Manfred ZöllmerSPD - Europäische Bankenunion
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Wünsche allein etwas verändern könnten, dann würde ein solcher Antrag, wie ihn die Grünen vorgelegt haben, vielleicht einen gewissen Sinn machen. Nur, wir sind hier nicht bei der Fernsehsendung Wünsch dir was; wir sind in der real existierenden Europäischen Union – in der Europäischen Union, lieber Kollege Schick, und nicht in den USA; das ist ein erheblicher Unterschied; das muss man einfach wissen – mit ihren ganz komplizierten Verfahren und schwierigen Kompromissen bei extrem komplexen Themen. Die Einführung einer Bankenunion in Europa ist ein zentraler Schritt, um eine Wiederholung der Bankenkrise auszuschließen.
Ziel Ihres Antrags ist, dass der Bundestag eine Stellungnahme gemäß Art. 23 Abs. 3 Grundgesetz abgibt. Das ist ein wichtiger Artikel. Dort heißt es – ich zitiere jetzt einmal wörtlich –:
Lieber Kollege Schick, „vor ihrer Mitwirkung“ heißt es da! Sie wissen aber doch ganz genau, dass wir in der Endphase der laufenden Verhandlungen sind. Bundestag und Finanzausschuss haben zu diesen Verhandlungen diverse Male Anträge in allen Punkten diskutiert, rauf und runter, und verabschiedet.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Genau! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Es hat sogar einen gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen gegeben.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An den Sie sich erinnern sollten! Auch an den Inhalt!)
Ich habe mir den noch einmal angeschaut.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sarrazin?
Nein, das will ich jetzt nicht zulassen. Ich will meine Argumentation zu Ende bringen. Er kann ja danach noch etwas dazu sagen.
Es soll nicht zur Gewohnheit geben, dass man andere auffordert, später noch einmal zu reden.
Das finde ich auch. Ich hätte dann auch Schwierigkeiten, den Flieger noch zu kriegen.
(Heiterkeit – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nimm den Zug!)
Aber gut, das soll uns jetzt hier nicht stören.
Meine Bitte wäre: Lesen Sie sich diesen gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen noch einmal durch! Dann werden Sie feststellen, dass viele der Forderungen, die wir da gemeinsam formuliert haben, inzwischen Position der Bundesregierung sind.
Es macht doch keinen Sinn, in der Endphase der Verhandlungen neue Detailwünsche, die völlig konträr zu vielem sind, was bisher vereinbart worden ist, an die Bundesregierung heranzutragen. Das geht doch gar nicht. Sie haben Vorschläge gemacht, die rechtlich nicht tragfähig sind. Es sind Vorschläge in Ihrem Antrag, die in sich widersprüchlich sind, und Vorschläge, die fachlich unsinnig sind.
Abwicklung und Restrukturierung von Banken in einer Krisensituation werden immer auch mit rechtlichen Auseinandersetzungen verbunden sein; denn da geht es um viel Geld. Deshalb wäre nichts verheerender, als wenn in einer Krisensituation durch Gerichtsurteile Maßnahmen gestoppt werden, die verhindern sollen, dass die Krise weiter eskaliert. Das heißt, Verfahren müssen gerichtsfest sein und bleiben.
Nun machen Sie den Vorschlag, wieder auf der Basis des Art. 114 AEUV vorzugehen, obwohl Ihnen klar sein muss, dass dies keine tragfähige Rechtsgrundlage darstellt. Eine Reihe von Gutachten haben dies bewiesen.
(Lachen der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche?)
Ich gestehe ja, dass ich am Anfang auch anderer Meinung war, lieber Herr Kollege Schick,
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)
aber es gibt das deutsche Verfassungsgericht mit seiner ganz speziellen Rechtsprechung zu europäischen Fragen. Diese Rechtsprechung ist so speziell, dass viele Verfassungs- und Europarechtler sie nicht mehr nachvollziehen können – ich kann das im Übrigen auch nicht –, aber sie ist nun einmal da. Ich kann hier vielleicht nur einmal auf die Bewertung durch den hochangesehenen Verfassungsrichter Papier hinweisen; er hat sich sehr kritisch zu den letzten Urteilen des Gerichts geäußert. Aber diese Urteile existieren.
(Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wie man angesichts dieser Problemlage mit den Rechtsfragen so schludrig umgehen kann, wie Sie es in Ihrem Antrag machen, das ist mir ein Rätsel.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundesregierung legt doch nichts vor!)
Gut, man kann sagen: Eine Opposition darf das. – Aber eine Regierung sollte dies tunlichst nicht machen.
Dann fordern Sie einen einheitlichen Abwicklungsfonds direkt zum Start des SRM, also am besten im nächsten Jahr. Das ist ein schöner Wunsch; wünschen darf man sich das. Wir haben gehört: Es geht um 55 Milliarden Euro. Der Kollege Troost hat eben deutlich gemacht, wie das mit der Finanzierung aussieht. Wie das Geld in diesen Fonds kommen soll, dazu sagen Sie in Ihrem Antrag kein Wort. Das kann man machen; aber das ist letztendlich nicht seriös.
Dann fordern Sie unter anderem eine Schuldenobergrenze für Banken, eine Leverage Ratio. Diese Forderung ist sinnvoll, und ich unterstütze sie auch; nur, das hat mit den laufenden Verhandlungen zur Bankenunion nichts zu tun.
Die Bankenunion in Europa ist das Ergebnis eines Kompromisses der beteiligten Staaten und Institutionen. Wir haben unsere Forderungen hier klar formuliert, und die Forderungen, mit denen Deutschland in diese Verhandlungen gegangen ist, sind auch im Koalitionsvertrag so festgelegt. Ich muss wirklich sagen, dass Minister Schäuble hart an einem Kompromiss arbeitet und er dabei unsere volle Unterstützung hat. Wir hoffen sehr, dass ein Kompromiss noch vor den Europawahlen möglich wird; das ist absolut notwendig bei diesem Thema.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es geht darum, dass zukünftig nicht mehr der Steuerzahler für marode Banken haften muss. Deshalb bestehen wir auf der Haftungskaskade, durch die – wir haben das eben gehört – zunächst die Eigentümer in die Pflicht genommen werden. Es geht um die Schaffung einer Europäischen Bankenunion. Aufsicht, Sanierung und Abwicklung müssen auf rechtssicherer Grundlage etabliert werden, damit sich das Desaster der Finanzmarktkrise nicht wiederholt.
Es wäre wirklich schön, wenn auch die Grünen im Bundestag und im Europäischen Parlament für diesen Prozess politische Verantwortung übernähmen. Bei dem Antrag, den Sie vorgelegt haben, lieber Kollege Schick, stellt sich jedoch die Frage, wer eigentlich hier als politischer Geisterfahrer unterwegs ist. Diese Frage muss man völlig anders beantworten, als Sie das getan haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Sarrazin.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3211515 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Bankenunion |