Alois KarlCDU/CSU - Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist, Herr Präsident, Frühlingsbeginn. Ich habe heute meine Stimme fast verloren, nicht wegen des Antrags der Linken, sondern wegen grippaler Einflüsse. Bevor es mir gänzlich die Stimme verschlägt, Herr Präsident, möchte ich gleich das Ergebnis vorwegnehmen: Wir als CDU/CSU und auch unser Koalitionspartner lehnen den Antrag der Linken ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Damit komme ich zum Inhalt. In wenigen Wochen begehen wir einen Geburtstag: Am 23. Mai 1949, also vor 65 Jahren, ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten, mit vielen Freiheitsrechten, unter anderem in Art. 9 Abs. 3 mit dem Recht auf Koalitionsfreiheit. Das umfasst aber nicht nur das Recht, eine arbeitsrechtliche Koalition zu begründen, sondern auch die Betätigungsfreiheit. Die Tarifvertragsparteien haben davon in den letzten 65 Jahren in außerordentlich ernster und korrekter Weise Gebrauch gemacht und haben die tariflichen Belange sinnvoll geregelt. Die Tarifvertragsparteien waren immer frei in ihrer Betätigung, frei von staatlichen Einflüssen, frei von staatlicher Bevormundung und frei in der Gestaltung ihrer Vertragsangelegenheiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe in dem Antrag der Linken – das ist vorhin schon kurz angesprochen worden – das Gegenteil. In diesem soll es auf eine Reglementierung hinauslaufen.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Nein, auf mehr Geld!)
Das ist für mich völlig indiskutabel. Dazu werden Sie von uns niemals eine Zustimmung erhalten. Das geht an der Verfassungswirklichkeit und dem Grundgedanken der Verfassung vollends vorbei.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es handelt sich dabei meines Erachtens um eine völlig nutzlose Andienerei, um eine plumpe Kumpanei mit den Tarifvertragsparteien. Aber ich glaube, dass die Gewerkschaften das gar nicht wollen und gar nicht brauchen. Im Gegenteil: Unsere Gewerkschaften sind stark. Sie entscheiden nach eigenem Ermessen, ohne Einflussnahme des Deutschen Bundestages. Bedenken Sie einmal, wie das Gegenteil wirken würde: Was wäre los, wenn wir im nächsten Jahr beschließen würden: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, keine der gewerkschaftlichen Forderungen zu akzeptieren“? Das wäre genauso wenig bindend wie das, was Sie jetzt fordern.
Meine Damen und Herren, es finden Tarifverhandlungen statt. Es geht um die Löhne und Gehälter von 2 Millionen Beschäftigten von etwa 10 000 Arbeitgebern im öffentlichen Dienst. Es werden Volumina von 6 Milliarden Euro und schließlich von 8,6 Milliarden Euro verhandelt. Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag. Ein Vertrag sieht Verbindlichkeiten in jegliche Richtung vor. Jemand muss diese 8,6 Milliarden Euro bezahlen. Das sind zunächst einmal die Verhandlungspartner. Das sind neben dem Bund die Kommunen. Aber Kommune ist nicht gleich Kommune; Stadt ist nicht gleich Stadt. Die Stadt München kann das möglicherweise bezahlen.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Neumarkt!)
– Neumarkt zum Beispiel könnte das bezahlen; da hast du recht. Das könnte ich jetzt gut ausführen. Sollte dazu eine Zwischenfrage gestellt werden, dann führe ich das gerne näher aus.
Auch der Speckgürtel um München herum könnte das bezahlen, das Ruhrgebiet allerdings nicht. Die Zahlen spiegeln nicht immer die vollständige Wahrheit wider. Natürlich ist es so, dass die Städte und Gemeinden in Deutschland Verbindlichkeiten von etwa 130 Milliarden Euro haben, dass sie Kassenkredite von mehr als 50 Milliarden Euro haben und dass viele finanziell am Krückstock gehen. Viele Städte und Gemeinden sind Dauergast unter dem finanzpolitischen Sauerstoffzelt. Die können das nicht oder kaum bewältigen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber Gründe, oder?)
Denen können wir doch keine Vorgaben machen, wie die Höhe von tarifvertraglichen Abschlüssen aussehen soll.
Die Gemeinden werden sich das auch nicht gefallen lassen, was Sie hier vorschlagen. In der Bayerischen Verfassung und in allen anderen Länderverfassungen steht, dass die Gemeinden ursprüngliche Gebietskörperschaften sind. Noch vor dem Staat, noch vor den Ländern gab es die Gemeinden. Die lassen sich nicht ans Gängelband nehmen, von Ihnen leiten und irgendwohin dirigieren. Sie möchten ihre ureigenen Interessen selber vertreten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben einen außerordentlich kommunalfreundlichen Haushalt vorgelegt und werden dies fortführen. Wir werden in den zehn Jahren von 2010 bis 2020 etwa 80 Milliarden Euro direkt oder indirekt in die Gemeinden fließen lassen: für die Kosten der Grundsicherung, die Kosten der Unterbringung und für die Eingliederung der Behinderten. Wir haben uns in den nächsten vier Jahren des Haushaltens eine freie Finanzspanne geschaffen. Von den vorgesehenen 23 Milliarden Euro werden wir 12,5 Milliarden Euro für die Gemeinden ausgeben; eine unglaublich kommunalfreundliche Seite, die die Große Koalition damit an den Tag legt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Herr Kollege Karl, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hajduk?
