20.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 23 / Tagesordnungspunkt 5

Bettina MüllerSPD - Haftpflichtproblematik bei Hebammen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Protestaktionen der Hebammen wegen der Berufshaftpflicht begleiten uns nun schon einige Jahre. Wir erleben heute nicht die erste Debatte in dieser Sache, und nicht zum ersten Mal solidarisieren sich die Mitbürgerinnen und Mitbürger berechtigterweise mit dem Anliegen der Berufsverbände. Die Empörung ist verständlich. Der drohende Ausstieg des letzten Versicherers zwingt zum Handeln, und es wird auch gehandelt. Der Minister und Karl Lauterbach haben geschildert, dass alle Beteiligten ressortübergreifend an Lösungsmöglichkeiten arbeiten.

SPD und Union haben das im Koalitionsvertrag vereinbart. Der Bundesrat hat eine Entschließung verabschiedet. Heute liegt uns ein Antrag der Grünen vor. Das ist ein wichtiges Signal an die Hebammen: Es wird bereits intensiv und gemeinsam nach Lösungen gesucht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mir ist es aber auch wichtig, heute noch eine andere Botschaft auszusenden, nämlich die, dass in Deutschland die Geburtshilfe insgesamt nicht in Gefahr ist. Weder steht ein Berufszweig vor dem Aus, noch werden Schwangere alleingelassen. Auch das Wahlrecht wollen wir nicht zur Disposition stellen. So emotional das Thema auch ist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir alle sollten uns um eine Versachlichung der Debatte bemühen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zur sachlichen Darstellung gehört, dass in Deutschland fast alle Geburten, nämlich 98 Prozent, in einem Krankenhaus erfolgen. Nur etwa 2 Prozent der Frauen entscheiden sich für eine außerklinische Geburt, zu Hause oder in einem Geburtshaus.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn wir noch ein bisschen abwarten, sind es 100 Prozent!)

Um diese Geburten kümmern sich bundesweit circa 3 500 freiberufliche von insgesamt 21 000 Hebammen.

Die Zahlen des IGES von 2012 zeigen: Im Krankenhaus werden etwa 20 Prozent der Geburten von Freiberuflichen betreut, die dort als Beleghebammen arbeiten. Viele Beleghebammen begleiten zusätzlich auch Hausgeburten und kommen mit den Zuschlägen der Kassen für die Prämien gerade so über die Runden; das ist schon dargestellt worden. Existenzbedrohend ist die Situation natürlich für die Hebammen, die ausschließlich im außerklinischen Bereich arbeiten.

Es steht also nicht die gesamte Geburtshilfe infrage, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern es geht um ein Problem der Berufshaftpflicht für einen Teil der Hebammen und bei einem kleinen Teil der Geburten. Aber ganz klar ist: Dieses Problem muss dringend gelöst werden. Die Hebammen sollen sich nicht länger von einer Vereinbarung mit den Krankenkassen zur anderen hangeln müssen. Auch die Versicherungswirtschaft darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag der Grünen geht insofern in die richtige Richtung, als eine langfristige Neuordnung der Berufshaftpflicht für die Gesundheitsberufe gefordert wird. Aber über diese Überlegungen besteht ohnehin Konsens zwischen allen Akteuren.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach?)

Wir müssen jedoch auch die langfristigen Perspektiven für die Geburtshilfe sehr viel mehr in den Fokus rücken. Mit Blick auf die Trends und Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung ist die Haftpflicht letztlich nur ein Thema unter vielen, wenn auch ein drängendes. Der Blick auf andere wichtige Fragestellungen darf hierdurch jedoch nicht verstellt werden.

Die Geburtshilfe in der Fläche, im unterversorgten ländlichen Raum, muss auch bei weiter sinkenden Geburtenzahlen sichergestellt sein. Das gilt für Geburten im Krankenhaus ebenso wie für Hausgeburten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Geburtshilfe ist aber auch hier nur Teil einer Debatte um künftige Versorgungsstrukturen und damit Teil eines ohnehin notwendigen Gesamtkonzeptes.

Die hohe Anzahl der Entbindungen durch Beleghebammen ist ein Beispiel, wie Krankenhäuser schon jetzt mit Sparzwängen umgehen: Geburtsstationen werden abgebaut, Leistungen werden outgesourct und an Beleghebammen abgegeben. Natürlich garantieren Beleghebammen das Wahlrecht der Frauen, sich – völlig zu Recht – eine Hebamme ihres Vertrauens auszusuchen. Aber mir als Sozialdemokratin wäre es natürlich schon lieber, diese Hebammen hätten dann eine ordentlich bezahlte Festanstellung und eine vom Krankenhaus bezahlte Haftpflichtversicherung und kein prekäres, freiberufliches Arbeitsverhältnis, mit dem sie kaum über die Runden kommen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])

Im Rahmen der ärztlichen Versorgung beginnt ja gerade eine kritische Diskussion über die Freiberuflichkeit. Warum sollten wir dann ausgerechnet bei Hebammen den umgekehrten Weg einschlagen? Natürlich müssen wir zunächst für die freiberuflichen Hebammen in der ambulanten Versorgung nach einer nachhaltigen Lösung suchen. Sie müssen in künftige demografiefeste Versorgungsstrukturen eingebunden und auskömmlich vergütet werden.

Die notwendige Lösung der Haftpflichtproblematik, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann allerdings nur der Startschuss für eine weiter gehende Debatte sein. Damit wird sich die SPD in den nächsten drei Jahren intensiv beschäftigen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller. – Nächster Redner in der Debatte ist Erich Irlstorfer – ich hoffe, ich habe es einigermaßen bayerisch ausgesprochen – für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3231194
Wahlperiode 18
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Haftpflichtproblematik bei Hebammen
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