14.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 21 / Zusatzpunkt 5

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Europäische Bankenunion

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2008 gab es das Versprechen, dass nie wieder Banken mit Steuergeld gerettet werden sollten.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Richtig!)

Tatsache ist aber, dass die Bankenrettung mit Steuergeld in Europa seither ungebremst weitergegangen ist. Zuletzt war es eine Bank in den Niederlanden, die SNS Reaal, die im Februar 2013 übernommen worden ist. Dafür wurden 3,7 Milliarden Euro Steuergeld aufgewendet. In diesen Tagen geht es in Österreich um die Hypo Alpe- Adria-Bank, die in eine staatliche Bad Bank überführt wird. Auch da wird der Steuerzahler die Verluste tragen. Das geschieht, obwohl wir wissen, dass teure Bankenrettungen eine der zentralen Ursachen für die Staatsschuldenkrise in Europa gewesen sind, insbesondere in Spanien, in Irland und in Zypern.

Vor diesem Hintergrund haben die Mitglieder des Euro-Währungsgebiets in ihrer Gipfelerklärung vom 29. Juni 2012 gesagt – ich zitiere –:

Das ist richtig. Das geht aber nur, wenn die nationalen Budgets nicht mehr die Verantwortung für die Bankenrettung haben. Deswegen braucht es eine andere Institution, die das macht, nämlich einen europäischen Bankenabwicklungsfonds, der von den Banken finanziert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau darum geht es gerade in Brüssel bei den Verhandlungen. Man fragt sich, warum das eigentlich nicht allgemeiner Konsens ist. Nun, es gibt einen Akteur, der in Brüssel auf der Bremse steht, wenn es darum geht, das auf den Weg zu bringen, und das ist die Bundesregierung.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

Weil sie auf der Verantwortung der nationalen Budgets beharrt, bleibt der Teufelskreis zwischen Banken und Staaten bestehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung hat vorgeschlagen und das im Rat auch durchgesetzt, dass erst nach zehn Jahren die nationalen Budgets aus der Verantwortung entlassen werden – inzwischen bietet der Rat acht Jahre an –, aber das ist viel zu lang. Der Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen muss so schnell wie möglich durchbrochen werden. Die Zeit der teuren Bankenrettungen mit Steuergeld muss beendet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Völlig unverständlich ist auch, warum der Rat, wiederum auf Initiative der Bundesregierung, auf komplizierten und langwierigen Entscheidungsstrukturen bei der Bankenabwicklung beharrt. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann vielleicht der Berichterstatterin der EVP-Fraktion – da sind die Christdemokraten im Europäischen Parlament versammelt –, Frau Wortmann-Kool – ich zitiere sie –:

Recht hat sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum folgen wir nicht dem Beispiel der USA? Dort sind durch den dortigen Bankenabwicklungsfonds seit Ausbruch der Finanzkrise etwa 500 Banken schnell und geräuschlos abgewickelt worden, ohne dass die einzelnen Abwicklungsfälle irgendwelche Finanzminister beschäftigt hätten, und den Steuerzahler hat diese Abwicklung keinen Cent gekostet. In Europa wurde in häufig langwierigen Verhandlungen durch die Finanzminister über die Bankenrettungen politisch entschieden, und es wurde für die Steuerzahler enorm teuer. Die EU-Kommission fasst das Ganze folgendermaßen zusammen: Zwischen 2008 und 2012 summierte sich die Staatshilfe für Kapitalisierungsmaßnahmen für Banken in Europa auf über 591 Milliarden Euro.

Ich meine, daraus muss man die Konsequenz ziehen: Wir brauchen eine einfache Struktur, die sicherstellt, dass schnell entschieden werden kann und dass es keine Möglichkeit gibt, dass die Politik bei jeder Bankenrettung erneut den Geldbeutel zückt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein wichtiger Streitpunkt bei den Verhandlungen ist jetzt auch die zwischenstaatliche Vereinbarung. Das heißt, dieses Konstrukt des Abwicklungsfonds soll nicht nach EU-Recht auf der Grundlage der europäischen Verträge entstehen, sondern durch eine Vereinbarung der Mitgliedstaaten. Finanzminister Schäuble sagt: Das geht nicht anders; man kann das nicht auf den Vertrag stützen. – Interessant ist aber, dass unter den Euro-Staaten allein Deutschland diese Argumentation vorbringt.

(Manfred Zöllmer [SPD]: Das stimmt ja gar nicht!)

Die juristischen Dienste von Rat, Parlament und Kommission sagen aber, das sei mit Art. 114 AEUV vereinbar.

(Manfred Zöllmer [SPD]: Nein, das sagen sie nicht! Das wissen Sie doch!)

Legen Sie doch die entsprechenden Argumentationen vor, damit sich zeigt, wer hier die richtigen Argumente hat. Das Europäische Parlament hat seine Rechtsposition veröffentlicht. Die grüne Bundestagsfraktion hat ein entsprechendes Rechtsgutachten veröffentlicht. Sie können sich mit unseren Argumenten auseinandersetzen. Aber die Bundesregierung hat ihre Rechtsauffassung eben nicht dargelegt, weil sie befürchtet, dass ihre Argumentation in der Luft zerrissen würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie starke politische Argumente hätten, wenn Sie starke juristische Argumente hätten, dann könnten Sie das vorlegen. Ihre Argumentation scheint relativ schwach zu sein.

Hinzu kommt noch: Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Wenn immer dann, wenn es einen Dissens gibt, die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob sie außerhalb des europäischen Rechts agieren können, womit sie das Europäische Parlament umgehen, dann schwächt das die europäische Demokratie entscheidend. Wir meinen, die Bundesregierung ist hier auf einem gefährlichen Irrweg, was mit Blick auf die europäische Demokratie nicht sein darf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Susanna Karawanskij [DIE LINKE])

Die Bundesregierung ist in dieser Frage in Europa ziemlich allein unterwegs. Wenn man allein unterwegs ist, dann muss man sich fragen, ob alle anderen wirklich falschliegen.

(Manfred Zöllmer [SPD]: Das stimmt doch alles gar nicht! – Gegenruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider doch!)

Ich zitiere noch einmal die Berichterstatterin, Frau Wortmann-Kool:

Die Berichterstatter des EP, die praktisch die breite Mehrheit des Europäischen Parlaments vertreten, sagen – ich zitiere erneut –:

– also dieses zwischenstaatliche Abkommen –

Auch die Europäische Zentralbank hat eine kritische Haltung. Dieser Tage hat ihr Direktor Benoît Cœuré gesagt, nötig seien auch ein einheitlicher Mechanismus zur Abwicklung maroder Geldinstitute sowie ein dazugehöriger einheitlicher Fonds zur Finanzierung.

(Zuruf von der SPD: Genau das machen wir auch!)

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit.

Ja. Mir wurde zu Beginn meiner Rede aber eine Minute Redezeit zu wenig angezeigt. Diese Minute müssen Sie mir zusätzlich anrechnen.

Sie haben sechs Minuten Redezeit.

Wirklich?

(Heiterkeit)

Dann komme ich zum Schluss. Nicht nur im Europäischen Parlament und bei der Europäischen Zentralbank, wo die Position der Bundesregierung keine Unterstützung erfährt, sondern auch im Rat ist die Bundesregierung allein unterwegs. Ich kann den entsprechenden Drahtbericht des Rates nicht zitieren, weil er geheim ist, aber Sie wissen, dass ich in diesem Punkt recht habe.

(Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist unfassbar! – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Der Verkehrsfunk aus Brüssel sagt uns: Auf der Straße zur Bankenunion ist die Bundesregierung gerade als Geisterfahrer unterwegs. – Es ist Aufgabe dieses Hauses, die Bundesregierung zu stoppen und endlich für die Einrichtung eines richtigen Bankenabwicklungsfonds zu sorgen, der zügig in Kraft treten kann und endlich Schluss macht mit der teuren Bankenrettung.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei so vielen Zahlen kann es passieren, dass auch bei der Redezeit etwas durcheinandergeht.

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Dr. h. c. Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3213687
Wahlperiode 18
Sitzung 21
Tagesordnungspunkt Europäische Bankenunion
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