21.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 18 / Tagesordnungspunkt 20

Dirk HeidenblutSPD - Entgeltsystem in der Psychiatrie

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Weg mit PEPP!“ – Auf diesen recht eingängigen Spruch brachte eine sehr große Initiative von Fachleuten die Diskussion um das pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik, kurz PEPP, und damit gleich auch die vermeintliche Lösung des Problems. Nun will ich nicht verhehlen: Diese kurze Formel ist sehr eingängig; zielführend aber, ähnlich der jetzt ebenso kurzen Formulierung „Einführung des neuen Entgeltsystems in der Psychiatrie stoppen“, ist sie nicht unbedingt.

2009 fing es gar nicht so schlecht an. Als die damalige Bundesgesundheitsministerin die Reform auf den Weg brachte und letztlich das Psychiatrie-Entgeltgesetz beschlossen wurde, gab es sogar so etwas wie eine Aufbruchstimmung. Bis 2013 sollte Zeit sein, zu guten Ergebnissen zu kommen. Die Ministerin machte deutlich: Es wird um Tagespauschalen gehen. – Das ist etwas, was in der Psychiatrie grundsätzlich machbar ist. Zudem stand die Psychiatrie-Personalverordnung als Anker für die Mindestpersonalbemessung deutlich im Fokus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann erfolgte die Vorlage des PEPP-Entgeltkatalogs durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, der aber zwischen den Partnern nicht vereinbart werden konnte, da die DKG massive Bedenken hatte, wie übrigens nahezu alle Fachverbände. Das FDP-geführte Ministerium verfügte stattdessen Ende 2012 ohne ausreichende Berücksichtigung der durchaus begründeten Einwände die Ersatzvornahme. Das PEPP wurde zum 1. Januar 2013 gestartet.

Seitdem – das war angesichts des wenig zielführenden Umgangs des FDP-Ministers mit den Sorgen der Fachleute verständlich – hagelt es Kritik am PEPP. Aber seitdem gibt es auch auf allen Seiten das Bemühen, diese Kritik in konstruktive Änderungsvorschläge umzuwandeln.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für dieses sehr lösungsorientierte Verhalten sind wir den Fachverbänden und den Einrichtungen ausdrücklich dankbar.

Die neue Koalition will sich der Diskussion und den vielen Anregungen an dieser Stelle nicht verschließen.

(Beifall des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE] – Maria Michalk [CDU/CSU]: Die Linke will es doch stoppen!)

Dieser Politikwechsel findet sich auch im Koalitionsvertrag, in dem wir deutlich machen: Eine Benachteiligung schwerst psychisch Erkrankter darf es nicht geben. Neue Drehtüreffekte dürfen nicht erzeugt werden, weshalb dazu dann auch systematische Veränderungen des Vergütungssystems vorzunehmen sind.

Es gilt, die Bedenken ernst zu nehmen und gemeinsam Lösungen zu finden. So hat schon der Landschaftsverband Rheinland, einer der großen kommunalen Träger von psychiatrischen Kliniken, zugleich übrigens ein Motor ambulanter Eingliederungshilfe, auf einer bemerkenswerten Fachtagung geäußert – ich zitiere aus dem Vorwort –:

Diese Bereitschaft nicht nur des LVR, sondern auch etwa der bayerischen Bezirke und vieler anderer wurde aufgegriffen und muss auch weiter aufgegriffen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei der Fachtagung wurde zudem deutlich: Auch die Krankenkassen sehen durchaus Veränderungsbedarf. So befürchtete der Vertreter einer großen Kasse einen Anstieg der Wiederkehrrate, also einen klassischen Dreh- türeffekt, durch das PEPP. Dank der sehr intensiven Mitarbeit vieler Fachverbände am Vorschlagsverfahren – es gibt ja ein Verfahren, mit dem Veränderungen durchgeführt werden können – wurden bereits Veränderungen durch das InEK in das laufende System eingepflegt.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Genau!)

