Helga Kühn-MengelSPD - Patientenberatung
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen es: Das Wort „Patient“ ist lateinischen Ursprungs und hat zu tun mit Dulden, Leiden und Geduldhaben. Das wird auch in diesem Gesundheitssystem verlangt. Es ist zwar sehr gut ausgestattet und steht im Prinzip auch weltweit gut da, aber die Patientinnen und Patienten bzw. die Versicherten, die sich in diesem Gesundheitssystem bewegen, müssen teilweise sehr viel Geduld haben.
Sie müssen etwa lange warten, wenn sie Einsicht in Behandlungsunterlagen nehmen wollen, oder sie erleben, wenn sie das endlich tun konnten und die rechtliche Klärung eines Behandlungsfehlers angehen wollen, wie sie von den Gutachtern der Gegenseite immer wieder gefordert und in ganz schwierige Situationen gebracht werden.
Sie müssen Geduld haben beim Warten auf einen Facharzttermin.
Psychisch kranke Menschen, die Psychotherapie benötigen, müssen warten, wenn sie zu der Gruppe der – ich sage das in Anführungsstrichen – „nicht Wartezimmer-fähigen“ Patienten gehören, ein Ausdruck, über den man wirklich nachdenken muss.
Sie müssen Geduld haben als gestresste, körperlich und seelisch kranke Mütter, deren Antrag auf eine Mutter-Kind-Kur abgelehnt wurde.
Sie müssen sich als Privatversicherte damit auseinandersetzen, dass ihnen bestimmte Leistungen, zum Beispiel eine ambulante Reha oder die Komplexleistung Frühförderung, verwehrt werden.
Demenziell Erkrankte, die eine gerontopsychiatrische Reha haben müssten, erhalten sie nicht.
Ganz schwierig wird es im zahnärztlichen Bereich, wo Patientinnen und Patienten gar nicht mehr durchblicken, was Regelleistung und was IGeL-Leistung ist und warum sie hohe Zuzahlungen leisten müssen. Die UPD stellt in diesem Zusammenhang fest, dass nirgendwo so viel begutachtet wird wie im privatärztlichen Bereich.
Nicht zuletzt gibt es auch die Patientinnen und Patienten, die sehr viel Geduld haben müssen, wenn sie im Krankengeldbezug sind, aber von der Krankenkasse in den Rentenbezug abgedrängt werden sollen.
Und viele wollen nach ihrem Krankenhausaufenthalt wissen, wie es weitergeht. Wir kennen die Studien: Über 50 Prozent wissen an dieser Stelle nicht, was dann folgt.
Wir alle müssen viel Geduld haben, wenn zum Beispiel der Gemeinsame Bundesausschuss sechs bis sieben Jahre braucht, um eine neue Leistung in den Leistungskatalog aufzunehmen. Denken wir zum Beispiel an die Knochendichtemessung. Wenn so etwas endlich Leistung der Krankenkasse wird, dann erleben wir, wie geschehen, dass auf einmal in diesem Bereich doch wieder eine IGeL-Leistung angeboten wird, die mehr bringt als die Kassenleistung. In diesem Bereich herrscht also sehr viel Intransparenz.
All die Fälle, von denen wir als Gesundheitspolitiker und -politikerinnen Kenntnis erhalten, laufen erst recht und in größerer Zahl bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland auf. Diese erfreut sich über die Jahre hinweg zunehmender Akzeptanz. Wie gesagt handelte es sich um ein rot-grünes Projekt, zunächst ein Modellprojekt, das dann vor ein paar Jahren in die Regelleistung überführt wurde. Es ist nun Bestandteil einer ganzen Kette zur Stärkung von Patientenrechten. Dazu gehört auch die Stärkung der Selbsthilfe. Ich rechne auch das IQWiG und vor allem die dritte Bank im Gemeinsamen Bundesausschuss dazu. Ich wünsche mir, dass endlich auch die Patientenvertreter und -vertreterinnen ein Stimmrecht bekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber nicht alles, was wir uns wünschen, konnten wir im Koalitionsvertrag durchsetzen.
Auf jeden Fall ist festzustellen, dass die UPD enorme Kompetenzen in diesen Jahren entwickelt hat. Dazu zähle ich Qualitätssicherung, hohe Standards und Evaluationen, zum Beispiel Auseinandersetzungen mit der Frage, welche Patienten wir erreichen und welche nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Natürlich muss sich die PKV stärker beteiligen. Natürlich müssen wir über die Beziehungen zu den Krankenkassen reden. Ich stimme dem Kollegen Meier zu, dass die Erhöhung der Anzahl der regionalen Beratungsstellen auf 31 nicht die Lösung ist. Die Verdichtung des Telefonnetzes scheint auch mir sinnvoller zu sein. Die Menschen wollen nun einmal sprechen. Den Förderzeitraum auf zehn Jahre zu erweitern, mag verwaltungstechnisch und mit Blick auf die Mitarbeiter sinnvoll sein, ist aber von der Steuerung und der internen Planung her nicht unproblematisch.
Auch wir sind für eine Stärkung der UPD. Das ist zwar nicht im Koalitionsvertrag verankert; aber Koalitionspartner und -partnerinnen können sich damit auseinandersetzen, hierbei bewegen und für Veränderungen sorgen. Festgehalten im Koalitionsvertrag ist auf jeden Fall – das ist ganz entscheidend für die Versorgungslandschaft – das neue Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Entscheidend für Patienten und Patientinnen ist, dass dieses Institut in seinem Internetauftritt Krankenhausvergleiche und viele Informationen zum Gesundheitssystem auf evaluierter, harter Faktenbasis zur Verfügung stellen wird. Das ist ein wichtiger Punkt in der Versorgungslandschaft. Natürlich kann alles noch besser werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Roy Kühne.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3147111 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Patientenberatung |