Harald WeinbergDIE LINKE - Entgeltsystem in der Psychiatrie
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Gegen Ende unserer Debatte am heutigen Tag geht es um ein sehr wichtiges Thema: die Versorgung psychisch Kranker im Krankenhaus.
Wenn das, was die vorherige, die schwarz-gelbe Bundesregierung beschlossen hat, wie geplant Anfang 2015 umgesetzt wird, dann wird sich die Versorgung in den Psychiatrien deutlich verschlechtern. Das sagen nicht wir, sondern über 15 Fachverbände, Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Ärzteschaft, der Pflegeberufe, der Pflegeverbände, der Gewerkschaften, der Kli- nikleitungen und nicht zuletzt der Organisationen von Patientinnen und Patienten. Alle Betroffenen sind gegen das neue pauschalisierende Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik, auch PEPP genannt; die Abkürzung ist deutlich einfacher als der lange Begriff. Deshalb ist es Aufgabe des Bundestages, seine Entscheidung von 2012 zu korrigieren und PEPP zu stoppen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Worum geht es genau? In den nichtpsychiatrischen Krankenhäusern wurden schon vor rund zehn Jahren Fallpauschalen eingeführt. Das bedeutet, dass Krankenhäuser nicht nach dem tatsächlichen Aufwand, sondern nach der Diagnose bezahlt werden. Eine Blinddarm-OP bringt eine feste Summe. Dabei ist es egal, wie lange der Patient oder die Patientin zur Rekonvaleszenz, zur Erholung im Krankenhaus bleiben muss. Die Krankenhäuser haben so einen klaren Anreiz, die Patientinnen und Patienten früher nach Hause zu schicken.
Vor zehn Jahren war Konsens, dass dieses System in psychiatrischen Stationen nicht funktionieren kann. Deshalb hat man dort weiterhin nach Tagessätzen gezahlt. Denn während man bei einer Blinddarm-OP noch relativ gut sagen kann, dass sie im Durchschnitt einen Krankenhausaufenthalt von etwa drei bis fünf Tagen zur Folge hat, kann man bei den Diagnosen Depression, Schizophrenie oder Angststörung nicht zu Beginn der Behandlung im Krankenhaus sagen, wie lange sie sinnvollerweise dauern sollte oder dauern wird.
Solche individuellen Verläufe berücksichtigt das neue Abrechnungssystem nicht. Zwar sieht es weiterhin eine Bezahlung des Krankenhauses pro Tag vor, aber nur als Durchschnittspauschale, und bei fortschreitender Dauer wird mit jedem Tag weniger gezahlt, egal ob die Behandlung mit der Zeit eventuell sogar intensiver werden muss. Damit hat das Krankenhaus einen Anreiz, den Patienten oder die Patientin zu entlassen, sobald die Tagespauschale unter die entstehenden Kosten fällt, egal ob gesund oder nicht. Der Zeitpunkt der Entlassung wird dann nicht mehr von den Ärztinnen und Ärzten in Absprache mit den Patienten festgelegt, sondern de facto vom Krankenhausmanagement vorgegeben. Das darf unserer Meinung nach nicht sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nur am Rande sei erwähnt, dass PEPP auch einen negativen Einfluss bei Zwangsbehandlungen haben könnte; denn Geduld mit psychisch kranken Menschen, die meistens schwierig sind, wird dadurch nicht gefördert.
Hinzu kommt, dass nach der Einführung von PEPP die Personalverordnung in der Psychiatrie, die Psych-PV, ab 2017 außer Kraft gesetzt werden soll. In dieser Verordnung ist geregelt, wie viele Ärztinnen und Ärzte, wie viele Pflegekräfte und wie viel sonstiges therapeutisches Personal das Krankenhaus bereithalten muss. Die geplante Abschaffung zwingt die Krankenhäuser, unter dem Diktat des pauschalen Entgeltsystems auf Kosten des Personals und damit auf Kosten der Patientinnen und Patienten zu sparen. Das soll unserer Meinung nach nicht sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb müssen wir PEPP im Bundestag stoppen. Ich bitte gerade auch die Kolleginnen und Kollegen aus Union und SPD, dies zu bedenken. Vor etwa zwei Jahren, als das PEPP-Gesetz von Schwarz-Gelb beschlossen wurde, gab die heutige gesundheitspolitische Sprecherin der SPD hier zu Protokoll – ich zitiere –:
(Beifall der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Weiter hieß es bei ihr:
Noch ein Zitat:
Dies alles, was Sie, liebe Frau Mattheis, damals gesagt haben, ist völlig richtig. Das findet nicht nur unsere Zustimmung, sondern auch die Zustimmung von fast allen Expertinnen und Experten, von den Betroffenen und von inzwischen über 15 000 Unterzeichnern einer Petition, die derzeit läuft und Alternativen zu PEPP fordert.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch aus der Union sind Stimmen zu vernehmen, die zu Recht an der Einführung von PEPP im Januar 2015 zweifeln. Ich habe insofern noch Hoffnung, dass die Koalition ein Einsehen hat und dieses Gesetz korrigiert. Mit unserem Antrag wollen wir dazu eine Gelegenheit geben.
Wenn Sie aber, wie so oft bei unseren Anträgen, unseren Antrag ablehnen werden, dann bitte ich Sie: Schreiben Sie ein wenig davon ab, und bringen Sie es selbst ein!
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)
Legen Sie PEPP auf Eis, und lassen Sie uns mit den Experten und Betroffenen neu überlegen, wie wir ein Entgeltsystem auf den Weg bringen können, das die Versorgung von Patientinnen und Patienten verbessert und nicht verschlechtert.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Ute Bertram das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3148236 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 18 |
Tagesordnungspunkt | Entgeltsystem in der Psychiatrie |