Das gemeinsame Ziel ist und bleibt, besser verzahnte und transparente Leistungen im ambulanten und stationären Bereich zu sichern. Es muss eine effektive Versorgung der psychisch Erkrankten sichergestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber das System ist nun einmal am Start. Es gibt zahlreiche Einrichtungen – inzwischen fast 15 Prozent –, die sich im Rahmen der aktuell möglichen Option, sich also schon 2013 bzw. 2014 auf das neue System einzulassen, auf den Weg gemacht haben. Es gibt Ansätze, alternative Verfahren zu erproben. Das mal eben dadurch zu stoppen, dass man Krankenhäuser, die dies wünschen, nicht weiter optieren lässt, würde dem berechtigten Vertrauensschutz der Einrichtungen nicht gerecht, den begonnenen Dialogprozess untergraben und uns zudem die Möglichkeit nehmen, auf relevante Daten zuzugreifen. Es würde damit dem Ziel nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Denn dass im System der Psychiatrie Veränderungen notwendig sind, ist, glaube ich, heute wie schon 2009 unumstritten.

Psychische Erkrankungen nehmen bedauerlicherweise zu und entwickeln sich zum Hauptgrund für berufliche Krankschreibungen. Dass Anpassungen und Veränderungen, auch in der stationären Versorgung, erfolgen müssen, ist unvermeidlich. Das ändert natürlich nichts daran, dass wir sehr genau darauf achten müssen, Fehlentwicklungen zu vermeiden, die dazu führen würden, dass das neue System am Ende womöglich mehr schadet als nützt und wirtschaftlich nur einen Verschiebebahnhof im System eröffnet.

Gerade die Versorgung psychisch Erkrankter ist auf ein stimmiges und abgestimmtes System angewiesen, das von der Prävention über stationäre und ambulante Maßnahmen und gute Reha bis hin zur Eingliederung reicht. Ein Baustein in diesem System, der den Notwendigkeiten nicht gerecht wird, löst unabsehbare Probleme im Gesamtsystem und damit erhebliche Folgekosten und im Zweifel Verschiebung aus. Und die stationäre Versorgung ist ein großer Baustein im System.

Wir haben das Problem möglicher Verwerfungen durch die Systemveränderung gesehen und in den Koalitionsvertrag aufgenommen, dass wir uns damit auseinandersetzen werden. Das InEK ist mit der Prüfung und der Vorlage eines entsprechenden Berichts beauftragt. Die Ergebnisse werden im April vorliegen. Im Anschluss und unter Auswertung dessen gilt es, gemeinsam mit dem InEK und den anderen Fachleuten die nötigen Schlüsse zu ziehen. Dazu kann auch gehören, dass wir mehr Zeit benötigen, um wirksame Anpassungen vorzunehmen, wie es die aktuell noch laufende Petition, aber auch der LVR, der Präsident des Bayerischen Bezirketages und viele Fachverbände fordern. Das weist in die richtige Richtung: nicht „Stopp“ oder „Weg damit“, sondern Zeit für Anpassung und Korrektur.

Wir benötigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, keine peppigen Anträge, sondern ein PEPP, das den Bedürfnissen der Beteiligten gerecht wird und im besten Sinne das Entgelt- und Versorgungssystem aufpeppt. Daran werden wir in der Koalition arbeiten. Der Bericht des InEK wird uns dabei sicherlich ebenso eine Hilfe sein wie die vielfältigen Einlassungen der Fachverbände.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Kollege Heidenblut, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Auch Ihnen wünsche ich im Namen des gesamten Hauses viel Erfolg in Ihrer Arbeit.

(Beifall)

Für die Unionsfraktion hat die Kollegin Emmi Zeulner das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3148261
Wahlperiode 18
Sitzung 18
Tagesordnungspunkt Entgeltsystem in der Psychiatrie
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine