Ute BertramCDU/CSU - Entgeltsystem in der Psychiatrie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundestag hat am 17. März 2009, also noch zu Zeiten der zweiten Großen Koalition, das Krankenhausfinanzierungsgesetz um den § 17 d erweitert. Darin wurde festgelegt, für die Vergütung der Krankenhausleistungen aus dem Fachbereich der Psychiatrie und der Psychotherapie ein „durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem auf der Grundlage von tagesbezogenen Entgelten einzuführen“. Dasselbe gilt auch für die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die psychosomatische Medizin und die Psychotherapie.
Im jetzigen Koalitionsvertrag haben wir dieses Ziel bekräftigt. Dieses neue und mittlerweile in der Konkretisierungsphase befindliche Vergütungssystem soll das bisherige System des tagesgleichen Pflegesatzes, der jährlich zwischen dem einzelnen Krankenhaus und den Krankenkassen vereinbart wurde, ablösen. Dieser Pflegesatz differenziert zwar zwischen dem Basispflegesatz, zum Beispiel für die Kosten der Verpflegung, und dem Abteilungspflegesatz für die medizinischen Kosten, schert aber ansonsten alles über einen Kamm. Eine Differenzierung gerade der medizinischen Leistungen in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung des Patienten findet nicht statt. Dieses Vergütungssystem gleicht geradezu einer nicht einsehbaren Blackbox, in der Krankenhäuser Gewinner und Verlierer sein können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kurzum: Das System ist ungerecht. Schon deshalb besteht Reformbedarf. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass wir einer wachsenden Anzahl psychischer Erkrankungen gegenüberstehen. Hierauf muss sich unser Gesundheitssystem einstellen. Mit dem Psych-Entgeltgesetz setzen wir den rechtlichen Rahmen für die Einführung des neuen Systems bezüglich der Leistungen psychiatrischer und psychosomatischer Einrichtungen.
Das neue System wird die Transparenz im Hinblick auf das Leistungsgeschehen verbessern, womit wir auch einen effizienteren Ressourceneinsatz erreichen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es wurde im Rahmen eines lernenden Systems mit einer vierjährigen Einführungsphase gestartet und umfasst den Zeitraum von 2013 bis 2016. Diese Phase wird budgetneutral gestaltet; das heißt, die bisherigen Budgets bleiben den Krankenhäusern erhalten. 2013 und 2014 sind dabei sogenannte Optionsjahre. Die Einrichtungen können frei entscheiden, ob sie am neuen Entgeltsystem teilnehmen. Mit Stand Januar 2014 haben sich von insgesamt 588 Krankenhäusern schon 80 dem neuen Psych- Vergütungssystem angeschlossen; das sind immerhin 13,5 Prozent. Daran schließt sich bis 2021 eine fünfjährige Konvergenzphase an. Den Einrichtungen sollte damit ausreichend Zeit gegeben sein, sich auf künftige Veränderungen ihres Erlösbudgets einzustellen.
Ich habe ja durchaus Verständnis dafür, dass Veränderungen an bestehenden Strukturen immer auch Widerstände hervorrufen; das ist offenbar so eine Art Naturgesetz. Speziell ist es auch nachvollziehbar, dass eine Katalogisierung von psychiatrischen und psychosomatischen Leistungen kein leichtes Unterfangen ist. Die Zwischenstände bei den Arbeiten der Vertragspartner – der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des GKV-Spitzenverbands – belegen dies eindeutig.
Eine gebrochene Seele ist etwas anderes als ein gebrochenes Bein.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Darum ist es vorgesehen, diesen Veränderungsprozess über einen Gesamtzeitraum von rund zehn Jahren zu gestalten. Sollte sich im Verlauf des Einführungsprozesses doch erweisen, dass diese Frist noch zu kurz ist, kann sich die Union auch vorstellen, den Zeitraum zu verlängern. Das kann eine Verlängerung der Optionsphase bedeuten oder bessere Absicherungsmechanismen für die Krankenhäuser in der budgetneutralen Phase oder, in der Konvergenzphase, auch eine Änderung des Systems. Das alles ist vorstellbar.
Kritik der Verbände nehmen wir sehr ernst, und wir sind auch bereit, auf Veränderungsvorschläge einzugehen. Die nächsten Veränderungsvorschläge der Selbstverwaltungspartner sollen übrigens im April veröffentlicht werden. Wir werden sie uns genau ansehen und auf dieser Basis kurzfristig über einen Änderungsbedarf beraten. Damit ist klar: Konstruktiven Vorschlägen verschließen wir uns nicht; aber wer sich nicht einbringt, kann auf das neue System logischerweise auch keinen Einfluss nehmen.
In der fachöffentlichen Debatte sind nun einige Befürchtungen artikuliert worden, die klargestellt werden sollten. So gehen einige davon aus, dass durch den degressiven Verlauf der Tagesentgelte ein falscher Anreiz zu einer frühzeitigen Entlassung aus dem Krankenhaus gesetzt würde. Die Tagesentgelte werden aber auf einer umfassenden empirischen Basis kalkuliert, sodass sie die durchschnittlichen Behandlungskosten pro Patient decken. Zu einer systematischen Untervergütung dürfte es also nicht kommen. Vielmehr würden Psych-Einrichtungen bei einer zu frühen Entlassung auf zusätzlichen Erlös verzichten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein weiterer Vorwurf lautet, der PEPP-Entgeltkatalog sei zu wenig differenziert, jede psychische Erkrankung verlaufe höchst individuell. Der PEPP-Entgeltkatalog befindet sich noch in der Entstehungsphase; aber schon jetzt ist er sehr ausdifferenziert und damit dem jetzigen Vergütungssystem weit voraus. Der Katalog 2013 umfasst insgesamt 135 Entgelte für voll- und teilstationäre Leistungen sowie 75 Zusatzentgelte. Darunter sind Entgelte für die hochaufwendige Versorgung, für die die Einrichtungen nach dem bisherigen Vergütungssystem keine erhöhte Vergütung erhalten.
Kritisiert wird auch, Diagnosen seien nicht geeignet, Aussagen über den Behandlungsverlauf zu treffen. Die empirischen Daten zeigen aber, dass mithilfe von Diagnosegruppen erhebliche Unterschiede beim Aufwand erkannt werden können. Außerdem besteht Einigkeit, dass im Rahmen des lernenden Systems weitere Merkmale zu identifizieren sind, die Aufwandsunterschiede vielleicht noch deutlicher erklären können als die Diagnosekodierung.
Schließlich wird noch vorgeschlagen, PEPP zu verschieben oder gar zu stoppen. Bei einer Verschiebung der Einführung ist nicht mit einer Verbesserung des Entgeltkatalogs zu rechnen. Erfolgversprechender ist es, unter den geschützten Bedingungen der budgetneutralen Phase in das neue System einzutreten. Die Beteiligten können intensiv und engagiert die vielfältigen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Entgeltsystems nutzen und so das lernende System vitalisieren.
Wer die Einführung stoppen will, der will etwas, was wir nicht wollen, nämlich das ungerechte und intransparente bisherige Vergütungssystem aufrechterhalten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Kollegin Bertram, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg für Ihre Arbeit!
(Beifall)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Maria Klein-Schmeink das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3148238 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 18 |
Tagesordnungspunkt | Entgeltsystem in der Psychiatrie |