20.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 17 / Zusatzpunkt 5

Matthias MierschSPD - Aktuelle Stunde zur Zulassung von Genmais

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Frage einen offenen Dissens innerhalb der Bundesregierung.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die SPD hat verloren!)

Wir haben, Frau Kollegin Lemke, eine Erfahrung gemacht, die auch Ihnen, glaube ich, nicht ganz fremd ist, wenn man politische Verantwortung übernimmt. Ich glaube sogar, Sie waren damals, als es um die Novellierung des Gentechnikrechts ging, Berichterstatterin, und ich war als Sachverständiger im Deutschen Bundestag. Ich habe den Eindruck, bei den damaligen Entscheidungen wollten die Grünen andere Regelungen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat die SPD damals nicht auch schon verloren? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da stand die SPD ganz woanders!)

Aber Sie waren in Verantwortung, und Sie mussten Kompromisse schließen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Mit der SPD, Kollege Miersch!)

– Mit der SPD. Trotzdem finde ich, wir haben ein Gentechnikrecht – eben haben Sie es noch gelobt –, das richtig klasse ist. Darauf können wir auch stolz sein.

(Beifall bei der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heißt das also, wenn die SPD die Regierung führt, dann ist sie für Gentechnik, und wenn sie der kleinere Partner ist, dann ist sie dagegen? Das ist doch Heuchelei!)

Was ich sagen will, ist: Wenn man politische Verantwortung übernimmt, dann kann man sich in bestimmten Punkten durchsetzen. Aber es gibt eben auch Themen, bei denen man sich vielleicht nicht durchsetzen kann. Dann muss man um den besten Weg ringen, Herr Hofreiter; dazu lade ich Sie ein. Denn eines steht fest: Wir haben in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, dass die unterzeichnenden Parteien die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der Grünen Gentechnik anerkennen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Es wäre schön gewesen, wenn Sie das auch gemacht hätten!)

Ich kann nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Als Abgeordneter des Deutschen Bundestages kann ich es nicht akzeptieren, wenn sich die Bundesregierung bei einer zentralen Zulassungsfrage enthält. Das ist keine Haltung.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Koalitionskrise! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie hat denn die SPD abgestimmt, als wir das Thema im Bundestag hatten? – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn damals mit Ja gestimmt?)

Ich glaube, dass es legitim ist, dass der Ball dann, wenn sich die Bundesregierung nicht verständigen kann, wieder beim Parlament liegt, dass wir dann offen darum ringen müssen, was es für uns heißt, dass wir die Vorbehalte anerkennen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben unseren Antrag damals abgelehnt! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie haben Sie denn im Bundestag abgestimmt, Herr Miersch?)

Ethische Fragen sind die Sternstunden des Parlaments. Deswegen, Herr Hofreiter:

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wie haben Sie denn nun hier im Parlament abgestimmt? – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Der ist schon bei Schwarz- Grün!)

Ich lade Sie ein – das wäre meine Bitte –, dass wir gemeinsam überlegen, wie wir eine solche Situation künftig verhindern können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hätten Sie anders abstimmen müssen!)

Ich bin fest davon überzeugt, dass von dieser Brüsseler Entscheidung ein Signal ausgehen wird und wir in den nächsten Wochen mehrere Anträge auf Zulassung bekommen werden.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Richtig!)

Ich möchte diese Debatte nicht vor dem Hintergrund eines Antrags der Grünen, der Linken, der SPD oder der CDU/CSU führen – denn dann müssten wir alle wieder in unsere Gräben –,

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, das hat doch damit gar nichts zu tun! Lasst uns das doch sachorientiert machen!)

vielmehr ist mir diese Frage so wichtig, dass ich Sie – alle zusammen – einladen möchte, Herr Ebner, gemeinsam mit uns nach einer Lösung zu suchen. Bei den Biopatenten haben wir das zusammen geschafft.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Das war gut!)

Lassen Sie uns in den nächsten Wochen überlegen, ob wir hier eine breite Debatte über die Fragen der Ethik hinbekommen, auch über die Fragestellung, die Herr de Vries angesprochen hat. Ich habe dazu eine völlig andere Meinung, auch aus anwaltlicher Erfahrung: zum Beispiel in dem Fall, dass Landwirt gegen Landwirt steht.

Ich möchte mit Ihnen gerne über eine Konsultationspflicht reden: dass dann, wenn man sich innerhalb der Bundesregierung nicht verständigen kann, das Parlament zumindest befragt werden muss. Ich bin mir sicher: Jeder von uns hat eine Haltung, und zwar keine Enthaltung, sondern eine klare Position: ja oder nein. Diese Debatte wünsche ich mir, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist doch Augenwischerei! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das Parlament befragt!)

Ich bitte die Bundesregierung darüber hinaus, Frau Staatssekretärin, zu prüfen, ob die Gründe, die Ministerin Aigner damals bei der Maissorte MON 810 angeführt hat, nicht auch jetzt zutreffen: ob die Gesundheitsrisiken nicht derart massiv sind, dass man für ein nationales Anbauverbot plädieren muss.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie machen keine Debatte!)

Das Dritte, was ich mir von dieser gruppenübergreifenden Debatte wünsche, ist ein Diskurs darüber, wie wir die europäische Rechtsetzung zukünftig mit beeinflussen wollen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ihr nicht einmal diese Abstimmung hinkriegt?)

Ich glaube, dass man über eine Opt-out-Klausel, wie sie die CSU, aber auch SPD-Agrarminister wie Till Backhaus jetzt ins Spiel bringen, zumindest debattieren muss, wenn die Zulassung auf europäischer Ebene in die Hose gegangen ist.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hättet ihr doch was gestalten können!)

Diese Debatte, Herr Ebner, wünsche ich mir. Ich glaube, wenn wir sie in diesem Haus sachlich führen, werden wir dem großen Thema „Gentechnik in der freien Natur“ gerecht.

Ich lade alle ein, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Gentechnikgesetz einmal zu lesen. Ich bin mir sehr sicher: Uns allen wird bewusst, dass es ähnlich wie in der Debatte über Stammzellen oder über das Klonen um urethische Fragestellungen geht, die wir in diesem Parlament dringend diskutieren müssen, wenn wir unserer Aufgabe als Abgeordnete gerecht werden wollen. Wir können uns bei dieser wichtigen Frage nicht enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Kollege Artur Auernhammer hat nun für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3146994
Wahlperiode 18
Sitzung 17
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Zulassung von Genmais
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