Nina ScheerSPD - Energiewende im Gebäudebereich
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Energiewende im Wärmebereich ist eine sozial- wie auch umweltpolitisch herausragende Aufgabe. Insofern ist die mit dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen vorgenommene Thematisierung der Energiewende im Gebäudebereich gut und zu begrüßen.
Die Bedeutung der Energiewende im Wärmebereich findet sich auch im Koalitionsvertrag wieder, dem der vorliegende Antrag in vielen Punkten inhaltlich entspricht.
(Sönke Rix [SPD]: Da haben sie gut abgeschrieben!)
Wenn es nun aber um die Umsetzung weiterer Schritte der Energiewende im Wärmebereich geht, eröffnet dies auch die Chancen auf ein Umdenken der Politik im Wärmesektor. Ein Umdenken fehlt im Antrag der Grünen.
Ein Umdenken ist notwendig auf der Grundlage bisheriger Erfolge und Erfahrungen bei der Steigerung der Energieeffizienz sowie dem Ausbau erneuerbarer Energien.
(Beifall bei der SPD)
Ein Umdenken ist aber auch mit Blick auf die kommende neue Rolle des Wärmesektors erforderlich. Während der technologischen und akteursbezogenen Entwicklungen der letzten Jahre zeichnete sich ab, dass der Wärmesektor als kostengünstige, effiziente und somit sinnvolle Flexibilitätsoption für den Ausbau fluktuierender erneuerbarer Energien im Strombereich genutzt werden kann.
(Beifall bei der SPD)
Um diese ökonomisch sinnvollen Ansätze sowie umweltpolitischen Chancen zu nutzen und darin enthaltene Synergien auszuschöpfen, ist bei der Konzeption einer Wärmestrategie und einer Politik für eine Wärmeenergiewende mehr Systemdenken abzuverlangen.
Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus den beiden genannten Punkten? Um die CO 2 -Reduktionsziele von mindestens 40 Prozent im Jahr 2020 und langfristig eine vollständige Dekarbonisierung zu erreichen, müssen die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Wärmeenergiewende verbessert werden. Gemäß einer Studie des BBSR, des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, vom März 2013 wurde ermittelt, dass es für die Zielerreichung 2020 erstens auf Maßnahmen im Gebäudebestand ankommen wird und, zweitens, bei einer Haushaltsfinanzierung jährlich 6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden müssten. Es dürfte allen Vertretern des Hauses klar sein, dass dies gerade bei Gesprächen mit den Haushältern kein politischer Selbstläufer ist. Nichtsdestotrotz wird man in der Koalition offen darüber reden müssen, auf welchem Weg die offenkundig notwendigen Verbesserungen der ökonomischen Rahmenbedingungen erreicht werden können: ob mit haushalterischen Finanzmitteln oder mit haushaltsunabhängigen Instrumenten oder mit einem Mix aus beidem.
Bei den Effizienzmaßnahmen hat man in den letzten drei Jahrzehnten viele kostengünstige Potenziale zum Teil schon gehoben. Weitere Potenziale sind zwar noch vorhanden, aber unabhängig davon, wie sehr man die Effizienzmaßnahmen verstärkt und auch verhältnismäßig teurere Potenziale erschließt: Am Ende wird man so oder so den Restwärmebedarf durch erneuerbare Energien decken müssen.
(Beifall bei der SPD)
Man wird also heute schon die Maßnahmen für erneuerbare Energien im Wärmesektor verstärken müssen, um den aktuellen Stillstand aufzubrechen.
Insofern springt es zu kurz, schlicht die Sanierungsrate zu erhöhen. Hiermit ist für sich genommen keine Aussage über sinnvolle Effizienz- oder gar Wärmeenergiewende-Maßnahmen getroffen. Die deutsche Wärmepolitik ist bisher sehr stark von dem Fokus auf das einzelne Gebäude geprägt. Nutzt man aber die Chance, den Wärmesektor als kostengünstige Flexibilitätsoption zu erschließen, muss der Fokus auf das einzelne Gebäude verändert werden.
(Beifall bei der SPD)
Stärker müssen größere kommunale Einheiten, Quartiere oder Stadtteile, bei der Wärmeversorgung in den Mittelpunkt rücken; denn die sehr enge Systemgrenze des Gebäudes kann zu Ineffizienzen führen.
Auch wenn der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen die Quartiere benennt, lässt er eine solche systemisch- umdenkende Betrachtung nicht erkennen. Es gilt, durch Nah- und Fernwärmenetze größere Wärmequellen zu erschließen und diese gleichzeitig zu flexibilisieren, etwa mit Wärmespeichern und einer bivalenten Auslegung von Kraft-Wärme-Kopplung. Der Kraft-Wärme-Kopplung sowie der großtechnischen Anwendung von Solarthermie und Großwärmepumpen in Quartieren und Stadtteilen wird damit eine größere Bedeutung zukommen. Dänemark bietet ein gutes Beispiel dafür.
Dies bedeutet aber auch, dass man sich das Planungsrecht von Bund und Ländern genau anzuschauen haben wird und den Städten und Gemeinden bei der Planung der Wärmeversorgung eine größere Rolle zugestanden werden muss.
(Beifall bei der SPD)
Gute Ansatzpunkte hierzu finden sich etwa im Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz.
Bei der verstärkten Vernetzung des Stromsektors mit dem Wärmesektor wird man sich auch die geltenden Gesetze und Verordnungen anzusehen haben, um bestehende Hemmnisse für eine verstärkte Nutzung von sogenanntem Power-to-Heat abzubauen. An dieser Stelle sei nur kurz auf die Energieeinsparverordnung und die Berechnung des Primärenergiefaktors hingewiesen.
Zusammen mit einer verbesserten Finanzierung der Wärmeenergiewende und der eventuellen Schaffung neuer Instrumente, etwa im Rahmen der noch vorzunehmenden Umsetzung des Art. 7 der Energieeffizienz- Richtlinie, ergeben sich mit diesem neuen Fokus neue Geschäftsfelder und Geschäftsmodelle, die durch neue, vielfältige und dezentrale Akteure und Dienstleister bereitgestellt werden können. So kann und sollte eine neue Aufbruchdynamik bei der Wärmeenergiewende geschaffen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3147326 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Energiewende im Gebäudebereich |