20.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 23 / Tagesordnungspunkt 5

Karl LauterbachSPD - Haftpflichtproblematik bei Hebammen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kritik, dass sich in der schwarz-gelben Koalition im Bereich der Hebammenversorgung nicht viel bewegt hat, habe ich selbst in der letzten Legislaturperiode vorgetragen. Aber diese Kritik ist heute schlicht und ergreifend unfair.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Wo ist da die Logik?)

Denn wir haben gemeinsam in den Koalitionsvertrag aufgenommen, die Hebammenversorgung sicherzustellen, und wir, Herr Gröhe, die Unionsfraktion und meine Fraktion, haben die Arbeit daran sofort aufgenommen und das auch kommuniziert. Wir sind sofort mit den Hebammenverbänden in Gespräche getreten, mit den kleinen Verbänden wie mit den großen. Wir haben mit einzelnen Repräsentanten der Hebammen gesprochen. Noch während der Koalitionsverhandlungen habe ich Teile der Petition entgegengenommen. Wir kommunizieren ständig Zwischenergebnisse. Ich frage daher: Ist es nicht so, dass hier auch ein bisschen Populismus betrieben wird, wodurch bei den Hebammen der Eindruck entsteht, wir würden nichts tun, derweil wir mit voller Kraft an diesem Thema arbeiten?

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage auch in aller Klarheit: Das Problem ist nicht so simpel zu lösen, indem man einen Antrag einbringt, in dem – seien wir doch ehrlich miteinander – so gut wie nichts steht.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was wollen Sie denn haben?)

Darin steht nur, dass wir für dieses große Problem eine Lösung finden müssen. Herzlichen Glückwunsch! Das wissen wir seit vier Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wird es jetzt Zeit!)

Zunächst einmal ist es so: Wir haben in Deutschland eine gute Versorgung mit Hebammen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch!)

Das Kernproblem liegt darin, dass es derzeit eine kleine Gruppe von Hebammen gibt, für die die Versicherungsprämie nicht bezahlbar ist. Das sind im Wesentlichen die freiberuflichen Hebammen. 10 Prozent der Hebammen arbeitet ausschließlich freiberuflich. Diese Hebammen betreuen im Durchschnitt 18 Geburten pro Jahr. Die Hälfte betreut weniger als zehn Geburten pro Jahr. Die Versicherungsprämie beträgt aber 5 000 Euro pro Jahr. Das ist ungerecht; denn es entspricht einem Betrag von 500 Euro pro Geburt. Dass das nicht funktionieren kann, ist uns klar. Daran ändert die Verlagerung derselben Versicherung zu einem anderen Versicherungsträger – ob Unfallversicherung oder Rentenversicherung – mit einem einzigen Anbieter überhaupt nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Frage ist, wie hoch die Kosten der Versicherung mit Blick auf die Zahl der Geburten sind. Wir arbeiten fieberhaft an einer guten und rechtssicheren Lösung. Das ist viel komplizierter, als Sie es in populistischer Art und Weise erscheinen lassen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn populistisch an unserem Antrag?)

Wir lehnen eine Lösung mit einer Schadensbegrenzung – darin stimme ich Minister Gröhe und meinen Vorrednern zu –, die zulasten der Kinder und Eltern geht, kategorisch ab.

(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch! – Maria Klein- Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun alle! Das ist eine Unverschämtheit!)

Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Deckungssumme im Gruppenvertrag für die Hebammen beträgt derzeit 6 Millionen Euro. Diese Deckungssumme wollen wir nicht reduzieren, egal wie die Lösung aussieht. 1,5 Prozent der Schäden machen 50 Prozent der gesamten Schadenssumme aus. All diese Schäden sind teurer als 1,5 Millionen Euro pro Kind. Für diese schweren Fälle brauchen wir eine Lösung, aber keine populistische,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist daran populistisch, bitte?)

sondern eine Lösung, die rechtlich trägt – auch verfassungsrechtlich – und die bezahlbar ist,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

sowohl von den Geburtshäusern als auch insbesondere von den Hebammen, die nur wenige Geburten begleiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

In dem jetzigen System ist es sogar so, dass Hebammen, die viele Geburten betreuen, einen Gewinn machen, weil die durchschnittlichen Kosten pro Geburt für die Abdeckung der Versicherung bei jemandem, der 100 Geburten pro Jahr begleitet, die tatsächlichen Kosten der Versicherung übersteigt. Daher ist der Ehrlichkeit halber und zur Vermeidung von Populismus auch darauf hinzuweisen, dass es innerhalb der Hebammenverbände Unstimmigkeiten darüber gibt, wie das Problem zu lösen ist. Denn das jetzige System funktioniert für einige Hebammengruppen sehr gut. Sie wollen eine Lösung innerhalb dieser Logik. Andere Gruppen kommen zu kurz. Für die Gruppen, die zu kurz kommen, brauchen wir eine Lösung. Dafür treten wir an.

Wir brauchen zudem dringend – damit bin ich bei einem Punkt, der bei allem, was wir bisher angesprochen haben, viel zu kurz gekommen ist – eine Qualitätsstudie, aus der hervorgeht, wie gut unsere Hebammenversorgung eigentlich ist, wie stark die Qualität davon abhängt, wie und wo die Geburt erfolgt und ob es einen Zusammenhang zur Zahl der Geburten gibt. Das alles ist in Deutschland nicht bekannt. Aus meiner Sicht ist es fahrlässig, nur eine Versicherungslösung zu fordern, ohne sich für die Qualität der Versorgung zu interessieren.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Antrag noch nicht einmal gelesen!)

Die Beseitigung dieser Informationsdefizite sind wir den Kindern und den Eltern schuldig. Daher werden wir eine Lösung finden, die auf einer Untersuchung der Qualität der Hebammenversorgung und der Geburtshilfe in Deutschland basiert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir wollen eine zeitnahe Lösung. Die Lösung soll sicher, insbesondere rechtssicher sein. Sie soll die Kosten gerecht verteilen. Wir wollen – dazu bekennen sich die SPD und die Große Koalition klipp und klar – die Vielfalt der Geburtsmöglichkeiten erhalten. Wir wollen die Hausgeburt, die Klinikgeburt und die Beleggeburt genauso wie Geburten in Geburtshäusern. Die Vielfalt soll erhalten werden, genauso wie die unterschiedlichen Möglichkeiten, als Hebamme zu arbeiten. Wir wollen die rein freiberuflich tätige Hebamme, die Beleghebamme, die Klinikhebamme genauso wie die Hebamme, deren Arbeit eine Mischform darstellt. Wir wollen diese ganze Vielfalt erhalten. Dann ist aber ein Schnellschuss, wie ihn – bei allem Respekt – der vorliegende grobe Antrag darstellt, nicht möglich.

(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein Schnellschuss!)

Wir arbeiten seit Wochen an diesem Thema. Wir haben gerade die Anhörung der Verbände ausgewertet. Die Lösungen, die wir derzeit erarbeiten, werden rechtlich und inhaltlich geprüft. Wir brauchen noch ein paar Wochen. Aber dann legen wir etwas vor, was in den letzten Jahren nicht zustande gekommen ist. Wir brauchen aber Geduld. Wir wollen die Qualität verbessern. Wir wollen zudem die Hebammenversorgung auf dem Land ausbauen. Es geht nicht nur um Erhalt. Auf dem Land gibt es großflächige Versorgungsdefizite. Diese wollen wir beheben.

Verbesserung der Qualität sowie Sicherstellung der Versorgung auf dem Land und der Vielfalt sind unsere Ziele. Für eine entsprechende Lösung brauchen wir noch ein paar Wochen. Aber wir arbeiten fieberhaft daran. Ich bitte um das notwendige Vertrauen. Bitte hetzen Sie die Hebammen nicht auf!

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist es aber gut! – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt langt es aber!)

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Lauterbach.

Ich komme zum Schluss. – Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir dieses Thema nicht ernst nehmen. Das tun wir sehr wohl. Das ist für uns eine Herzensangelegenheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Danke, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist Kordula Schulz-Asche für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3231156
Wahlperiode 18
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Haftpflichtproblematik bei Hebammen
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