14.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 21 / Tagesordnungspunkt 12

Gudrun ZollnerCDU/CSU - Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eingangs meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass über Themen des Familienausschusses nicht zu später Stunde, also nachts, debattiert wird, sondern erfreulicherweise heute Vormittag. Ich hoffe, Frau Präsidentin, dass dies von nun an Usus wird.

Die Frauenquote ist nicht unbedingt ein Schlagwort, mit dem man sich Freunde schafft. Es gibt Seitenblicke, weil man eine Quotenfrau ist, ein Wort, über das auch unter uns Frauen kontrovers diskutiert wird. Aber können wir es uns in der heutigen Zeit noch immer leisten, gut ausgebildete und hochqualifizierte Frauen vor die Wahl zu stellen: Kind oder Karriere? – Nein! Bildungsgewinnerinnen dürfen nicht weiterhin die Karriereverliererinnen sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der demografische Wandel schreitet voran. Alle reden vom Fachkräftemangel. Aber unsere Topfachkräfte sitzen zu Hause oder sind in Teilzeit oder sind geringfügig beschäftigt, weil sie Frauen sind, die irgendwann schwanger werden könnten oder bereits Kinder haben, die irgendwann einmal krank werden könnten – so zumindest die häufigsten Aussagen bei Bewerbungsgesprächen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Unternehmer und Wirtschaftsvertreter, ich gebe zu: Ich war lange Zeit auch keine Freundin einer Frauenquote in der Wirtschaft. Aber die Zahlen zeigen, dass sich in den letzten Jahren so gut wie nichts bewegt hat. Der Anteil der Frauen in den DAX-30-Vorständen ist im Jahr 2013 sogar von 7,8 auf 6,3 Prozent zurückgegangen. Bis letztes Jahr hatten 21 Prozent der 200 größten deutschen Unternehmen nicht eine einzige Frau im Aufsichtsrat.

(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Peinlich!)

Praktisch folgenlos ist die Selbstverpflichtung der Wirtschaft aus dem Jahr 2001 verpufft.

(Beifall der Abg. Birgit Kömpel [SPD])

Deshalb: Die Zeiten der Freiwilligkeit sind vorbei. Jetzt muss die Frauenquote umgesetzt werden:

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

30-Prozent-Geschlechterquote für Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden, verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, im Vorstand und in den obersten Managerebenen mitbestimmungspflichtiger oder börsennotierter Unternehmen! Hierüber muss transparent berichtet werden.

Die ersten Zielgrößen müssen innerhalb der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages erreicht werden und dürfen nachträglich nicht nach unten korrigiert werden. Kurzum: so viel Staat wie nötig, so viel unternehmerische Freiheit wie möglich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und: Keine Angst vor der Frauenquote, sehr geehrte Herren Unternehmer, DAX-Vorstände und Aufsichtsräte! Frauen sind eine Bereicherung für jede Führungsetage, besonders im operativen Geschäft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Um das alles zu erreichen, müssen wir selbst eine Vorbildfunktion übernehmen. Wir werden im Einflussbereich des Bundes eine gezielte Gleichstellungspolitik vorantreiben und das Bundesgremienbesetzungsgesetz und das Bundesgleichstellungsgesetz proaktiv umsetzen. Durch konsequentes Controlling soll die verbindliche Umsetzung sichergestellt werden. Vor dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes sage ich deshalb bewusst und aus voller Überzeugung Servus zur „gläsernen Decke“ und „Viel Erfolg!“ zu allen Frauen wie Mary Barra von General Motors, Marissa Mayer von Yahoo, Janet Yellen von der US-Notenbank und natürlich auch zu unserer Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir die Frauenquote in allen Bereichen auf einen erfolgreichen Weg bringen möchten und die Anzahl der weiblichen Führungskräfte erhöhen wollen, müssen wir passende Rahmenbedingungen für unterschiedliche Lebensmodule schaffen. Nur so können wir die kinderwunschhemmende Rushhour des Lebens entzerren. Leistung ist nicht immer gleichbedeutend mit Anwesenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Auch in Führungspositionen müssen Telearbeit oder Homeoffices möglich sein. Dies gelingt erst dann, wenn wir von der Ideologie der Vollzeitpräsenz wegkommen, dafür flexible Arbeitszeitmodelle anbieten und mehr Zeit für die Familie einräumen, was sich übrigens auch die meisten Väter wünschen.

(Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Wir auch!)

Von dieser modernen Zeitpolitik würden auch die fast 1,6 Millionen Ein-Eltern-Familien in Deutschland profitieren. 90 Prozent bestehen aus Kindern und Frauen, den wahren Meisterinnen des Zeitmanagements.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade sie brauchen die Unterstützung der Politik; denn sie stoßen trotz ihres Organisationstalents immer wieder an ihre Grenzen. Wer betreut die Kinder bei sechs Wochen Sommerferien? Wer passt auf das Kind der alleinerziehenden Krankenschwester beim Nachtdienst auf? Wer fährt die Tochter zum Fußballtraining und holt den Sohn vom Freund ab? Hinzu kommt die meist schwierige finanzielle Situation.

Obwohl laut der neuesten Studie der Bertelsmann- Stiftung 70 Prozent der Alleinerziehenden erwerbstätig sind, darunter 45 Prozent in Vollzeit, reicht das Einkommen meist nicht aus. Von den rund 2,2 Millionen Kindern, die nur mit einem Elternteil aufwachsen, ist jedes zweite Kind auf Grundsicherungsleistungen angewiesen. Alleinerziehende leben fünfmal so oft im Hartz-IV-Bezug wie Paarfamilien.

Ich bin seit langem alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen, und ich weiß, wie schwierig es ist, den Lebensalltag allein zu meistern, neben Beruf und Haushalt auch für die Kinder da zu sein, ihnen den Start in ein erfolgreiches und zufriedenes Leben zu ermöglichen. Ohne Zeitmanagement und einen straff durchorganisierten Tagesablauf kommt keine Ein-Eltern-Familie aus.

Aber wie sieht es mit Zeitsouveränität aus? Wie sieht es mit den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen aus? Egal ob selbstständige Unternehmerin, Topmanagerin, Angestellte, Arbeiterin oder Hartz-IV-Empfängerin, keine von ihnen ist Souverän ihrer eigenen Zeit. Lassen Sie uns deshalb die Koalitionsvereinbarungen umsetzen, den Antrag zügig verabschieden und passende Rahmenbedingungen für alle schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herzlichen Glückwunsch, liebe Kollegin, zu Ihrer ersten Rede.

(Beifall)

Beim nächsten Mal achte ich ein wenig genauer auf die Uhr.

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Bettina Hornhues das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3211365
Wahlperiode 18
Sitzung 21
Tagesordnungspunkt Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf
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