Marina KermerSPD - Haftpflichtproblematik bei Hebammen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das Thema der heutigen Debatte beschäftigt uns nun schon seit Jahren. Bisher wurde keine langfristig tragbare Lösung gefunden. Das ist auf Dauer weder für die Hebammen noch für die werdenden Mütter haltbar. Deshalb werden wir das ändern. Das hat Minister Gröhe bereits erklärt, und ich habe keinen Zweifel daran, dass uns das gelingt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Über die nunmehr abzuwartenden Modellvorschläge werden wir dann mit Sicherheit sachlich reden. Bis dahin kann man nur ein paar der Annahmen aus dem heute vorliegenden Antrag diskutieren und die eine oder andere Behauptung geraderücken.
Wir wissen: Hebammen leisten unverzichtbare Arbeit vor, bei und immer stärker auch nach der Geburt; verstärkt auch für Frauen, die stationär entbunden haben. Durch die kürzere Verweildauer im Krankenhaus nach einer Entbindung wird die fachliche Nachsorge zu Hause immer wichtiger.
Dazu kommen gesellschaftliche Faktoren. Den klassischen Familienverband gibt es immer seltener und damit auch weniger direkte Hilfe und Unterstützung durch Familienangehörige. Hebammen sind vor Ort, bei den Familien und können besonders nach der Geburt erste Warnzeichen der Überforderung erkennen und die Familien direkt unterstützen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE])
Wenn wir uns klar dazu bekennen, dass wir die Arbeit der Hebammen wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie ihre Arbeit verantwortungsvoll ausführen und davon auch leben können. Ich denke, darin sind wir uns alle im Hause einig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Uneinig sind wir uns bei der Bewertung der gegenwärtigen Versorgungslage. Der überwiegende Teil der Geburten findet in Krankenhäusern statt. Nur rund 1,7 Prozent der Geburten erfolgen nicht stationär. In den Krankenhäusern gab es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2012 circa 888 Fachabteilungen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit rund 33 400 Betten. Der Nutzungsgrad der Betten lag bei 58,1 Prozent. Damit arbeiten die Krankenhäuser noch nicht an ihrer Kapazitätsgrenze. Ich finde es nicht richtig, Ängste zu schüren; denn wir gehen nicht sehenden Auges in eine Unterversorgung bei der Geburtshilfe.
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei der Vielfalt der Geburtshilfe!)
Was die Erreichbarkeit von Krankenhäusern mit Geburtshilfe angeht, wurde im IGES-Gutachten festgestellt: Für die Mehrheit der Frauen, nämlich für 88 Prozent, sind Krankenhäuser mit einer Entfernung von unter 10 Kilometern zu erreichen. Auch das spricht für eine gute stationäre Versorgung. Richtig ist: Es gibt gerade in ländlichen Räumen Regionen, die nicht optimal durch stationäre Angebote versorgt sind. Hier müssen wir ansetzen. Denn die Wahlfreiheit zwischen stationärer und nichtstationärer Entbindung setzt voraus, dass sich ein Krankenhaus im Notfall in Reichweite befindet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE])
Darüber hinaus kommen bei 20 Prozent der geplanten außerklinischen Geburten die Kinder doch im Krankenhaus zur Welt.
Ein Gedanke fehlt im vorliegenden Antrag völlig: Das bloße Vorhandensein einer Versorgungseinrichtung garantiert nicht automatisch eine qualitativ gute Versorgung, so wie das bloße Vorhandensein von Hebammen noch keine sichere Geburt garantiert.
Wir haben das Thema „flächendeckende Versorgung und Qualität“ in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle daran erinnern, worum es uns primär geht. Es geht nicht nur um Haftpflichtversicherungsprämien und die Frage, ob und wie lange sich die Ausübung des Berufs der Hebamme finanziell rechnet. Es geht um Menschenleben – um das der Kinder und der Mütter.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ja, die Entscheidung für eine Hebamme ist eine extrem emotionale Entscheidung. Nach einer langen, oft sehnsüchtig erwarteten Schwangerschaft steht der Geburtstermin bevor. Neben der Vorfreude auf das Baby gibt es auch Sorge und Angst im Hinblick darauf, dass die Geburt für Mutter und Kind hoffentlich gut verlaufen wird. Genau dann hat man die wichtige Entscheidung über die Art der Entbindung zu treffen, und zwar für sich und das Kind. Deshalb sollten die werdenden Eltern wissen, welche Hebamme wie viele Geburten mit welchen Erfolgen oder Komplikationen aufweisen kann, bevor sie sich entscheiden – entscheiden für eine stationäre oder außerstationäre Entbindung, mit der Hebamme des Vertrauens in der Klinik, im Geburtshaus oder in der vertrauten familiären Atmosphäre.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollegin Kermer. Auch für Sie vom ganzen Haus Beifall für Ihre erste Rede.
(Beifall)
Wir wünschen Ihnen von Herzen eine gute Arbeit hier im Deutschen Bundestag.
Nächste und abschließende Rednerin in dieser Debatte ist Dr. Katja Leikert für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3231198 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 23 |
Tagesordnungspunkt | Haftpflichtproblematik bei Hebammen |