anteilnahme zu zeigen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Jetzt überlegen Sie doch mal!)
Stattdessen bedienen Sie sich auch heute um Ihrer selbst willen Klischees. Damit erhalten Sie sich offensichtlich eine feste Wählerstruktur.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Genau darum geht es denen nur!)
Sie sind als Linke nicht in der Lage, Verantwortung für unser Land zu tragen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Diese Verantwortung wollen wir nicht!)
Die Bundeswehr ist in der Lage, der Politik die Mittel und Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, die für Einsätze im Sinne einer vernetzten Sicherheit je nach Intensität und zeitlicher Dauer erforderlich sind. Das ist exemplarisch in Afghanistan zu sehen: Wir bilden beispielsweise ANA-Kräfte aus, es gibt Kampfeinsätze, es gibt aber auch begleitende Schulungen für die Sicherheitskräfte. Um der Politik diese Möglichkeiten an die Hand zu geben, muss die Bundeswehr auch zukünftig über das gesamte Spektrum der Fähigkeiten verfügen. Das ist der Grund, warum die Neuausrichtung der Bundeswehr an dem Ordnungsmerkmal „Breite vor Tiefe“ ausgerichtet ist. Diese Ausrichtung erfolgt anhand der sicherheitspolitischen Notwendigkeit, der sicherheitspolitischen Realität und des sicherheitspolitischen Anspruchs.
Deutschland profitiert wie vielleicht kein anderes Land von der freien Welt. Wir müssen bereit sein, uns dafür einzusetzen, dass die Welt so frei und so gut es geht auch sicher bleibt. Daher bin ich den Rednern, insbesondere unserem Bundespräsidenten, unserer Verteidigungsministerin und unserem Bundesaußenminister, für die Worte bei der Sicherheitskonferenz in München dankbar.
Das Prinzip der Rahmennation hat sich bewährt und spiegelt sich in der zukünftigen Struktur der Bundeswehr wider, die wir entsprechend weiterentwickeln wollen. Wir haben ein sehr tragfähiges Gleichgewicht zwischen sicherheitspolitischer Verantwortung und finanzieller Reichweite erreicht. Wir haben die richtigen politischen und strukturellen Schlüsse gezogen. Es hat sich auch gezeigt: Die Menschen in Deutschland verstehen den Einsatz der Bundeswehr, wenn wir ihnen mit Klarheit und Wahrheit erklären, warum und wo unsere Streitkräfte eingesetzt sind.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Warum tun Sie das dann nicht?)
Wir haben am KFOR-Einsatz gesehen, dass die Einsätze nicht als beendet erklärt werden können, ehe nicht alle Soldaten wieder nach Hause, zurück in unser Land gekommen sind. In diesem Sinne müssen die zukünftigen Mandate für Afghanistan sorgfältig an der tatsächlichen Lage ausgerichtet sein. Das vorliegende Mandat erfüllt diesen Anspruch. Daher wird die CDU/CSU- Fraktion zustimmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden jetzt noch zwei Kurzinterventionen hören, bevor wir in der Debatte fortfahren. Kollege Otte, Sie haben die Möglichkeit, auf diese zu reagieren.
Als Erstes hat der Kollege Hans-Christian Ströbele das Wort zu einer Kurzintervention.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Hätte mich auch gewundert, wenn nicht!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3146840 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF) |