Georg NüßleinCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Laufzeiten für Atomkraftwerke
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Ich bin nun auch schon eine Weile Mitglied dieses Hauses; aber die Debatte, die wir hier führen, ist schon einmalig.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war auch eine einmalige Äußerung!)
Der Titel, den Sie ursprünglich für diese Aktuelle Stunde vorgesehen hatten, lautet: Haltung der Bundesregierung zu Äußerungen des Bundesministers a. D. und Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, Dr. Peter Ramsauer, die Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern. – Sie wollen also über die Haltung eines Mitglieds des Deutschen Bundestages zu den Laufzeiten reden.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen wissen, wie die Bundesregierung dazu steht!)
Ich dachte bisher, dass es so läuft: Das Parlament kontrolliert die Regierung. Sie sagen jetzt, die Bundesregierung müsse jede einzelne Äußerung eines Bundestagsabgeordneten kontrollieren.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nur von ihm!)
Das ist eine neue Perspektive, die ich so nicht teilen kann. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie dem Kollegen Ramsauer aus Anlass seines 60. Geburtstages eine Sonderdebatte widmen wollten; das mag sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ansonsten kann es nicht Ihr Ernst sein, dass wir uns in einer Aktuellen Stunde mit einem Interview auseinandersetzen – wir tun es aber leider auf Ihren Antrag hin –, das in weiten Teilen so ist, dass man sogar in Ihren Kreisen nicht darüber diskutieren müsste, weil die Positionen geteilt werden.
Wenn Sie es so wollen, kann ich dieses Interview einmal durchgehen:
Ich habe hier noch keinen anderen Vorschlag gehört als den, den Anstieg zu dämpfen. Dass die Energiewende teuer ist, ist ja wohl Common Sense.
(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ist es!)
Wir arbeiten in der Koalition momentan intensiv an der Frage, wie man die Kosten einigermaßen in den Griff bekommt.
Nun will ich gar nicht darauf eingehen, wie es so weit gekommen ist. Sonst müsste ich Ihnen vorhalten, was ich Ihnen hier schon manchmal vorgehalten habe, nämlich dass Sie die Photovoltaik über das EEG zu früh an den Markt gebracht haben,
(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch schon acht Jahre an der Regierung!)
wodurch es zu teuer wurde, und dass die Hälfte der EEG-Umlage insbesondere grüner Ideologie geschuldet ist. Das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier die ganze Zeit?)
– Das EEG ist aber von Ihnen. Oder wollen Sie das etwa auch leugnen? Das glaube ich doch nicht.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat es aber auch funktioniert! Es hat angefangen, nicht mehr zu funktionieren, seitdem Sie regieren, Herr Nüßlein! Das ist genau das, was einen aufregt!)
Das war zu früh, und es war zu teuer. Es war nicht machbar, es rechtzeitig so zu gestalten, wie wir uns das vorgestellt haben.
Peter Ramsauer sagte weiter:
Auch das müsste doch unsere gemeinsame Handlungsgrundlage sein. Das, was uns momentan aus Brüssel droht, ist die Grundlage für eine Deindustrialisierungswelle in Deutschland,
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und die wollen wir alle nicht. Oder sind Sie da anderer Auffassung?
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst gingen die Lichter aus, und jetzt droht die Deindustrialisierung!)
Die Grünen haben bei Differenzkosten von 0,2 Cent eine Härtefallregelung eingeführt. Jetzt liegen die Differenzkosten bei 6,24 Cent.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ihrer Verantwortung, Herr Nüßlein!)
Wenn der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses sagt: „Das ist sehr bedenklich, insbesondere, wenn Brüssel die Ausnahme kippen will“, dann ist das doch ehrenhaft. Das muss er in seinem Amt auch sagen dürfen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Ramsauer hat auch gesagt:
Ich persönlich
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja?)
teile das als politische Zielsetzung nicht.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Aber er beschreibt damit das, was wir ursprünglich getan haben: Wir haben die Laufzeiten damals verlängert, weil wir wussten, dass die Energiewende teuer und zeitaufwendig wird und dass wir Geld und Zeit brauchen, um sie umzusetzen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie jetzt doch für eine Laufzeitverlängerung?)
Wir haben uns wohlweislich – da lassen wir uns von Ihnen nichts anhängen – für einen anderen demokratischen Weg entschieden, weil die breite Mehrheit der Bevölkerung, auch unsere Wählerinnen und Wähler, gesagt haben: Wir wollen keine Kernenergie. Aber wir haben immer auf die Konsequenzen hingewiesen: teuer, schwierig, sehr komplex.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts ist so teuer wie Atomkraft!)
Sie haben uns immer als „Atomlobbyanhänger“ und was weiß ich noch alles verunglimpft.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie sich doch von den Zahlen überzeugen!)
Sie haben so getan, als ginge die Energiewende kostenlos vonstatten, als wäre sie billig zu haben, als käme es auf Geld gar nicht an.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, also wir nicht! Sie haben so getan, als würde die Atomkraft nichts kosten!)
– Doch, ein großer Teil der Grünen hat so getan, als wäre eine hundertprozentige Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energien schon ab morgen möglich, als wäre alles ganz einfach, als würde sie nicht mehr Geld kosten.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ganz bestimmt nicht, Herr Nüßlein! Das glauben nicht einmal Ihre eigenen Leute!)
Sagen Sie doch, wie es ist: Sie kostet mehr Geld! Warum haben Sie ein Problem damit, uns an dieser Stelle recht zu geben?
(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring- Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so albern!)
All das heißt aber nicht, dass wir zurück zur Kernenergie wollen. Das heißt vielmehr, dass wir in einen konstruktiven Dialog eintreten müssen, um zu klären, wie wir diese Energiewende so gestalten, dass unsere Wirtschaft am Ende nicht am Boden liegt; denn sonst wird uns auf diesem Weg niemand folgen. Dann wäre die Energiewende in Deutschland eine Insellösung, die niemanden interessiert.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie ganz schlecht gemacht, Herr Nüßlein!)
Jeder wird über uns lachen. Das ist die Sorge unseres Ausschussvorsitzenden Peter Ramsauer. Ich bitte Sie, das wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen und wenigstens diese Ansicht zu teilen. Das wäre mir sehr wichtig.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia Kotting- Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nehmen Ihre Bemühungen wohlwollend zur Kenntnis! Das war kein leichter Job, Herr Nüßlein!)
Das Wort hat der Kollege Hubertus Zdebel für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3228141 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 22 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Laufzeiten für Atomkraftwerke |