20.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 17 / Tagesordnungspunkt 9

Lothar BindingSPD - Strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Linke hat die Begriffe Straftat, Strafverfolgung, Strafrecht und Gerechtigkeit sehr stark strapaziert. Ich denke, es ist klug, wenn man nur Vergleichbares miteinander vergleicht. Schauen wir einmal, wie der Antrag der Linken eigentlich beginnt:

Das stimmt.

Interessanterweise wird in diesem Antrag mit der Überschrift „Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen“ ein Schlupfloch für die kleinen Leute gefordert. Da steht nämlich, Bagatelldelikte sollten künftig nur als Ordnungswidrigkeit behandelt werden. Es geht dabei um genau diejenigen kleinen Leute mit ihren kleinen Fehlern, auf denen Sie die Begründung Ihres Antrags aufbauen. Dann müssten Sie konsequenterweise auch eine Bagatellgrenze für Schwarzfahrer und für Betrüger fordern. Sie müssen Gleiches mit Gleichem vergleichen. Dass Sie das nicht tun, führt in Ihrem Antrag zu einem logischen Fehler.

Eigentlich ist Ihr Antrag gar nicht schlecht. – Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu. –

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Interessanterweise haben Sie in der 17. Legislaturperiode etwas anderes vorgelegt, nämlich einen Antrag ohne die Forderung nach dieser Bagatelldeliktregelung. Das ist doch bemerkenswert. Interessanterweise haben wir vor zwei Jahren ebenfalls beantragt, die pauschale Straffreiheit nach einer Selbstanzeige abzuschaffen. Das geschah teilweise auch, um bestimmte Leute zu erschrecken; das stimmt. Damals hatten wir nämlich schon im Hinterkopf, dass es sich bei manchen Vergehen um Kavaliersdelikte handelt. Von Jugendsünden war die Rede. – Ich assoziiere mit „Jugendsünde“ ganz andere Sachen.

(Heiterkeit)

Steffen Kampeter hat am 26. April 2013 etwas gesagt, was auch in der Rückschau ganz anders klingt – Martin Gerster hat es hier schon einmal zitiert; ich wiederhole es gern noch einmal –:

Über einen Zierfisch könnte man ja diskutieren. Aber ich würde es doch als zu weitgehend bezeichnen, von einem Einzelfall zu sprechen, weil es nach dem Bekanntwerden dieses Falles zu 50 000 Selbstanzeigen gekommen ist. Ein Einzelfall ist es also nicht. Hier merkt man, warum die Selbstanzeige nicht funktioniert, wenn man sie nicht mit Straffreiheit verknüpft. Warum? Wenn man die Straftäter ganz korrekt verfolgen würde, würde man größenordnungsmäßig vielleicht 2 000 Straftäter finden können. Sie können die Verwaltungen aber noch so sehr aufrüsten mit noch so vielen Steuerfahndern, Buchführungshelfern, Buchprüfern, Bilanzprüfern: Sie würden immer nur eine bestimmte Zahl von Straftätern finden – nämlich die angenommenen 2 000 –; aber die anderen 50 000 würden sie nie entdecken. Sie hätten einen doppelten Schaden. Sie würden die Gauner, die Nichtentdeckten, belohnen. Die blieben nämlich straffrei, obwohl sie straffällig geworden sind; das Entdeckungsrisiko ist nämlich nahe null. Gleichzeitig hätte der Fiskus große Ausfälle. Auch das ist eine große Ungerechtigkeit.

Deshalb glauben wir: Die Strafbefreiung bei der Selbstanzeige ist ein Instrument, das auf dem Entdeckungsrisiko aufbaut, sodass insgesamt Gerechtigkeit hergestellt wird. Wir haben ja gesehen, wie es funktioniert: Wir kaufen eine CD. Einige Prominente werden entdeckt. Durch diese Kombination werden alle anderen Steuersünder sich selbst anzeigen, werden damit offen sichtbar. Dadurch kommt sozusagen eine selbstinduzierte Steuergerechtigkeit zustande. Das ist eine ganz gute Sache, um das so zu rechtfertigen.

Ich glaube, an der Stelle muss man das beachten, was Metin Hakverdi gesagt hat. Er hat nämlich gesagt: Man muss ein bisschen aufpassen, dass die Verantwortungsethik nicht hinter der Gesinnungsethik zurückbleibt. – Wir sind der Meinung: Die Verantwortungsethik gegenüber dem Staat ist so hoch, dass sich die Strafbefreiung bei der Selbstanzeige für den Staat nicht nur rechnet, sondern auch dazu führt, die Kriminellen, die andernfalls unentdeckt bleiben würden, zu entdecken. Deshalb lohnt es nicht, ein solches Gesetz, wie von Ihnen vorgeschlagen, zu beschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden natürlich eine Verschärfung der Regeln bei der Selbstanzeige herbeiführen. Wir wollen die Grenze von 50 000 Euro absenken. Wir wollen den Zuschlag, also den Strafzins, erhöhen. Wir wollen überlegen, wie wir die Menschen stärker sensibilisieren, sodass sie selbst dahin kommen, weniger Steuern zu hinterziehen. Ich glaube, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, ein Gesetz zu erarbeiten. Wir wollen die Gesetzeslage verschärfen. Wir wollen aber nicht die Straffreiheit bei der Selbstanzeige abschaffen – aus den genannten Gründen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Binding. – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Kollege Klaus Ernst.

(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Viermal war der schon dran!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3147225
Wahlperiode 18
Sitzung 17
Tagesordnungspunkt Strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung
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