20.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 23 / Tagesordnungspunkt 5

Birgit WöllertDIE LINKE - Haftpflichtproblematik bei Hebammen

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute sage ich ausdrücklich auch: Liebe Gäste! Sie werden gleich hören, warum ich mich heute auch an Sie wende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, erst einmal vielen Dank für diesen Antrag. Wir haben vor, einen ähnlichen Antrag zu stellen. Sie sind uns etwas zuvorgekommen.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Zu spät!)

Das ist aber nicht so schlimm. Wir wollten noch die Antwort auf unsere Kleine Anfrage an die Bundesregierung zur wirtschaftlichen Lage der Hebammen und Entbindungspfleger abwarten. Ich gehe davon aus, dass die Antwort dann in unsere gemeinsame Lösungsfindung einfließen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, dass es einen großen Konsens geben wird, diesen Antrag im Ausschuss zu diskutieren, und es gibt sicher auch einen Konsens, eine Lösung finden zu wollen.

Allerdings – auch das muss ich sagen – ist das Problem so neu auch wieder nicht; denn es beschäftigt und bewegt uns und ganz viele Menschen in diesem Land schon seit längerem. Das gilt übrigens nicht nur für Eltern, sondern in hoher Zahl auch für Großeltern. Ich kann hier für mich sprechen. Ich möchte, dass auch alle meine Enkelkinder dann meine Urenkel sicher auf die Welt bringen können. Die Voraussetzungen und die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen dafür haben wir jetzt hier zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt kommt mein Appell an Sie, liebe Gäste: Seit gestern gibt es im Internet eine öffentliche Petition mit der Nummer 50667 und dem Titel „Gesundheitsfachberufe – Sicherstellung der flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung mit Hebammenhilfe“. Die Mitzeichnungsfrist läuft vom 19. März 2014 bis zum 16. April 2014. Kommen in diesem Zeitraum 50 000 Unterschriften oder Mitzeichnungen über das Internet zustande, dann wird der Petitionsausschuss eine öffentliche Sitzung zu dieser Thematik durchführen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die löst dann das Problem?)

Bis heute sind es bereits 27 500 Unterschriften. Das ändert sich stündlich.

(Beifall bei der LINKEN – Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Und wie heißen die?)

Stündlich erfolgen mehr als 1 000 Mitzeichnungen im Internet,

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Aufzählen! Vorlesen!)

und ich fordere Sie auf, dazu beizutragen, dass die geforderte Zahl deutlich überschritten wird. Sie alle haben das mit in der Hand.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal bei der Initiatorin, Frau Schmuck aus Ingolstadt, recht herzlich bedanken.

Schon vor rund vier Jahren hat meine Fraktion, Die Linke, hier einen ähnlichen Antrag wie heute Bündnis 90/Die Grünen eingebracht, und zwar mit dem Titel „Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherstellen“. Das heißt, mindestens seit diesem Zeitpunkt beschäftigt uns diese Frage. Die Hebammen waren damals nämlich in der gleichen miesen Situation.

2010 stellte die Linke fest, dass nur noch 30 Prozent der Hebammen und Entbindungspfleger von ihrem Beruf leben können. Wie sieht es jetzt, vier Jahre später, aus? Nach Presseangaben, die wir alle reichlich verfolgen können, lagen die Stundenlöhne einer freiberuflichen Hebamme oder eines Entbindungshelfers zwischen 2011 und 2014 bei durchschnittlich 7,50 Euro bis 8,50 Euro. Angemessener Verdienst für diese verantwortungsvolle Tätigkeit sieht wohl anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Für ein so reiches Land wie Deutschland ist es einfach nur beschämend, wie wir mit den Menschen umgehen, die unserer Zukunft – so nennen wir unsere Kinder so schön vollmundig – auf die Welt helfen. Ich denke, Herr Minister, da tragen Sie eine Verantwortung. Aus Steuermitteln werden im Bereich Gesundheit vor allem versicherungsfremde Leistungen bezahlt. Vielleicht sollten Sie einmal überlegen, dass von den 3 Milliarden Euro, die sich der Finanzminister zurückholen möchte, ein winziger Teil in zweistelliger Millionenhöhe ausreichen würde, um das Problem schnell zu lösen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Sie haben das Problem nicht verstanden!)

