Emmi ZeulnerCDU/CSU - Entgeltsystem in der Psychiatrie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich entschuldigen, falls ich in meiner Rede aufgrund meiner fränkischen Wurzeln das PEPP zum „BEBB“ mache. Aber der Inhalt bleibt der gleiche. Es ist wichtig, dieses Thema sensibel anzugehen.
Im Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik dürfen keine Fehlentwicklungen entstehen. Denn gerade die große Bandbreite von Krankheitsverläufen und die Sensibilität des Themas bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit aller. Deswegen ist es absolut richtig, das Vergütungssystem zu thematisieren und klug zu überdenken. So steht es auch im Koalitionsvertrag.
In einem sind wir uns alle einig: Das bisherige System der tagesgleichen Pflegesätze kann so nicht weitergeführt werden. Die Höhe der Pflegesätze spiegelt nicht den eigentlichen Personal- und Zeitaufwand wider. Ob ein Patient eine 24-Stunden-Überwachung benötigt, weil er suizidgefährdet ist, oder selbstständig am Klinikalltag teilnehmen kann, findet wenig Berücksichtigung. Das System ist weder transparent – denn von außen ist nicht einsehbar, welche Behandlungen der Patient tatsächlich erhält –, noch ist es leistungsorientiert, weil die Behandlungsintensität eine untergeordnete Rolle in der Vergütung spielt.
Hinzu kommt, dass die tagesgleichen Pflegesätze ihre Wurzeln im Gesundheitssystem der 70er-Jahre haben und seitdem nicht weiterentwickelt wurden. Den Herausforderungen, aber auch den Möglichkeiten, vor denen die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen heute stehen, wird es schwer gerecht.
Angesichts der eklatant gestiegenen Zahlen psychischer Erkrankungen müssen wir uns fragen: Wie schaffen wir es, ein Vergütungssystem zu etablieren, das eine individuelle, praxisnahe und qualitativ hochwertige Behandlung honoriert? Darum hat die Bundesregierung im Jahr 2009 reagiert und die Selbstverwaltungspartner zur Entwicklung von PEPP aufgefordert. Damit wurde der Weg hin zu einem neuen Vergütungssystem beschritten.
Ein solch komplexes System lässt sich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Ein patienten- und sachgerechtes Vergütungsmodell lässt sich auch nicht am runden Tisch fernab der Praxis entwerfen. Deswegen war es richtig, einen sanften und gleichzeitig flexiblen Übergang zwischen dem alten und dem neuen System zu schaffen. Jetzt, im Jahr 2014, sind wir im zweiten Jahr der Optionsphase. Die Einrichtungen können also noch zwischen dem alten und dem neuen System wählen. Erst im Jahr 2015 soll die Umstellung verbindlich werden.
Die Stärke des lernenden Systems liegt in der Möglichkeit der jährlichen Anpassung des Katalogs im Dialog mit den Beteiligten. Es soll aus den Erfahrungen der Praxis wachsen und ist als Prozess zu verstehen. Das wird hoffentlich von vielen angenommen. Es handelt sich auch nicht um verkappte Fallpauschalen; vielmehr sind es Tagessätze auf Basis einer Fallgruppierung. Das bedeutet: Im Gegensatz zur diagnosebezogenen Fallpauschale steht mit dem PEPP der Klinik für jeden Behandlungstag eine Vergütung zu. Der Drehtüreffekt wird somit vermieden.
Plakative Aussagen wie „Weg mit PEPP“ bringen uns in der Sache nicht weiter.
Natürlich ist PEPP in seiner jetzigen Form nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Kritik von Patientenvertretern und Verbänden ist selbstverständlich sehr ernst zu nehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass blumige Reden von uns Politikern aller Couleur nicht ausreichen.
PEPP wird einen Mehraufwand an Bürokratie bedeuten. Das ist die Kehrseite der Medaille und darf nicht verleugnet werden.
Auch sehe ich Handlungsbedarf in der differenzierten Ausgestaltung der Entgelte. Zum Beispiel im Bereich der Gerontopsychiatrie und der Suchtmedizin. Spezielle Stationen, die unser Gesundheitssystem so wertvoll machen wie zu Beispiel die Gehörlosenpsychiatrie, müssen ihrer besonderen Aufgabe entsprechend in den Katalog mit einfließen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Anliegen, gerade was den Personalschlüssel in der Pflege angeht, müssen bei der Weiterentwicklung des Systems unbedingt berücksichtigt werden. PEPP darf nicht auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen werden. Hierbei werden sie mich immer als Streiterin an ihrer Seite haben.
PEPP ist ein lernendes System. Wie bei jedem Schüler hängt der erfolgreiche Werdegang zum großen Teil vom Engagement der Lehrer ab. Deshalb liegt es in unserer Verantwortung, gemeinsam mit den Selbstverwaltungspartnern das Schulkind PEPP zu einem leistungsorientierten und transparenten System auszugestalten, sodass es den unermüdlichen Einsatz der Pflegenden, der Ärzte und der Therapeuten angemessen honoriert und so dem Wohl der Patienten dient.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Heike Baehrens für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3148268 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 18 |
Tagesordnungspunkt | Entgeltsystem in der Psychiatrie |