21.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 18 / Tagesordnungspunkt 18

Petra Pau - Vorratsdatenspeicherung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit vielen Jahren diskutieren wir die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung: auf unterschiedlichen politischen Ebenen, unter Beleuchtung verschiedenster juristischer und technischer Facetten. Und das zu Recht: Handelt es sich doch bei der Vorratsdatenspeicherung um eines der kontroversesten innenpolitischen Vorhaben der letzten Jahre. Verabschiedet mit dem Ziel, die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters zur besseren Bekämpfung von Kriminalität zu nutzen, war die Vorratsdatenspeicherung von Anfang an höchst umstritten.

Auf der einen Seite steht ein scheinbarer Sicherheitsgewinn, dessen Nachweis bis heute aussteht und der sich deshalb in reiner Rhetorik zu erschöpfen scheint. Auf der anderen Seite steht die Freiheit der digitalen Kommunikation auf dem Spiel, die in einer Demokratie unerlässlich ist. Wer diese beiden Aspekte aber zum Anlass nimmt, eine Balance zwischen Freiheits- und Sicherheitsrechten zu fordern, der liegt falsch.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Was?)

Die elementaren Freiheitsrechte entziehen sich einer bloßen Abwägung mit sicherheitspolitischen Belangen, jedenfalls dann, wenn ein Nachweis für einen Gewinn an Sicherheit bis heute aussteht.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da gibt es unterschiedliche Sichtweisen, Frau Kollegin!)

Nicht die Freiheit bedarf deshalb der Rechtfertigung, sondern die Einschränkung selbiger durch die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.

In Zeiten des internationalen Terrorismus muss der Staat aber auch seiner Schutzfunktion nachkommen, ohne dass diese zum Selbstzweck wird. Einschränkungen von Freiheitsrechten können dabei notwendig werden, müssen aber strengen Kriterien unterliegen. Aus den genannten Gründen finde ich es gut und richtig, dass wir es uns mit der Vorratsdatenspeicherung nicht so einfach machen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig und wichtig, dass wir diese über all die Jahre so intensiv diskutieren.

Aber ich sage auch: Selten war diese Diskussion so entbehrlich wie heute. In ein paar Wochen wird der Europäische Gerichtshof über die Rechtskonformität der Vorratsdatenspeicherung entscheiden. Wie Grüne und Linke erfreulicherweise erkannt haben, folgt der EuGH in den meisten Fällen dem Schlussantrag des Generalanwalts, der bereits massive Bedenken hinsichtlich der Grundrechtskonformität und Ausgestaltung der Richtlinie geäußert hat.

Wenn Sie also Ihrer eigenen Argumentation folgen und in der Konsequenz an die Grundrechtswidrigkeit der Vorratsdatenspeicherung glauben, bezüglich derer ich Ihre Bedenken im Übrigen vollkommen teile: Weshalb stellen Sie dann ein paar Wochen vor Verkündung des Urteils einen Antrag auf Verhinderung der Vorratsdatenspeicherung, der zum jetzigen Zeitpunkt genauso anlasslos ist wie die Vorratsdatenspeicherung selbst?

(Beifall bei der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit Sie noch einmal klar Stellung beziehen können!)

– Genau, danke.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte!)

Denn seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2010 darf in Deutschland keine Speicherung von Daten mehr stattfinden.

Das ist Politik ohne Ziel. Das ist Politik ohne Grund. Das ist Politik, die reiner Polemik dient und die wir deshalb nicht mittragen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lieber Konstantin von Notz, Heiko Maas hat sich nicht nur kurz aufgebäumt, sondern Heiko Maas hat Anfang des Jahres mehr als deutlich gemacht, dass er die rechtlichen Bedenken zur Vorratsdatenspeicherung teilt und eine vollständige Negierung durch den Europäischen Gerichtshof nicht für ausgeschlossen hält. Sonst würden wir heute nämlich über ganz andere Probleme reden.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Und hat dann gesagt, er legt einen Gesetzentwurf vor!)

– Jetzt warten Sie doch erst einmal ab!

Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass Heiko Maas die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten wird und damit einer endgültigen juristischen Beurteilung den Vorrang vor einem mit heißer Nadel gestrickten Entwurf gibt.

(Beifall bei der SPD)

Heiko Maas hat gesagt – das hat mein Kollege eben auch schon angesprochen –, er wird die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs respektieren. Ich finde, das bedarf erst einmal keiner weiteren Interpretation.

(Beifall bei der SPD – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Bravo! Dann soll er den Entwurf vorlegen!)

Ganz persönlich teile ich Ihre Auffassung im Übrigen. Eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung kann es meiner Meinung nach deshalb nicht geben, weil diese in ihrem Kern bereits verfassungswidrig ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat das Verfassungsgericht nicht gesagt!)

– Das hat das Verfassungsgericht nicht gesagt. Deshalb entscheidet der Europäische Gerichtshof jetzt auch noch einmal darüber. Das sagte ich ja gerade.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das! – Zuruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU])

Weil ich mir der Begründetheit der verfassungsrechtlichen Bedenken genauso sicher bin wie Sie,

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sind Sie Juristin?)

vertraue ich auch auf das juristische Urteil des Gerichts, das genau das in diesem Frühjahr zu entscheiden hat.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Marian Wendt für die CDU/ CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Electoral Period 18
Session 18
Agenda Item Vorratsdatenspeicherung
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