Ja, sehr gerne.
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben gerade eine Zahl in den Raum gestellt. Von den 23 Milliarden Euro würden 12 Milliarden Euro an die Gemeinden fließen.
12,5 Milliarden.
Ich möchte Sie mit den Zahlen konfrontieren, die mir Ihr haushaltspolitischer Sprecher gestern im Haushaltsausschuss auf meine Frage hin genannt hat. Es gibt ja eine Auseinandersetzung um die Frage: Warum fließt eigentlich im Jahr 2014 noch keine Milliarde an die Kommunen? Da hat er uns vorgerechnet, 23 Milliarden Euro stünden im Koalitionsvertrag, davon seien 20 Milliarden Euro sehr klar durch bestimmte Maßnahmen belegt und 3 Milliarden Euro würden für die Kommunen bleiben. Das seien nicht 4 Milliarden Euro, und deswegen sei erst in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils 1 Milliarde Euro für die Kommunen da. Ist es nicht das Ergebnis einer sehr weiten Interpretation, die anderen maßnahmenbezogenen Mittel jetzt so auf die Gemeinden herunterzurechnen, dass Sie auf die Zahl 12 Milliarden Euro kommen? Ist das nicht vielleicht auch eine sehr starke Verschleierung gegenüber der Öffentlichkeit?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Liebe Frau Kollegin Hajduk, entschuldigen Sie bitte: Ich hatte schon gestern den Verdacht, dass Sie die Antwort, die man Ihnen gegeben hat, nicht ganz verstanden haben.
(Heiterkeit)
Es ist in der Tat so, dass wir einen Spielraum von 23 Milliarden Euro haben. Heruntergerechnet bedeutet dies – danach haben Sie schon gestern gefragt –, dass in den Jahren 2015, 2016 und 2017, sozusagen im Vorgriff auf die Wiedereingliederung, jeweils 1 Milliarde Euro gezahlt wird, ab dem Jahr 2018 dann 5 Milliarden Euro, und zwar in der weiteren Abfolge permanent, laufend.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das darf dann wieder die nächste Regierung machen, ja?)
Damit ergibt sich, wenn man andere Punkte hinzunimmt, eine Summe von insgesamt 12,5 Milliarden Euro. 3 Milliarden Euro und zweimal 5 Milliarden Euro ergeben 13 Milliarden Euro. –
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche 5 Milliarden denn überhaupt?)
Ich muss mich korrigieren: Es sind eigentlich nicht 12,5 Milliarden Euro, sondern 13 Milliarden Euro. Wir können das gerne noch einmal im Haushaltsausschuss vertiefen; dazu haben wir noch reichlich Gelegenheit. Trotzdem vielen Dank für die Frage.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen das mit der Mathematik noch lernen!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gegensatz zu den Antragstellern habe ich persönlich, haben die Fraktionen von CDU/CSU und SPD Vertrauen in die Verhandlungsführer bei den Tarifverhandlungen. Ich vertraue darauf, dass sich die Arbeitgeber und die Gewerkschaften mit Maß und Respekt begegnen. Wir wissen, was wir an einem guten öffentlichen Dienst haben. Wir wissen, dass die Leute im öffentlichen Dienst in der Tat Geld brauchen. Aber ich sage auch: Die Tatsache, dass wir die Inflationsrate in den letzten Jahren sehr gering gehalten haben – um 1 Prozent herum –, ist eine außerordentliche, hervorragende soziale Leistung, gerade im Hinblick darauf, dass dadurch insbesondere die Löhne und Gehälter geschont und sie nicht von den klebrigen Fingern des Staates und anderer verringert werden. Ich habe Vertrauen, dass die Gewerkschaften sowie die Arbeitgeberverbände und die Verhandlungsführer des Bundesinnenministeriums und des Finanzministeriums ihre Arbeit gut machen. Wir haben kein Vertrauen in Ihren Antrag; wir lehnen ihn ab.
Ich freue mich, dass ich meine Rede bis zum Schluss halten konnte. Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Karl. Ich wünsche Ihnen nicht politisch, aber gesundheitlich gute Besserung.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alois Karl [CDU/CSU]: Danke!)
Nächster Redner ist der Kollege Wilfried Oellers, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3231538 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 23 |
Tagesordnungspunkt | Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst |