20.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 17 / Tagesordnungspunkt 4

Julia ObermeierCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute und vergangene Woche haben wir hier im Hohen Hause über die vielen positiven Entwicklungen, die ISAF bewirkt hat, gesprochen.

Den Menschen in Afghanistan geht es heute zum überwiegenden Teil deutlich besser als vor zwölf Jahren. Die Kindersterblichkeit hat sich halbiert, die Lebenserwartung hat sich erhöht, und das Bruttoinlandsprodukt hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt. Für mehrere Millionen Menschen gibt es neue Straßen und Brücken, Stromversorgung, Trinkwasser und Internetanschlüsse.

Im afghanischen Parlament sitzen 28 Prozent Frauen. Bei den Provinzratswahlen im April treten über 300 Frauen an.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist ja mehr als bei der CDU!)

Unter den 200 000 ausgebildeten Lehrkräften sind 61 000 Frauen. Während 2001 nur knapp 1 Million Jungen in Afghanistan zur Schule gingen, lernen heute 9,2 Millionen afghanische Schulkinder Lesen und Schreiben – darunter 39 Prozent Mädchen.

Auch wenn es im Bereich der Frauenrechte in Afghanistan noch großen Verbesserungsbedarf gibt: Hier wächst eine gebildete und vielversprechende Generation heran, die eines Tages Verantwortung in ihrem Land übernehmen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist allerdings anders als bei der CDU!)

Die junge Generation, die mit Unterstützung der ISAF heranwächst, gibt Anlass zur Hoffnung. Trotzdem zeigt uns der Fortschrittsbericht der Bundesregierung viele Bereiche auf, die aktuell und auch in Zukunft eine große Herausforderung bedeuten und unsere Anwesenheit weiterhin sinnvoll machen. Die aktuelle Lage entspricht sicherlich nicht in allen Bereichen den Zielen, die wir mit unseren Verbündeten auf dem gemeinsamen Weg formuliert haben. Nicht immer haben wir die Ereignisse treffend beurteilt. Mitunter haben wir, daraus ableitend, Ziele zu hoch gesetzt, auch wenn wir viel erreicht haben.

Deutschlands historisch gewachsene Erfahrung in Afghanistan und die noch 2001 bestehenden institutionellen sowie persönlichen Kontakte beschränkten sich damals im Wesentlichen auf Kabul sowie den paschtunischen Osten des Landes. Gleichwohl ließen wir uns aufgrund der dort seinerzeit herrschenden vermeintlich schlechteren Sicherheitslage dazu hinreißen, einer Stationierung in dem als ruhiger wahrgenommenen multiethnischen Norden zuzustimmen.

Wir setzen künftig auf eine stärkere Vernetzung. Zukünftig könnten uns auch mehr Gelassenheit bei der Lagebeurteilung und das Ertragen von zum Teil künstlich aufgebautem Druck durch unsere Verbündeten in eine bessere Position bringen. Genau das tun wir.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was soll das heißen? – Gegenruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das weiß sie doch selber nicht! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Das hat man ihr aufgeschrieben!)

Damit meine ich, dass unsere Bündnispartner manchmal dazu neigen, uns vorzuwerfen, wir würden uns „too little, too late“, also übersetzt: zu langsam, zu wenig beteiligen.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Oh ja!)

Wir sind jedoch der zweitgrößte Beitragszahler in der NATO. Andere Staaten nutzen die NATO für ihre Interessen ganz klar aus. Wir tun das nicht. Wir haben auch innerhalb der NATO-Befehlsstruktur nicht die Posten inne, die eigentlich unserem finanziellen Beitrag entsprechen würden.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Worum geht es jetzt eigentlich?)

Das liegt aber auch daran, dass wir nicht die Ersten sind und ganz sicher auch nicht die Ersten sein wollen, die „boots on the ground“ sofort Soldaten entsenden.

Mit „mehr Gelassenheit bei der Lagebeurteilung“ meine ich: Wir zahlen erstens unseren Beitrag, nutzen zweitens unsere Macht nicht für unsere Zwecke aus und haben drittens eine Parlamentsarmee. Wir entscheiden also nicht von heute auf morgen, unsere Truppen zu entsenden, sondern wir entsenden erst, nachdem das Parlament entschieden hat.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Anders geht es auch nicht! Das wäre rechtswidrig!)

