14.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 21 / Tagesordnungspunkt 12

Birgit KömpelSPD - Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag! Seit 1911 gibt es den Internationalen Frauentag, das Symbol für den Kampf um Frauenrechte und Gleichberechtigung. Blicken wir auf diese gut 100 Jahre zurück, dann sehen wir eine sensationelle Erfolgsgeschichte, oder? Frauenwahlrecht, Gleichberechtigung von Männern und Frauen, gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, gleiche Pflichten in Ehe und Familie, etc., etc. Meine Damen und Herren, dies alles ist längst Gesetz – allerdings nur teilweise gesellschaftliche Realität.

Wir können es hier deutlich sehen: Frauen sind zwar Abgeordnete, Ministerin, ja, wir haben sogar eine Bundeskanzlerin. Frauen sind in allen gesellschaftlichen Bereichen sichtbar, aktiv und engagiert.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber zu wenige!)

Frauen haben längst in Männerberufen Fuß gefasst. Seit dem Jahr 2000 dienen wir gleichberechtigt unserem Land als Soldatinnen.

Aber! Sie haben recht: Es gibt ein riesiges Aber. Auch in 2014 verdienen Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. 70 Prozent der Niedriglohnjobs werden von Frauen ausgeübt, und besonders auf den Führungsebenen und in den Chefetagen sind Frauen noch immer unterrepräsentiert.

Wir haben die Zahlen schon gehört – ich will Sie damit verschonen. Aber sie zeigen uns: Unsere Aufsichtsräte werden durch die Arbeitnehmergremien, sprich: die Gewerkschaften, besetzt. Im Klartext: Es sind die Gewerkschaften, die ihre Frauen in die Führungspositionen und Aufsichtsräte schicken; es sind nicht unsere Arbeitgeber. Das ist für mich ein handfester Skandal.

(Beifall bei der SPD)

Es ist skandalös, dass 65 Jahre nach der Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz, reichlich 50 Jahre nach der beruflichen Gleichstellung und satte 50 Jahre nach der Gleichstellung im Bürgerlichen Gesetzbuch noch solche Zahlenverhältnisse vorherrschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Skandal wird besonders deutlich, wenn wir noch ein paar mehr Zahlen hinzunehmen.

Heute studieren mehr Frauen als Männer. Frauen schließen ihr Studium dabei oft erfolgreicher ab, und wir Frauen streben im Anschluss nach Karriere und beruflicher Entfaltung. In den Chefetagen, in Forschung und Wissenschaft und in der Politik sind wir aber weiterhin unterrepräsentiert, und zwar in einem unerträglichen Maße. Die Ursachen kennen wir alle: fehlende Betreuungsplätze, fehlende Ganztagsschulen, fehlende familienfreundliche Arbeitszeiten und Vorurteile gegenüber Frauen, vor allem Müttern, in Führungspositionen. Daran scheitern die Karrieren von Frauen auch noch 2014.

Aber was sind die Folgen? Man traut vielleicht seinen Ohren nicht, aber in erster Linie schadet es der Wirtschaft: Unzählige Studien haben bewiesen, dass Unternehmen mit gemischter Führungsebene viel erfolgreicher sind. Es lohnt sich also – rein wirtschaftlich betrachtet –, Frauen zu fördern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Erhöhung des Frauenanteils bewirkt noch viel mehr. Frauen bringen Eigenschaften mit, die Führung verbessern. Frauen führen anders, oder wie die deutsche Unternehmerin und Industriemanagerin Annette Winkler es ausdrückt:

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frauen führen mit größerer sozialer Kompetenz.

Ja, Sie haben richtig gehört, meine Herren: Die hohe Verantwortung und die logistischen Herausforderungen, die ein Leben mit Kindern mit sich bringt, qualifizieren Frauen zusätzlich für Führungspositionen. Denn jede Frau, die Kinder erzieht, bringt neben ihren beruflichen Qualifikationen per se auch eine Menge Sozialkompetenzen mit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Und an diesen – das kann ich als Personalberaterin wirklich beurteilen – mangelt es in unseren Führungsetagen häufig. Ich wage, zu behaupten: oft ganz erheblich, meine Damen und Herren. Hier besucht man lieber Seminare über Menschenführung. Wann begreifen wir endlich, dass wir diese Soft Skills, diese weichen Führungsqualitäten, schlicht die soziale Kompetenz quasi frei Haus bekommen, wenn wir Frauen einstellen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Die Frage muss also nicht lauten, ob, sondern, wie wir den Anteil von Frauen in Führungspositionen wirksam erhöhen. Die Antwort ist ganz simpel: Wir brauchen schlicht und einfach eine Quote. Denn nur die Quote bewirkt die so dringend benötigten Verbesserungen für Frauen, weil nur die Quote dazu zwingt, Frauen – auch mit Kindern – gezielt zu fördern, weil nur sie dazu zwingt, dass Unternehmen, aber auch die öffentliche Verwaltung und die Behörden endlich frauen- und familienfreundlicher werden, weil sie zur flexibleren Gestaltung von Arbeitszeiten zwingt und weil sie die Errichtung von Tele- und Heimarbeitsplätzen fördert.

Liebe Frau Dörner, die gesetzliche Einführung der Quote ist nicht mickrig, sondern sie ist historisch. Ich bin stolz darauf, dass wir das in dieser Legislaturperiode schaffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das werden wir dann sehen und dann bewerten!)

Es geht aber nicht nur um die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen. Es geht nicht nur um die Einführung der Quote. Es geht auch um den gesellschaftlichen Wandel. Es geht darum, die Männerquote von 90 Prozent in den Führungsetagen abzuschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Keine Sorge, meine Herren, gute Männer schaffen es auch trotz Frauenquote an die Spitze.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht darum, liebe Frau Kipping – da sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt –, das Ideal der Allzeitverfügbarkeit infrage zu stellen. Es geht darum, dass auch Männer in Teilzeit arbeiten. Es geht darum, dass sich Frauen und Männer im Beruf und in der Familie partnerschaftlich begegnen können.

Wir wollen neben einer starken Frauenpolitik vor allem eine starke Familienpolitik. Also, liebe Herren, liebe Damen, packen wir’s an!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Gudrun Zollner das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3211333
Wahlperiode 18
Sitzung 21
Tagesordnungspunkt Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf
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