2010 schlug die Linke vor, in einem Treffen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Hebammenverband deutliche Vergütungserhöhungen zu vereinbaren und auch die steigenden Haftpflichtprämien abzusichern. Ich muss sagen: Wenigstens die Übernahme der steigenden Haftpflichtprämien – Sie haben das vorhin angeführt – hat geklappt. Seit 2012 werden diese Kosten von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen.

Anders dagegen sieht es mit der Gesamtvergütung der Hebammen aus; denn sie ist immer noch nicht auskömmlich, wie ich das schon sagte. Zur Hebammentätigkeit gehört eben noch viel mehr, als Kinder auf die Welt zu holen. Hebammentätigkeit – so haben wir es uns von den Hebammen erklären lassen – ist vor allem auch die Betreuung der Mütter vor und nach der Geburt, und zwar über einen längeren Zeitraum. Ich denke, das müssen wir uns auch etwas kosten lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

2010 stellte die Linke fest: Eine flächendeckende Versorgung mit Geburts- und Hebammenhilfe ist gefährdet. – Vorige Woche, also vier Jahre später, wurde im Bundesrat ein Entschließungsantrag zum gleichen Thema behandelt. So ein langer Zeitraum ist beschämend. Was hat sich eigentlich in diesen vier Jahren getan? Machen Sie es besser als Ihr Kollege von der FDP!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Situation in meiner Heimatregion Cottbus-Spree- Neiße kann ich sagen: Dort gab es 2004 noch insgesamt vier Entbindungsstationen. Entbindungsstationen gibt es jetzt nur noch in Cottbus und Forst, womit ihre Zahl auf zwei abgesenkt worden ist. In Spremberg haben wir deshalb aus der Not eine Tugend gemacht und 2005 ein Geburtshaus am Krankenhaus gegründet. Die dort freiberuflich tätigen Hebammen haben eine verantwortungsvolle Arbeit. Die Menschen aus Spremberg und der Region nehmen diese Einrichtung gut an. Aber die Hebammen sind jetzt schon wieder in einer Notsituation. Da haben wir sie gefälligst herauszuholen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist für junge Leute nicht attraktiv, einen Beruf mit solchen Aussichten zu ergreifen. Ein Beispiel ebenfalls aus Brandenburg: Nur im Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus gibt es hierzu alle drei Jahre einen Ausbildungslehrgang mit 17 Plätzen. Diese 17 Plätze sind seit 2007 noch nie vollständig belegt gewesen.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ändern Sie das doch in Brandenburg! Da sind Sie doch an der Regierung!)

So viel zur Motivation für junge Leute.

Während wir in unserem Antrag 2010 noch konstatierten, dass die Gründe für diese Entwicklung unklar seien, wissen wir heute: Es gibt Gründe für die Steigerung der Prämien. Deshalb ist es richtig, zügig nach einer Neuordnung der Berufshaftpflicht für Gesundheitsberufe zu sorgen.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das hat der Minister doch gar nicht infrage gestellt, dass das passiert!)

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fachgebiete und Tätigkeiten mit einem hohen Haftungsrisiko nicht zwingend zu hohen Prämien führen müssen; denn im Interesse der Daseinsvorsorge brauchen wir sowohl die risikostärkeren als auch die risikoärmeren Gesundheitsleistungen für unsere Bevölkerung. Deshalb sind jetzt die verschiedenen Modelle im Gespräch.

Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion mit einem möglichst schnellen und langfristig haltbaren Ergebnis.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das Wort hat für die SPD-Fraktion Dr. Karl Lauterbach.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3231155
Wahlperiode 18
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Haftpflichtproblematik bei Hebammen
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