Dass Krieg nicht erst nach Ausrufen des Verteidigungsfalles für deutsche Soldatinnen und Soldaten zur Tagesrealität werden kann, wissen wir seit unseren Einsätzen auf dem Balkan. Wie wichtig, ja überlebenswichtig eine moderne Ausrüstung ist, mussten wir in Afghanistan erleben. Bei unseren Rüstungs- und Ausrüstungsprojekten sollten wir stets im Blick haben, was unseren Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Umsetzung ihres Auftrags bei höchster Sicherheit ermöglicht. Genau das tun wir auch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kommen wir dem nicht nach, werden wir zukünftig immer größere Schwierigkeiten haben, Menschen für den faszinierenden, für die Sicherheit unseres Staates unabdingbaren, aber auch lebensgefährlichen Beruf der Soldatin oder des Soldaten zu gewinnen.

Bei der zukünftigen Formulierung konkreter Einsatzziele sollten wir stets deren Umsetzbarkeit und Erreichbarkeit vor Augen haben und diese auch entsprechend kommunizieren. Darauf werden wir besonders achtgeben. Diese Schlüsse ziehen wir aus unserer bisherigen Beteiligung in Afghanistan für ihre Fortsetzung sowie für mögliche zukünftige Missionen andernorts.

Kommendes Jahr jährt sich der erste offizielle deutsche Kontakt mit Afghanistan durch die Niedermayer- Mission zum hundertsten Mal. In diesem vergangenen Jahrhundert hat Deutschland über viele Jahre hinweg zu den Stämmen am Hindukusch Kontakt gehalten, die wir heute als Afghanistan kennen, die wir aber in unserer Wahrnehmung – stark verkürzt – erst seit 2001 betrachten.

Lange Zeit waren wir in der Entwicklungs- und Wirtschaftshilfe in Afghanistan tätig. Wir wollen diese alte freundschaftliche Verbundenheit zum afghanischen Volk fortsetzen. Bundesminister Gerd Müller hat dazu vergangene Woche den Fahrplan für 2015 und darüber hinaus aufgezeigt. Bis 2016 werden wir bis zu 430 Millionen Euro pro Jahr in die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung Afghanistans investieren. Das ist wichtig und richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich darf daran erinnern: Fast auf den Tag genau heute vor 25 Jahren verließ die Rote Armee Afghanistan, nach neun Jahren Besatzung, die sie selbst als Hilfe deklariert hatte. Sie ließ das afghanische Volk im Stich.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Hätte sie dableiben sollen? Was ist das für eine Logik?)

Die Folgen waren Bürgerkrieg, Unsicherheit und hunderttausendfacher Tod.

Diesen Fehler sollten wir nicht wiederholen, und das werden wir auch nicht. Unsere Aufgabe in Afghanistan ist noch nicht beendet. Es ist auch unsere moralische Pflicht, den Prozess der vollständigen Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die 350 000 afghanischen Sicherheitskräfte geordnet zu Ende zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Damit schaffen wir die Voraussetzung, dass sich das Erreichte manifestiert und darauf aufbauend dem afghanischen Volk eine gute Zukunft ermöglichen kann. Diesen Prozess möchten wir auch über 2014 hinaus begleiten. Innerhalb der NATO planen wir dazu eine Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission.

Kollegin Bartz, achten Sie auf die Zeit? Sonst geht das auf Kosten der Kollegin Pfeiffer.

Ich komme zum Schluss. – Sehr geehrte Damen und Herren, mit meinem Werben für eine Verlängerung des Mandats würdige ich insbesondere den unermüdlichen Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten, aber auch den unserer zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit größtem Engagement und unter größten Strapazen für sie selbst und ihre Familien haben sie in Afghanistan ein Umfeld geschaffen, in dem sich wie schon in den 20er-, 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erste Erfolge bei Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung entwickeln konnten.

Es gilt, diesen Erfolg gerade nach den von uns selbst gemachten Erfahrungen in Afghanistan zukünftig abzusichern und auch der nächsten afghanischen Regierung dabei zu helfen, den beschrittenen Weg fortzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat die Kollegin Sibylle Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3146880
Wahlperiode 18
Sitzung 17
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF)
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