Carola ReimannSPD - Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon angesprochen worden: Frauen bekommen ganze 21 Prozent weniger Lohn als Männer. So groß ist der Unterschied bei den Stundenlöhnen. Diese Lohnlücke ist skandalös. Das ist keine Frage.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)
Noch skandalöser ist aber die Benachteiligung von Frauen, wenn wir die Erwerbseinkommen in der gesamten Erwerbsbiografie, also in einem gesamten Frauen- oder einem gesamten Männerleben, in den Blick nehmen. Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kürzlich getan und dabei Erschütterndes festgestellt: Eine Akademikerin erreicht ein Lebenserwerbseinkommen von 800 000 Euro. Ihr männlicher Kollege bekommt fast das Doppelte: 1,4 Millionen Euro. In den anderen Berufsgruppen sieht das sehr ähnlich aus. Ganze 43 Prozent beträgt nach dieser Rechnung der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern. Das führt dann – wie könnte es auch anders sein? – zu völlig unterschiedlichen Renten im Alter.
Frauen werden über das ganze Erwerbsleben hinweg diskriminiert. Kolleginnen und Kollegen, wir haben bislang nur zum Teil die richtigen Antworten darauf gefunden. Deshalb bin ich froh, dass wir heute eine Debatte über Zeitpolitik führen. Zeit ist die wichtigste Währung der Gleichstellungspolitik; so bringt es Jutta Allmendinger auf den Punkt.
Wir reden immer noch vom Normalarbeitszeitverhältnis und meinen damit männliche lebenslange Vollzeitbeschäftigung: ein Mann, ein Arbeitsplatz – Vollzeit –, ein Unternehmen, ein Leben lang. Dabei wird ignoriert, dass die meisten Frauen von dieser sogenannten Normalität in ihren Lebensläufen und in ihren Lebensverhältnissen weit entfernt sind.
Frauen steigen wegen der Geburt eines Kindes viel häufiger und länger aus dem Erwerbsleben aus als Männer. Frauen kehren, wenn überhaupt, dann viel zu häufig in Teilzeit – das ist schon genannt worden – oder gar in Minijobs zurück. Es sind in erster Linie wiederum Frauen – da geht es nicht um Kinder –, die sich um pflegebedürftige Eltern und Schwiegereltern kümmern und deshalb beruflich kürzer treten.
Frauen zahlen ihr Leben lang für den Umstand, dass sie Kinder bekommen oder auch nur hypothetisch bekommen können. Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, Frau Schauws, werden wir ganz konkrete Maßnahmen gegen Lohndiskriminierung auf den Weg bringen:
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Erstens. Wir führen den gesetzlichen Mindestlohn ein. Der hilft vor allem Frauen; denn sieben von zehn Beschäftigten in Niedriglohnbereichen sind Frauen. Der Mindestlohn hilft vor allem Frauen.
Zweitens. Wir werden ein individuelles Auskunftsrecht für alle Beschäftigten einführen, damit Lohnungleichheit in den Unternehmen überhaupt sichtbar wird; die Ministerin hat es angesprochen.
Wir regeln drittens die verbindlichen Verfahren, damit Betriebe eigenständig für Lohngerechtigkeit sorgen.
Kolleginnen und Kollegen, wir machen noch mehr. Wir ergreifen zudem Maßnahmen, die Einfluss auf die Erwerbsverläufe von Frauen und Männern haben. Wir werden einen Rechtsanspruch für Teilzeitbeschäftigte einführen, mit dem sie in einen Vollzeitjob zurückkehren können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
So wird Teilzeit nicht länger zur Falle für Frauen.
Wir machen weiter beim Ausbau von Kitas; denn Eltern müssen Beruf und Familie gut vereinbaren können.
Wir regeln die Quote gesetzlich, damit Frauen oben ankommen, in den Vorstandsetagen der Unternehmen genauso wie in den Chefpositionen der Bundesministerien und der öffentlichen Verwaltung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Kolleginnen und Kollegen, wir müssen das Rad der Zeitpolitik aber auch noch etwas weiter drehen; denn Frauen wünschen sich oft, mehr zu arbeiten. Sie wünschen sich eine Ausweitung ihrer Arbeitszeit, und umgekehrt wünschen Männer, für den Arbeitgeber nicht länger Vollzeit rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen und in der Familie dann allenfalls noch einen Minijob zu haben. Auch Männer wünschen sich mehr Zeit für Familie und für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ministerin Schwesig hat mit ihrem Vorschlag der Familienarbeitszeit meiner Ansicht nach die wichtigste gleichstellungs- und familienpolitische Debatte angestoßen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mit dem ElterngeldPlus, das junge Eltern bei der partnerschaftlichen Teilung von Erwerbs- und Familienarbeit unterstützen soll, machen wir da einen ersten wichtigen Schritt.
Kolleginnen und Kollegen, was macht ein gutes Leben aus? Ich glaube, da sind wir gar nicht weit auseinander, ganz gleich, ob mit oder ohne Kinder. Zu einem guten Leben gehört natürlich ein Beruf, der einen ausfüllt, gehört aber auch Zeit für die Partnerin oder den Partner. Gut lebt doch, wer Zeit für Kinder, für Angehörige, für Freunde hat, wer auch ein paar Stunden Zeit für Fortbildung, für Weiterbildung, für ein Ehrenamt hat und wer schlicht auch mal eine Pause und Zeit für sich hat.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir müssen darüber nachdenken, wie wir bezahlte und unbezahlte Arbeit fairer auf Frauen und Männer verteilen können, damit wir alle diesen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden und in besserer Balance leben können. Davon profitieren wir alle.
Danke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Jetzt hat die Kollegin Cornelia Möhring das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3211238 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf |