Frank JungeSPD - Tourismuspolitischer Bericht (17. Wahlperiode)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Frau Gleicke, bin ich sehr froh darüber, dass Sie bei uns im Wirtschaftsministerium angesiedelt sind und uns Ihre Kompetenzen zur Verfügung stellen. Ich glaube, dass wir mit Ihnen an dieser Stelle eine gute Multiplikatorin haben. Wir brauchen Sie nicht im Kanzleramt.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu Beginn will ich gerne das zusammenfassen, was Sie alle auf den Punkt gebracht und mit Zahlen unterlegt haben. Der Tourismus in unserem Land ist eine Erfolgsgeschichte. Die Branche ist ein volkswirtschaftliches Schwergewicht und ein unverzichtbarer Impulsgeber für den Arbeitsmarkt. Die Prognosen – das wurde auch schon deutlich – sind überaus gut. Das bestätigt auch der Bericht, der Ihnen vorliegt, eindrucksvoll. Das ist – das muss man noch einmal sagen – zum einen das Verdienst eines überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmertums, aber es ist auch das Verdienst von circa 3 Millionen direkt Beschäftigten im Tourismus. All denen muss man einmal Dank und Anerkennung aussprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die vorliegende Analyse zeigt aber auch klar und deutlich, um welche Handlungsfelder wir uns kümmern müssen; das kam hier an vielen Stellen zum Ausdruck. Wir müssen uns den entsprechenden Problematiken stellen; denn es gibt viel zu tun. Den Erfolgsaussichten, den guten Prognosen für die Branche müssen Taten folgen, damit es zu positiven Auswirkungen auf die Branche kommt.
Saisonarbeit, unregelmäßige Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung – all das sind Faktoren, die einen Fachkräftemangel nach sich ziehen, der die Arbeitsmarktsituation in der Branche signifikant, also gefährlich beeinflusst. Wenn wir hier darüber reden, zusammen mit den Ländern, den IHK, den Verbänden und den Gewerkschaften Verbesserungen bei der Ausbildung herbeizuführen, dann – das unterstreiche ich deutlich – müssen wir auch über den Mindestlohn reden. Wir brauchen einen Mindestlohn, weil bei der Berufswahl nicht nur die Liebe zum Beruf, Frau Kassner, eine Rolle spielt, sondern auch die Frage, ob man in diesem Beruf ausreichend Geld verdienen und damit eine Familie ernähren kann.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Thema Verkehrsinfrastruktur ist auch schon einiges gesagt worden. Ich möchte kurz den Bereich Schienennetz erwähnen. Es ist natürlich so, dass der Ausbau des Verkehrs auf der Schiene dazu führen wird, dass Fernverkehrsstraßen entlastet werden, Emissionen reduziert werden etc. Aber wir werden mit der Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene auch dazu beitragen, eine neue Zielgruppe für den Tourismus zu erschließen, nämlich die Gruppe derer, die keinen Pkw haben und über den Schienenverkehr dennoch Zugang zu den Destinationen finden und vor Ort nach ihren Möglichkeiten konsumieren. Vor diesem Hintergrund ist es ganz wichtig, dass wir bessere infrastrukturelle Voraussetzungen für einen Deutschlandtakt mit aufeinander abgestimmten Anschlüssen aller Beteiligten in diesem Bereich schaffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])
Denn es ist einfach unvorstellbar ärgerlich, wenn man als Familie mit Gepäck auf einem Bahnhof steht, aber der anschließende Bus im ÖPNV gerade abgefahren ist und einen nicht zur nächsten Station bringen kann. Das verhindert ganz klar das Ausweichen auf die Schiene, das wir alle wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])
Zweitens ist klar herauszustellen, dass wir auf die Deutsche Bahn einwirken müssen, damit zum Beispiel die Fahrradmitnahme in den Zügen verbessert wird.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Fahren Sie mal mit Fahrrad und Familie mit dem Zug. Da fängt der Abenteuerurlaub schon am ersten Tag des Urlaubs an.
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Genau! Das stimmt!)
Drittens möchte ich darauf hinweisen, dass wir auch dafür zu sorgen haben, dass die Deutsche Bahn das Angebot barrierefreier Fahrgast- und Tarifinformationen ausbaut.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist einfach so, dass die barrierefreie Reise schon dort anfängt. Hier ist Erhebliches zu tun.
Stichwort Barrierefreiheit. Auch ich möchte diesen Punkt kurz beleuchten, Frau Ludwig. Es geht nicht nur darum, einer UN-Konvention nachzukommen, wenn wir Menschen mit Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkungen die Angebote so offerieren, dass sie sie auch wahrnehmen können. Es geht auch darum, dass Familien mit Kindern und ältere Menschen barrierefreie Angebote ebenfalls gerne in Anspruch nehmen. Wie gerne sie das tun, sieht man an diesem Punkt: Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert das entsprechende Marktpotenzial auf circa 4,9 Milliarden Euro. Dahinter steckt ein Wirtschaftsfaktor, dessen wir uns einfach annehmen müssen, um die Branche zu stärken. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt es hervorzuheben und zu unterstreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich sehe es also als eine wesentliche Aufgabe an, zusammen mit der Bundesregierung und allen Akteuren in diesem Bereich davon wegzukommen, lediglich die wirklich überaus begrüßenswerten Initiativen und Einzelprojekte zur Schaffung von Barrierefreiheit vor Ort zu unterstützen; wir müssen mit allen Beteiligten eine Art Masterplan entwickeln. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich einige Sätze zum Wassertourismus verlieren. Es ist klar, dass die Gäste, die sich für diese Angebotspalette interessieren, längst nicht mehr nur den Zugang zum Wasser brauchen. Hier haben sich aus den Bedürfnissen der Touristen Nachfrageaspekte entwickelt, denen wir einfach gerecht werden müssen. Unser Land bietet mit den rund 10 000 Kilometer langen Bundes- und Landeswasserstraßen und den fast 23 000 Quadratkilometer großen Seewasserstraßen eine Fülle von Voraussetzungen dafür, dieser Nachfrage gerecht zu werden. Hier brauchen wir ein Konzept aus einem Guss, ein Wassertourismuskonzept, das die vorhandene Angebotsstruktur so bündelt, dass man den Ansprüchen der Gäste und Urlauber in diesem Bereich, was zum Beispiel vergleichbare Qualitätsmerkmale anbetrifft, gerecht wird und die Voraussetzungen dafür schafft, dass unser Standort Deutschland im europäischen Wettbewerb auch hier ein Stück weit die Nase vorn hat.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Abschluss sagen, dass ich über den im Ausschuss vorhandenen Konsens erstaunt bin. Ich empfinde das als eine überaus fruchtbringende Arbeitsweise. Wenn wir so weitermachen, dann können wir für den Tourismusfaktor in Deutschland viel bewegen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kollege Junge, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich im Namen des gesamten Hauses und wünsche Ihnen Erfolg bei der Arbeit.
(Beifall)
Für die Unionsfraktion hat nun die Kollegin Barbara Lanzinger das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3148231 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 18 |
Tagesordnungspunkt | Tourismuspolitischer Bericht (17. Wahlperiode) |