Ursula Groden-KranichCDU/CSU - Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Wenn man so spät in einer Debatte reden darf, könnte man fast sagen: Es ist schon alles gesagt, außer von mir. Daher wende ich mich speziell dem Thema Entgeltgleichheit zu, auch wenn Herr Rix mir jetzt gerade zwei, drei Punkte geklaut hat; aber das zeigt ja, dass wir in der Sache einig sind.
(Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Das kann man gern wiederholen! – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Das macht er häufiger, das Klauen!)
„Zeit ist Geld“, heißt es. Und „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ klingt selbstverständlich und banal, ist es aber leider längst noch nicht. Auch wenn es selbstverständlich erscheint, dass überall dort, wo gleiche Leistung erbracht wird, auch gleiche Entlohnung erfolgt, ist es in der Realität ganz anders. Am schlimmsten ist, dass die Verdienstabstände nach den Ausarbeitungen des Familienministeriums mit höherer Ausbildung und zunehmendem Alter größer werden. Ich empfinde das als beschämend. Dass es beim Bruttostundenverdienst eine Lücke von 22 Prozent gibt, ist eine mehr als traurige Tatsache. Es tröstet auch nicht, dass Frauen überall in Europa weniger verdienen als Männer. Leider sind wir im europäischen Vergleich das Schlusslicht in Sachen Entgeltgleichheit.
Equal Pay ist kein nettes, kleines Instrument oder eine von vielen Forderungen. Im Gegenteil: Equal Pay ist ein elementarer Baustein in Sachen Chancengleichheit. Oder anders gesagt: Würde Equal Pay konsequent umgesetzt werden, könnten viele andere Forderungen und Diskussionen vielleicht obsolet werden. Das gilt für die Forderung nach einer Frauenquote oder die Diskussion zu Frauen in Führungspositionen; denn nichts ist attraktiver als eine angemessene Vergütung. Das gilt auch für die Diskussion um Teilzeitarbeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf; denn bei guter und gleicher Bezahlung können sich Eltern leichter entscheiden, und es bleiben auch mehr Mittel übrig, um eine professionelle Unterstützung zu finanzieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Ursachen für Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern sind hinlänglich bekannt. Frauen fehlen in bestimmten Berufen, Branchen und auf den höheren Stufen der Karriereleiter. Ich erinnere mich an meine Berufstätigkeit zurück: Ich war im Bereich der Anlageberatung tätig, und meine erste Anlageberatertagung begann mit den Worten: Sehr geehrte Frau Groden! Meine Herren! – Ich war die einzige Frau. Das hat sich heute zum Glück geändert.
(Dr. Carola Reimann [SPD]: Sie waren halt ein Investment!)
Es heißt, die beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen von Frauen und Männern würden gleichermaßen geschätzt und entgolten. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Bei Frauen gibt es sehr viel häufigere und längere familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und damit auch Erwerbsreduzierungen als bei Männern. Frauen sind sechsmal so häufig in Teilzeit erwerbstätig wie Männer. Sie verbringen aber fast doppelt so viel Zeit mit unbezahlter Familienarbeit.
Individuelle und kollektive Lohnverhandlungen haben gleichermaßen nicht nachhaltig dazu beitragen können, dass typische Frauentätigkeiten nicht mehr schlechter bewertet werden. Herr Rix hat es schon angesprochen: Was sind denn „typische Frauentätigkeiten“? – Erziehungsarbeit ist eine Tätigkeit für Männer und Frauen, und das muss auch in einer entsprechenden Entlohnung zum Ausdruck kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Damit wir uns richtig verstehen: Equal Pay zwingt die Frauen nicht in die Berufstätigkeit, sondern erzwingt hoffentlich endlich die Gleichbezahlung von Mann und Frau für gleiche Leistungen. Das wird jetzt leider erst durch gesetzliche Regelungen möglich, weil die Freiwilligkeit nicht gegriffen hat.
Die Folgen dieser Entgeltungleichheit sind dramatisch. Finanziell am gravierendsten ist – neben den akuten Auswirkungen während des Erwerbslebens von Frauen – der Dominoeffekt in Sachen Rente. Die Ungleichheit während der Erwerbstätigkeit führt zu einer Alterssicherungslücke zwischen Frauen und Männern, auch bekannt als Gender Pension Gap; dieser liegt in Deutschland bei atemberaubenden 59 Prozent. Hier ist mit der Mütterrente ein erster kleiner Schritt dagegen getan.
Mindestens genauso schlimm sind aber die indirekten, quasi psychologischen Folgen der Tatsache, dass Frauen für die gleiche Arbeit immer noch kein gleiches Gehalt bekommen. Erwerbstätigkeit, vor allem Vollzeitstellen, und erst recht Führungspositionen lohnen sich oft buchstäblich gar nicht. Sie werden daher nicht angestrebt oder bei geringem Anlass wieder aufgegeben. Kein gutes Signal an unsere Mitbürgerinnen oder an die Generation unserer Töchter!
Das Problem wurde aber immerhin erkannt und auch schon einiges unternommen. Der Equal Pay Day, der internationale Aktionstag für die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen, der auf Initiative der Business and Professional Women Germany eingeführt wurde, wird vom Familienministerium gefördert. Ich lade Sie übrigens herzlich ein: Der nächste Equal Pay Day findet am nächsten Freitag statt. Es gibt zahlreiche Aktionen, nicht nur hier in Berlin am Brandenburger Tor.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz betrifft nicht nur, aber auch Frauen. Insofern ist die Gleichbehandlung und Gleichbezahlung von Frauen und Männern im Beruf längst gesetzlich verankert.
Alle diese Maßnahmen sind gut und wichtig, aber gleiche Bezahlung und Chancengleichheit haben nicht nur mit Gesetzen zu tun, sondern in erster Linie mit konkret handelnden Personen. In meinem Berufsleben habe ich dies mal erfahren müssen, aber auch mal erfahren dürfen. Mit Gesetzen allein ist es also nicht getan, aber auch nicht mit Geld; das sage ich, um noch kurz das klassische Totschlagargument „Wer soll das bezahlen?“ vorzunehmen. Da kann ich Sie beruhigen: Das Thema Equal Pay ist finanzpolitisch unproblematisch. Es geht schon per definitionem eben nicht darum, die Leistung zusätzlich, sondern „nur“ gleichwertig zu bezahlen.
Unsere Forderungen sind: konsequenter Ausbau der bestehenden Maßnahmen, um die genannte Ungleichheit abzubauen, die Förderung von Frauen in allen Branchen und Lohnsektoren sowie die Einführung von Konsequenzen für Unternehmen, die sich nicht daran halten, oder, wie es unsere Bundeskanzlerin in einer Regierungserklärung sagte: Wir haben es lange genug im Guten versucht, das hat leider nicht viel genutzt.
Darum begrüße und unterstütze ich alle schon bestehenden Maßnahmen und Gesetze, bin aber überzeugt, dass die wichtigste Waffe im Kampf gegen die Entgeltungleichheit das Umdenken in den Köpfen der Arbeitgeber, Vorgesetzten und in weiten Teilen unserer Gesellschaft sowie ein Wandel der bestehenden Rollenbilder ist.
Entgeltgleichheit und Chancengleichheit müssen eine Selbstverständlichkeit werden, für die es keiner zusätzlichen Maßnahmen mehr bedarf. Wenn wir diese Überzeugung verinnerlicht haben, sind wir bald am Ziel.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Auch Ihnen, liebe Frau Groden-Kranich, herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede.
(Beifall)
Als letzte Rednerin hat jetzt die Kollegin Karin Maag das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3211376 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf |