Erich IrlstorferCDU/CSU - Haftpflichtproblematik bei Hebammen
Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur aktuellen Debatte über Hebammen. Das heutige Thema ist seit Wochen Gegenstand breiter gesellschaftlicher Diskussionen.
In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die Haftpflichtversicherung der Hebammen drastisch gestiegen. Sie haben sich in zehn Jahren nahezu verzehnfacht. Die Prämien liegen aktuell bei 4 000 bis 5 000 Euro pro Jahr. Angestellte Hebammen sowie solche, die keine Geburtshilfe leisten, sind von den Kostensteigerungen nicht betroffen.
Grund für die Kostensteigerungen sind die hohen Summen, die inzwischen vor Gerichten für Geburtsschäden erstritten werden. Anders als von einigen angenommen – das möchte ich in dieser Diskussion betonen –, hat sich die Höhe der Haftpflichtprämien nicht aufgrund einer Zunahme von Hebammenfehlern erhöht. Dank des medizinischen Fortschritts können Menschen mit Behinderungen in der Folge solcher Fehler mit ihren Beeinträchtigungen deutlich länger als früher leben. Daher sind die Schadensersatzsummen deutlich angestiegen.
Als Union haben wir die Situation der Hebammen auch weiterhin im Blick. Die zuvor schon mehrfach angesprochene Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Hebammenverbände wurde einberufen, um sämtliche wichtigen Aspekte der Hebammenversorgung näher zu untersuchen. Zur Klärung der Problematik ist auch – ich glaube, das ist wichtig – der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft mit einbezogen worden. Der Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe befindet sich gerade in der Abstimmung mit den Hebammenverbänden und wird demnächst veröffentlicht; der Herr Minister hat es gesagt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist aus meiner Sicht wichtig, diese Debatte auf Grundlage von Daten und Fakten zu führen. Fakt ist eine Explosion der Haftpflichtprämien für – nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes – etwa 3 500 freiberufliche Hebammen sowie der Ausstieg der Nürnberger Versicherung aus der Hebammenversicherung. Dies könnte nicht nur zu einer Bedrohung dieses Berufsstandes, sondern damit auch zu Versorgungsproblemen in der Geburtshilfe führen.
Richtig ist aber auch: Wenn immer weniger freiberufliche Hebammen Geburtshilfe anbieten können, wird in Zukunft das Recht auf Wahlfreiheit des Geburtsortes nicht mehr gewährleistet sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schon jetzt gibt es sowohl in den städtischen Ballungsräumen als auch in dünner besiedelten Gebieten Engpässe in der Versorgung durch freiberufliche Hebammen.
Richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist aber auch: Ein Großteil der Freiberuflerinnen hat sich längst auf die Vor- und Nachsorge spezialisiert. Die Zahl der Hausgeburten ist eher gering. Die Zahl der Kinder, die in Deutschland außerhalb von Kliniken geboren werden, liegt seit Jahren zwischen rund 10 000 und 12 500 Kindern; diese Zahlen sind für mich nicht unerheblich, aber so sind die Zahlen. Die meisten Frauen, die ein Kind erwarten – das darf man nicht verschweigen –, gehen aus Sicherheitsgründen zur Geburt lieber in ein Krankenhaus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als Abgeordneter der CSU vertrete ich die Ansicht, dass es auch in Zukunft die freie Entscheidung einer werdenden Mutter bleiben muss, ob sie zu Hause, in einem Geburtshaus oder in einem Krankenhaus entbinden möchte.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
In allen genannten Bereichen muss die Qualität der Versorgung gewährleistet bleiben. Eine moderne Gesundheitspolitik geht vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Auch vor diesem Hintergrund muss sie sich an der Qualitätsfrage orientieren.
(Beifall des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/ CSU])
Verschiedene medizinische Studien zeigen, dass Hausgeburten gefährlicher ablaufen können – ich sage bewusst: können – als Geburten in Kliniken. Viele Hausgeburten enden im Krankenhaus. Hier ist eine umfassende Beratung der werdenden Eltern absolut notwendig. Auch muss über mögliche Konsequenzen in Haftungsfragen diskutiert werden, wenn sich Eltern freiwillig und bewusst für diese Form der Geburt entscheiden.
Für uns als CDU/CSU-Fraktion ist klar: Die Versorgung in der Fläche im Bereich der Geburtshilfe muss gewährleistet bleiben. Zugleich stehen wir dazu, dass Hebammen angemessen vergütet werden müssen und die Haftpflichtproblematik endlich gelöst wird.
Lassen Sie uns aber bitte den Bericht der Arbeitsgruppe abwarten. Nur so kann eine zielgerichtete Diskussion auf der Grundlage von Fakten geführt werden. Sich vor Kenntnis sämtlicher Aspekte über eine bestimmte Fragestellung zu unterhalten, kann nicht Sinn der Sache sein.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss: Zum Teil sind die im Antrag der Grünen geforderten Punkte, wie die Abbildung der Kostensteigerungen in der Vergütung, bereits umgesetzt worden, andere werden derzeit noch in den jeweiligen Institutionen diskutiert. Aber ich sage auch: Alle Beteiligten und Betroffenen brauchen dauerhaft tragfähige und finanzierbare Lösungen. Das ist notwendig. Deshalb glaube ich, dass es richtig ist, wenn dem vorliegenden Antrag heute nicht zugestimmt wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege. Das ganze Haus gratuliert Ihnen von Herzen zu Ihrer ersten Rede zu einem sehr schönen Thema.
(Beifall)
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit im Deutschen Bundestag.
Nächste Rednerin ist Marina Kermer von der SPD- Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3231195 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 23 |
Tagesordnungspunkt | Haftpflichtproblematik bei Hebammen |